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Tipico trotz BGH-Einschätzung zuversichtlich

Ein Hinweisbeschluss des BGH zu unerlaubten Sportwetten hat überrascht. Während die Spieler-Vertreter schon eine Klagewelle prophezeien, meldet sich nun einer der Anbieter zu Wort.

Tipico beruft sich darauf, stets eine gültige Lizenz der maltesischen Regulierungsbehörde MGA gehabt zu haben.
Foto: Monika Skolimowska/dpa

In der Debatte um unerlaubte Sportwetten strebt der Anbieter Tipico nach eigener Aussage eine höchstrichterliche Klärung der Rechtsfragen am Bundesgerichtshof (BGH) an. «Und wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass der BGH in diesem Verfahren letztlich unsere Rechtsansicht teilen wird», sagte ein Sprecher – trotz jüngst bekanntgewordener Hinweise des BGHs, welche eher die Sportwetten-Verlierer stärken. 

Die Kläger fordern in mehreren Verfahren eine Rückerstattung ihrer Verluste, da die Anbieter aufgrund offener Rechtsfragen jahrelang keine Lizenz hatten und teilweise verbotene Angebote gemacht haben. Der rechtliche Schwebezustand zwischen 2012 und 2020 geht auf Änderungen in den Glücksspielstaatsverträgen zurück, mit denen das Sportwetten-Angebot reguliert werden sollte.

Der BGH hat in einem Beschluss zu einem für Anfang Mai geplanten Verfahren Stellung genommen. Es handelt sich dabei nicht um ein Urteil, sondern um eine vorläufige Einschätzung des ersten Zivilsenats zur Vorbereitung auf die Verhandlung.

Höchsteinsatz nicht auf 1000 Euro pro Monat begrenzt

Folglich könnte der Anbieter gegen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags in seiner Fassung von 2012 verstoßen haben, da er den Höchsteinsatz je Spieler nicht auf 1000 Euro pro Monat begrenzte. Verträge zwischen Anbieter und Spieler dürften ungültig sein, der Kläger könnte einen Anspruch auf Rückerstattung haben.

In den vorläufigen Einschätzungen spielt die Lizenzfrage eine eher untergeordnete Rolle. Laut BGH hat der beklagte Betreiber jedoch auch den Glücksspielstaatsvertrag verletzt, da er im relevanten Zeitraum keine Erlaubnis für öffentlich im Internet angebotene Sportwetten hatte.

Unterschiedliche Interpretationen der EuGH-Rechtsprechung

Ronald Reichert von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs, der mehrere Anbieter in derartigen Verfahren vertritt, hat Zweifel daran, ob der BGH nach einer mündlichen Verhandlung daran festhält. «Schließlich widerspricht er mit seiner Beurteilung ganz offen dem Europäischen Gerichtshof.» Dieser habe festgestellt, dass den Sportwettveranstaltern, egal ob im Shop oder im Internet, das Fehlen der Konzession damals nicht entgegengehalten werden durfte, weil die Bundesländer den Veranstaltern die Sportwettkonzessionen europarechtswidrig vorenthalten hatten.

«Und das Angebot, das die betroffenen Unternehmen gemacht haben, war genau das, was ihnen später von den Behörden genehmigt wurde», erklärte Reichert.

Anders als beim «Dieselskandal» hätten nicht die Anbieter rechtswidrig gehandelt, sondern die Bundesländer beim Konzessionsverfahren. «Der EuGH und die Verwaltungsgerichte haben deshalb ausdrücklich bestätigt, dass gegen die Veranstalter nicht vorgegangen werden durfte», so Reichert. Der BGH versuche das rückwirkend zu korrigieren.

Laut dem Beschluss ist die vorläufige Beurteilung des BGH im Einklang mit der EuGH-Rechtssprechung. Eine Vorlage an die Luxemburger Richterinnen und Richter sei nicht erforderlich, da die relevanten Fragen bereits beantwortet seien.

Klärung in Tipico-Verfahren noch offen

Tipico behauptet, dass es seit seiner Gründung im Jahr 2004 immer eine gültige Lizenz der maltesischen Regulierungsbehörde MGA für Sportwetten hatte. Laut dem Sprecher wird regelmäßig überprüft, ob der Anbieter die strengen regulatorischen Anforderungen einhält.

«Nachdem der Europäische Gerichtshof in mehreren Entscheidungen die deutsche Rechtslage in der Zeit vor 2020 als unionsrechtswidrig beurteilt hat, fanden die nationalen Regelungen zur Sportwette keine Anwendung.» Diese Rechtsauffassung hätten die deutschen Behörden akzeptiert und Tipico danach eine deutsche Konzession erteilt.

Im März hatte der BGH eigentlich schon einen Fall verhandeln wollen, in dem es um Tipico geht. Aufgrund von Verhandlungen über einen außergerichtlichen Vergleich hob der BGH den Termin auf. Der Kläger hatte von 2013 bis 2018 an Sportwetten teilgenommen und behauptet, dass diese aufgrund fehlender Lizenz unzulässig waren und die Wettverträge unwirksam waren.

Er möchte über 3700 Euro zurückerstattet bekommen, was im Vergleich zu anderen Fällen dieser Art eine geringe Summe darstellt. Sein letzter Gerichtsbesuch vor dem Landgericht Ulm war erfolglos, da aus deren Sicht die Verträge nicht nichtig sind. Trotzdem legte der Spieler Berufung ein. (Az. I ZR 90/23)

Entscheidung für Tausende Klagen relevant

Der Tipico-Sprecher erläuterte: «In unserem Verfahren handelt es sich beim Kläger um eine Prozessfinanzierungsgesellschaft, die dem Spieler seine Forderung abgekauft hat.» Tipico habe sich wegen dieser Besonderheiten auf Gespräche zu einer außergerichtlichen Verständigung eingelassen. Sollten diese scheitern, würde der Fall doch am BGH verhandelt. 

Eine höchstrichterliche Entscheidung wäre für Tausende solcher Klagen an zahlreichen Gerichten relevant. Bei Sportwetten geht es um einen Milliardenmarkt. Dem aktuellen Glücksspielatlas zufolge nahmen 2021 fünf Prozent der Bevölkerung an Sportwetten teil.

dpa