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US-Zölle: Schweizer Wirtschaft in Gefahr

Die Schweiz steht vor einem wirtschaftlichen Desaster: US-Zölle bedrohen Arbeitsplätze, Exporte und die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen.

Da sah alles noch nach gütlicher Einigung aus, im Mai 2025.
Foto: Martial Trezzini/KEYSTONE/dpa

Der US-Zollhammer hat der Schweiz einen Schock versetzt: 39 Prozent auf Schweizer Importe hat US-Präsident Donald Trump angeordnet. «Der Wohlstand aller ist in Gefahr», warnt der Industrieverband der Tech-Industrie, Swissmem. Die Zölle zahlen zwar die Importeure und US-Verbraucher, aber damit wird «Made in Switzerland» so teuer, dass Bestellungen einbrechen dürften, fürchtet die Wirtschaft. Die USA sind vor Deutschland der wichtigste Exportmarkt der Schweiz, mit fast 19 Prozent Anteil am Gesamtexport. 

Der Industrieverband Economiesuisse warnt vor Firmenpleiten. Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher sieht Zehntausende Stellen in Gefahr. Auch, weil Konkurrenten aus der EU «nur» mit 15 Prozent US-Zöllen belastet werden. 

«Wenn die Zolldifferenz bleibt, würde das sicher einen Impuls nach Deutschland bringen», sagt Hans Gersbach, Ko-Direktor der Konjunkturforschungsstelle (Kof) der Universität ETH in Zürich, der Deutschen Presse-Agentur. Er nennt die Branchen Maschinenbau, Medizingeräte, Präzisionsinstrumente und Pharma. Zudem könne es Produktionsverlagerungen nach Deutschland geben. Gleichzeitig wären deutsche Zulieferer in die Schweiz aber negativ betroffen. Gesamtwirtschaftlich werde das deshalb kaum ins Gewicht fallen.

Die Kof prognostiziert bei 39 Prozent Zöllen einen Rückgang des Schweizer Bruttoinlandsprodukts von 0,3 bis 0,6 Prozent. Falls die bisher ausgenommene Pharmaindustrie einbezogen wird, könnte es sogar mindestens 0,7 Prozent betragen. Die Schweizer Präsidentin Karin Keller-Sutter ist überstürzt nach Washington gereist, um zu versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Am stärksten betroffen in der Schweiz sind:

Die Uhrenindustrie

Schweizer Uhren sind bei den Reichen in den USA sehr beliebt: Rolex, Breitling, Tag Heuer – solche und ähnliche Marken wurden bereits an den Handgelenken von Donald Trump und anderen Milliardären in seinem Kabinett gesehen. Kein Land importiert so viele Schweizer Uhren wie die USA: Im Jahr 2024 belief sich der Wert auf 4,3 Milliarden Franken, gefolgt von China mit 2 Milliarden Franken. Der Anteil der USA an den Exporten von Uhren beträgt 16,8 Prozent.

Chrystel Graf, Staatsratspräsidentin des Kantons Neuenburg, spricht von einem «Keulenschlag». Ihr Kanton gilt mit den Orten La-Chaux-de-Fonds und Le Locle als Wiege der Schweizer Uhrmacherei, er hat Marken wie Omega, Longines, Tissot und Audemars Piguet hervorgebracht. 

Maschinenindustrie

Schweizer Unternehmen gehören in einigen Bereichen zu den Weltmarktführern in Präzisionsmaschinen und Bauteilen: Spezialbagger, Inspektionsgeräte zur Kontrolle von Pipelines oder Sensoren für Fabrikautomation zum Beispiel. Wenn jedoch die Konkurrenz aufgrund hoher Zölle günstiger liefern kann, könnten sie benachteiligt sein.

Schokolade und Käse

Der mehr als 170 Jahre alte Hersteller von Schokolade-Spezialitäten, Maestrani, sieht schwarz. «Sollten diese Zölle dauerhaft zur Anwendung kommen, wäre unsere Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt nicht mehr gegeben», sagt der Leiter Marketing, Valentin Haag. Die Zölle müsste der Kunde berappen, damit seien die Maestrani-Schokoladen deutlich teurer als Konkurrenzprodukte aus den USA oder der EU. Noch hätten die Vertriebspartner aber Lagerbestände. Maestrani-Premium-Schokolade kann schon jetzt für 100 Gramm vier Euro kosten. 

Beim Gruyère-Käse gehen 13 Prozent der Produktion in die USA, mehr als 4300 Tonnen im vergangenen Jahr. «Dieses Geschäft ist akut gefährdet», berichtet die Zeitschrift «Schweizer Bauer». Die Sortenorganisation Gruyère AOP rechnet mit Absatzeinbrüchen und hat bereits Produktionskürzungen beschlossen. 

Für Unternehmen wie Lindt & Sprüngli und Nestlé sind die Zölle weniger problematisch. Sie stellen ihre Produkte für den US-Markt in den USA her – Nestlé gibt an, dass dies auf mehr als 90 Prozent zutrifft.

Problem Gold

Der Export von Gold in die USA ist signifikant angestiegen, möglicherweise aufgrund der Unsicherheit an den Märkten und in der Geopolitik, da das Edelmetall als sicherer Hafen für Vermögen gilt. Laut Angaben des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit wurden im ersten Halbjahr 475 Tonnen in die USA exportiert, verglichen mit 153 Tonnen im gesamten Vorjahr. Dies entsprach einem Wert von 39,2 Milliarden Franken von Januar bis Juni, was wertmäßig 54 Prozent der Exporte in die USA ausmachte. Das Gold wird in der Schweiz hauptsächlich umgeschmolzen, ohne große Wertschöpfung.

Problem Währung

Der Dollar schwächelt seit Trumps Amtsantritt. Auch der Schweizer Franken gilt als sicherer Hafen und legt deutlich zu, rund 14 Prozent seit Januar. Das macht Exporte teurer. Von Trump ist das durchaus so gewünscht: «Mit einem schwächeren Dollar verdient man verdammt viel mehr Geld», meinte er kürzlich.

Problem Defizitberechnung

Trump spricht von einem massiven Handelsdefizit gegenüber der Schweiz. Er kommt auf rund 39 Milliarden Franken. «Absurd», sagte die Schweizer Präsidentin dazu. Trump schaut nämlich nur auf den Warenaustausch. Knapp 65 Milliarden Franken Schweizer Exporten standen 2024 knapp 26 Milliarden Franken Importe gegenüber. Im Dienstleistungsbereich haben die USA aber deutlich die Nase vorn. Das Defizit liegt so insgesamt bei rund 20 Milliarden Dollar.

dpa