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Plastiktüten-Verbot: Umweltschützer fordern Verschärfung

Die Regelung verringerte die Nutzung, doch zu viele Einweg-Plastiktüten sind noch im Umlauf. Eine Erweiterung des Verbots auf dickere Tüten wird gefordert.

Ein Foto von 2012 - solche Plastiktüten sind inzwischen nicht mehr an Deutschlands Supermarkt-Kassen zu bekommen. (Symbolbild)
Foto: picture alliance / ZB

Fünf Jahre nach der Verabschiedung des Plastiktütenverbots durch den Bundestag fordern Umweltschützer eine Verschärfung der Vorschriften. Laut Viola Wohlgemuth von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hat die Regelung zwar die Verwendung von Plastiktüten im Einzelhandel erheblich reduziert, aber es gibt immer noch viel zu viele Einweg-Plastiktüten im Umlauf.

Am 26. November 2020 hat der Deutsche Bundestag für ein Gesetz gestimmt, das ab Januar 2022 die bisher üblichen Plastiktüten in Supermärkten verbietet. Es handelte sich um Kunststoffverpackungen mit einer Dicke von 15 bis 50 Mikrometern. Die kleinen dünnen Tüten für Obst und Gemüse bleiben erlaubt.

Wohlgemuth bemängelt, dass heute noch immer einige Einzelhändler Plastiktüten an ihren Kassen anbieten. «Die sind nur minimal dicker als 50 Mikrometer und fallen daher nicht unter das Verbot – das ist zwar legal, aber ziemlich dreist.» Die Tüten hätten Einweg-Charakter, sie gingen schnell kaputt und würden schnell zu Müll. Das Verbot sollte auf Wandstärken von bis zu 100 Mikrometer oder mehr erweitert werden, so Wohlgemuth. «Erst dann ist eine Plastiktüte so robust, dass ein mehrfacher Gebrauch realistisch ist.» 

Indien ging härter vor als Deutschland 

Deutschland solle sich ein Beispiel an Indien nehmen, wo auch Plastiktüten mit bis zu 120 Mikrometern verboten seien. «Das sollten wir in Deutschland auch hinbekommen», sagt Wohlgemuth. Die Umweltschützerin betont, dass bei der Nutzung von allen Plastiktüten winzige Partikel abgerieben werden und in der Landschaft landen. Dort bauten sie sich nicht ab. Über die Luft, das Wasser und Nahrung gelangten solche Partikel in den Körper und schadeten der Gesundheit. 

Der Einzelhandel setzt schon seit einigen Jahren verstärkt auf recht dicke Plastiktaschen oder Stoffbeutel, die für den mehrfachen Gebrauch gedacht sind. Wohlgemuth mahnt allerdings an, dass diese Verpackungen zu billig seien und die Menschen zu viele davon kauften. «Man ist einkaufen und hat die Tüte zu Hause vergessen – also kauft man sich noch eine, obwohl zu Hause der Küchenschrank schon voll ist mit solchen Tüten und Beuteln», sagt die Umweltschützerin. Um die Menge der im Umlauf befindlichen Tüten und Beutel zu reduzieren, sollte ein Pfand- und Rücknahmesystem eingeführt werden. «So wie man die Bierflasche in den Automaten steckt, sollte man auch Plastiktüten und Stoffbeutel zurückgeben können.» 

Plastiktüte ist schon lange auf dem Rückmarsch 

Die einst weit verbreiteten Plastiktüten waren bereits vor dem gesetzlichen Verbot schrittweise auf dem Rückzug. Der Handelsverband hatte sich bereits 2016 verpflichtet, ohne gesetzlichen Zwang dafür zu sorgen, dass innerhalb von zwei Jahren 80 Prozent der Plastiktüten kostenpflichtig würden – sie sollten also nicht mehr kostenlos an der Kasse ausgegeben werden. Rewe ging noch einen Schritt weiter und entfernte bereits damals Plastiktüten aus ihren Geschäften, stattdessen boten sie Papiertüten, Kartons und Mehrweg-Taschen an.

Laut Europäischem Statistikamt (Eurostat) verbrauchte ein Bundesbürger im Jahr 2018 im Schnitt 57,2 Plastiktüten, die maximal 50 Mikrometer dick sind – es geht also um die heute verbotenen Tüten und die weiterhin erlaubten sehr dünnen «Hemdchen-Tragetaschen» für Obst und Gemüse. 2021 waren es 38,4 und 2023 nur noch 30,9. Im europäischen Vergleich steht Deutschland gut da, in Tschechien, Spanien und Bulgarien etwa fallen pro Kopf viel mehr Plastiktüten an. 

Handelsbranche betont Vorteile freiwilliger Maßnahmen 

Der Handelsverband betrachtet den Branchenweg rückblickend als Erfolgsgeschichte. «Die freiwillige Selbstverpflichtung noch vor der gesetzlichen Pflicht macht deutlich, dass die Handelsbranche ihre Bemühungen in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit ernst meint», sagt HDE-Geschäftsführerin Antje Gerstein. Durch die Selbstverpflichtung wurde der Verbrauch von dünnen Plastiktüten erheblich reduziert. Die Erfahrung zeigt, dass Verbraucher die angebotenen Alternativen gut annehmen. Die Unternehmen arbeiten kontinuierlich daran, ihre Produkte und Verpackungen nachhaltiger und besser recycelbar zu gestalten.

Mit den angebotenen Alternativen ist auch die Plastikindustrie zufrieden. «Kunststoff hat sich als nahezu ideale Lösung für Mehrweganwendungen etabliert», sagt die Hauptgeschäftsführerin von Plastics Europe Deutschland, Christine Bunte. «Eine robuste Tasche aus recyceltem Kunststoff ist nicht nur praktisch, sondern weist oft eine bessere Ökobilanz auf als viele Alternativen wie Stoffbeutel.» Bunte weist auf Studien hin, denen zufolge Mehrweg-Plastiktaschen bereits nach fünf- bis zwanzigfacher Nutzung eine bessere Ökobilanz haben als eine Einweg-Tüte. Damit seien diese robusten Kunststoff-Taschen besser als Baumwoll-Taschen, die häufiger zum Einsatz kommen müssen, bevor ihre Ökobilanz besser sei als eine Einweg-Tasche aus Kunststoff.

Die Bundestagsabgeordnete Julia Schneider von den Grünen hält es inzwischen für selbstverständlich, fürs Einkaufen Tragetaschen mehrfach zu verwenden. «Viele Bürgerinnen und Bürger setzen in ihrem Alltag ohnehin auf mehr Wiederverwenden statt Wegwerfen.» Schneider weist auf Sommer 2026 hin – dann greift ein EU-Regelwerk zu Verpackungen, was das Plastikaufkommen noch weiter reduzieren soll. Die Oppositionspolitikerin fordert von der Bundesregierung, dieses EU-Regelwerk als Gelegenheit zu nutzen, um Mehrweg zum Standard zu machen und die Kreislaufwirtschaft voranzubringen.

dpa