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Top-Kartoffelernte – aber die Verbraucher profitieren kaum

Eigentlich müsste es ein Grund zur Freude sein, aber weder Landwirte noch die Verbraucher können in diesem Jahr über die reichhaltige Kartoffelernte jubeln. Die Gründe sind vielfältig.

Die Kartoffelbauern haben in diesem Jahr eine sehr gute Ernte eingefahren - es sind sogar zu viele Kartoffeln, die Preise sind relativ schlecht. (Archivfoto)
Foto: Jan Woitas/dpa

Die gute Kartoffelernte und das große Angebot haben zu niedrigen Erzeugerpreisen geführt, was den Verbrauchern jedoch kaum zugutekommt, erklärt der Kartoffelmarkt-Experte Christoph Hambloch von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. „Des einen Leid ist nicht immer des anderen Freud‘ – das gilt jedenfalls für die aktuelle Situation der Kartoffelbauern.“

Im Durchschnitt bekämen die Landwirte derzeit pro 100 Kilogramm nicht viel mehr als zehn Euro, sagte Hambloch vor allem mit Blick auf Betriebe in Norddeutschland. In den Supermärkten lägen die Preise aber oft bei mehr als 1,50 Euro pro Kilogramm. «Die Verbraucherpreise liegen teilweise um das zehn- bis 15-fache über dem, was die Landwirte bekommen», erklärt Hambloch. 

Kein Grund zum Jubeln 

Auch wenn die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um bis zu sieben Cent gesunken sind, sind sie aus seiner Sicht immer noch hoch, sagt Hambloch. Für die Landwirte sind die Preise in diesem Jahr eine Katastrophe, aber auch die Verbraucher haben keinen Grund zum Feiern. Die gesamte Lieferkette, von den Verpackungsbetrieben über die Logistik bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel, möchte einfach auch Geld verdienen.

Der Hauptgrund für die eher mäßigen Erzeugerpreise liegt laut Sebastean Schwarz, Geschäftsführer der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (Unika) in Berlin, in einer deutlichen Ausdehnung des Kartoffelanbaus. In Deutschland sei die Anbaufläche für Kartoffeln im vergangenen Jahr um knapp 7 Prozent auf etwas mehr als 300.000 Hektar ausgedehnt worden.

Kartoffelernte um fünf Prozent zugelegt 

Laut Schwarz ist die Ernte in diesem Jahr um mehr als 5 Prozent gestiegen. Auch in den europäischen Nachbarländern hat der Kartoffelanbau zugenommen, was zu einer größeren Erntemenge geführt hat. Deutschland, als einer der führenden Produzenten in Europa, ist auf den Export von Speise- und Verarbeitungskartoffeln angewiesen.

Aber aus dem Ausland habe Deutschland Konkurrenz bekommen: «Auf dem Weltmarkt für Tiefkühlpommes sind mit China, Indien und weiteren Ländern neue Wettbewerber eingestiegen und die Nachfrage nach europäischer Ware ist auch aufgrund der Stärke des Euro gesunken», erklärt Schwarz. 

Abnahmemengen durch Lieferverträge geregelt 

Kartoffeln werden gezielt nach Sorte für klar definierte Verwertungsrichtungen angebaut, wie Schwarz erklärt. Es gibt Speisekartoffeln, Verarbeitungskartoffeln für Pommes oder Chips, Stärke-Kartoffeln und Pflanzkartoffeln. Ein Austausch zwischen diesen Richtungen sei sehr schwer möglich, da Stärke-Kartoffeln nicht schmackhaft seien und Pflanzkartoffeln nicht verarbeitet werden könnten.

Eine Folge dieser Spezialisierung ist, dass vor allem für Kartoffeln, die zur Verarbeitung zu Chips, Knödeln oder Pommes bestimmt seien, schon im Vorjahr Liefermengen vereinbart werden. In einem Jahr mit guter Ernte sei der Bedarf gedeckt, und Kartoffeln, die ohne vertragliche Bindung angebaut wurden, fänden daher keinen Abnehmer. «Das kommt in diesem Jahr mit einer europaweit großen Ernte ganz besonders zum Tragen und die Produzenten, die keine Abnahmeverträge im Vorjahr ausgehandelt haben, müssen alternative Verwertungsmöglichkeiten finden», sagt Schwarz. 

Nur in Einzelfällen bleiben Kartoffeln im Acker 

Das könnte sogar dazu führen, dass die ungenutzten Kartoffeln in die Biogasanlage gelangen oder als Tierfutter verwendet werden. Denn eine Lagerung sei zu kostspielig, beanspruche Platz und Energie, erklärte der Geschäftsführer von Unika. Zudem sei die Lagerfähigkeit von Kartoffeln begrenzt.

Berichte über Landwirte, die ihre unverkäuflichen Kartoffeln einfach im Acker lassen, beziehen sich aus Sicht von Hambloch und Schwarz eher auf Einzelfälle. Kartoffeln, die ungeerntet im Boden bleiben, könnten Krankheiten übertragen, sagt Hambloch. Vereinzelt sei das geschehen – «insbesondere, wenn der Betrieb entscheidet, künftig keine Kartoffeln mehr anzubauen», erklärt Schwarz.

dpa