Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Preisanstieg bei Erdbeeren: Zukunft der deutschen Erdbeere in Gefahr

Kosten explodieren durch Mindestlohn und Klimawandel, Verbraucher vor Entscheidung: Lohnt sich deutsche Erdbeere noch?

Dominic Ell aus dem badischen Oberkirch hat in den vergangenen Jahren massiv in den Erdbeeranbau investiert - um sich unabhängiger vom Klimawandel zu machen. (Archivbild)
Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Der Preis für Erdbeeren aus Deutschland am Stand ist für Kunden und Kundinnen erheblich gestiegen. Vor zehn Jahren kosteten sie rund 70 Prozent mehr. Im Jahr 2015 mussten noch 3,94 Euro für ein Kilogramm heimische Erdbeeren bezahlt werden, im vergangenen Jahr waren es 6,65 Euro, wie die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft berichtete. Auch 2025 werden die Preise voraussichtlich höher sein als im Vorjahr, so Marktanalystin Eva Würtenberger.

Woher stammen die stark gestiegenen Preise? Und welche Auswirkungen hat dies für die Zukunft? Wird die Erdbeere aus Deutschland weiterhin erschwinglich bleiben?

Bis zu 60 Prozent der Produktionskosten sind Lohnkosten

Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE) verweist vor allem auf den Mindestlohn und die Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre. «Wenn Sie sehen, wir kommen von 8,50 Euro Mindestlohn und sind jetzt bei 12,82 Euro», sagt Verbandssprecher Simon Schumacher. «Das ist ja auch eine immense Steigerung.» 

Gemäß dieser Angaben machen die Personalkosten aufgrund der manuellen Ernte bis zu 50 bis 60 Prozent der Kosten für die Erdbeerproduktion aus. Der Mindestlohn wurde 2015 eingeführt. Laut Schumacher haben deshalb viele Betriebe aufgegeben oder ihre Anbauflächen verkleinert.

Weniger Erdbeeren aus Deutschland

Laut Statistischem Bundesamt ist die Anzahl der Erdbeeranbaubetriebe seit 2015 um 24,1 Prozent auf 1.702 gesunken. Die Anbaufläche hat sich um 28,4 Prozent auf 13.149,5 Hektar verringert und die Erntemenge um 30,3 Prozent auf 120.352 Tonnen.

Dominic Ell, Erdbeeranbauer aus dem badischen Oberkirch bei Offenburg, fragt sich: «Wie lang macht das Spiel der Verbraucher mit und sagt: ‚Okay, ich gönne mir die deutsche Erdbeere noch, oder halt auch nicht?’» Ell produziert auf seinem Beerenhof pro Jahr allein 350 Tonnen Erdbeeren. Er glaubt an die Zukunft der deutschen Erdbeere. «Wenn wir mit der Erdbeere kein Geld mehr verdienen, dann frage ich mich, mit was dann?» 

Anteil ausländischer Erdbeeren in deutschen Supermärkten steigt

Der Anteil der deutschen Erdbeeren an der Selbstversorgung ist seit 2015 signifikant gesunken, von etwa 68 Prozent auf zuletzt 50 Prozent, wie Marktanalystin Würtenberger erklärt. Das bedeutet, dass die Hälfte der in Deutschland gehandelten Erdbeeren aus Deutschland stammt – die andere Hälfte aus dem Ausland, hauptsächlich aus Spanien und Griechenland.

Schumacher erwähnt die gestiegenen Produktionskosten, die unter anderem für den Kauf von Folientunneln und für die Beregnung anfallen. Laut Tobias Gabler von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg in Baden-Württemberg sind auch die Kosten für den jährlichen Erwerb von Jungpflanzen deutlich angestiegen.

Sehr zu schaffen macht den Erdbeeranbauern auch der Klimawandel. «Der Klimawandel bringt ja immer diese Starkwetterereignisse mit», sagt Agrarwissenschaftler Gabler. Das bedeute Starkregen und Hagel. «Dieser Starkregen macht natürlich Erdbeerfelder teilweise kaputt beziehungsweise die Ernte ist dadurch einfach nicht mehr gewährleistet.» So sei der Anteil des Freilandanbaus massiv zurückgegangen.

Anbauer steigen auf geschützten Anbau um

Demnach steigen immer mehr Anbauer auf den geschützten Anbau mit Folientunnel um – teilweise sogar mit Stellage, brusthohen Rinnen, die eine bequemere Ernte ermöglichen. Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Anbaufläche im geschützten Anbau von 730,7 Hektar im Jahr 2015 auf 2.045,5 Hektar im Jahr 2024 fast verdreifacht.

Dort ist auch der Ertrag deutlich höher: Im vergangenen Jahr wurden im Schnitt 20,4 Tonnen Erdbeeren pro Hektar geerntet. Im Freilandanbau waren es nur 9,3 Tonnen. Im geschützten Anbau kann auch noch im Oktober geerntet werden. Die traditionelle Saison endet im Juli.

Experten gehen von weiter steigenden Preisen aus

Auch Obstanbauer Ell stellt nach und nach seine Produktion in weiten Teilen um: «Tatsächlich investieren wir seit 2019 immer wieder Stück für Stück in Folientunnel.» Allerdings koste die Umstellung eines Hektars von Freiland auf geschützten Umbau bis zu 100.000 Euro. 

Die Experten prognostizieren, dass die Preise für Erdbeeren weiter steigen werden. Neben einer potenziellen Steigerung des Mindestlohns auf 15 Euro geht Marktanalystin Würtenberger von einer weiteren Umstellung auf geschützten Anbau aus.

Ernteroboter könnten künftig helfen

Eine Option zur Reduzierung der Kosten in der Zukunft könnten Ernteroboter sein. Laut Würtenberger werden diese jedoch bisher nur in den Niederlanden getestet, aber noch nicht in der Produktion eingesetzt. Eine Herausforderung besteht darin, zum Beispiel die Erdbeere vor dem Pflücken mit einer Kamera von allen Seiten zu prüfen.

Agrarwissenschaftler Gabler sieht jedoch auch eine Schmerzgrenze der Verbraucher: «Ich sage mal, fünf Euro pro 500-Gramm-Schale ist eine gewisse Schallmauer.» Eine Möglichkeit seien dann noch kleinere Schälchen im Verkauf, wie es sie heute auch schon gebe.

dpa