Das Deutschlandticket gibt es nun seit vier Monaten, zuletzt nutzten gut zehn Millionen Menschen diesen Fahrschein. Nach Ansicht des Verbands der Verkehrsunternehmen könnten es deutlich mehr sein.
Deutschland-Ticket lockt neue Nutzer in den ÖPNV
Gut zehn Millionen Menschen haben im Juli und August das neue Deutschlandticket genutzt – nach Ansicht des Branchenverbands VDV sind damit aber noch lange nicht alle Potenziale des bundesweit gültigen Fahrscheins ausgeschöpft. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht davon aus, dass in den kommenden Monaten noch einige Nutzer anderer ÖPNV-Abos auf das 49 Euro teure Monatsticket wechseln werden. «Dafür wäre aber eine möglichst zeitnahe Einigung von Bund und Ländern über die Anschlussfinanzierung des Tickets in den kommenden Jahren dringend geboten», sagte Verbandspräsident Ingo Wortmann.
«Denn solange nicht klar ist, dass die Finanzierung und damit der Fortbestand des Deutschlandtickets gesichert sind, zögern viele Kundinnen und Kunden noch.» Über diese Finanzierung wird bereits intensiv diskutiert – eine schnelle Lösung scheint aktuell nicht in Sicht.
Nach Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) rief auch der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), die Länder auf, mehr für das Deutschlandticket zu tun. «Ich habe den Eindruck, dass manche, die jetzt laut nach dem Bund rufen, von ihren eigenen Hausaufgaben ablenken», sagte Theurer den «Badischen Neuesten Nachrichten». Der Nahverkehr sei Aufgabe der Länder. «Baden-Württemberg hat offenbar genug Geld, um ein eigenes Jugendticket einzuführen, aber angeblich kein Geld, um das Deutschlandticket zu finanzieren», sagte Theurer. Wenn jeder nur seinen eigenen Vorgarten pflege, «bringt uns das als Gesellschaft nicht weiter».
Streit über Finanzierung des Deutschlandtickets
Das Ticket für 49 Euro im Monat ist seit dem 1. Mai gültig und berechtigt bundesweit zur Fahrt im gesamten Regional- und Nahverkehr. Die Kosten wollen Bund und Länder je zur Hälfte tragen. Vom Bund kommen von 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro. Die Länder wollen ebenso viel aufbringen. Auch mögliche Mehrkosten sollen im ersten Jahr hälftig geteilt werden. Gerungen wird um die Aufteilung möglicher Mehrkosten in den Folgejahren, deren Höhe noch nicht genau absehbar ist.
Minister Wissing lehnt eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes ab. Stattdessen forderte er die Länder zuletzt mehrmals auf, bei den Verkehrsverbünden und den Vertriebskosten zu sparen. Aus den Ländern wurde er für diese Sparappelle lautstark kritisiert.
Parallel zur Ticket-Finanzierung wird auch über den für die Verkehrswende unerlässlichen ÖPNV-Ausbau diskutiert. Vor allem die Union wirft der Bundesregierung vor, dass durch das verhältnismäßig günstige Deutschlandticket nun das Geld für den Ausbau fehle und womöglich andere Tickets teurer würden.
Deutschlandticket in den Städten beliebter als auf dem Land
Das Deutschlandticket hat einer aktuellen Umfrage zufolge jedenfalls Tausende Menschen in Busse und Bahnen gelockt, die den öffentlichen Personennahverkehr zuvor nicht genutzt haben. Acht Prozent der Ticketkäufer gaben in der bundesweiten Marktforschung des VDV an, vorher nicht den ÖPNV genutzt zu haben. 42 Prozent der Befragten hatten demnach schon vorher ein ÖPNV-Abo. 47 Prozent fuhren zwar Bus und Bahn, allerdings ohne Abo. Etwa fünf Prozent aller Fahrten mit dem Deutschlandticket wären laut Marktforschung ohne das Ticket mit dem Auto unternommen worden.
Allerdings zeigt die Marktforschung auch deutlich, dass das Ticket in Städten beliebter ist als auf dem Land – also dort, wo das ÖPNV-Angebot in der Regel umfangreicher ist. In den Metropolen und Großstädten besitzen 20 bis 30 Prozent der Befragten ein Deutschlandticket, in Kleinstädten und im dörflichen Raum dagegen nur 6 Prozent. «Das zeigt einmal mehr, dass ein günstiges ÖPNV-Ticket alleine nicht ausreicht, um die Menschen zum Kauf und damit zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen. Das gelingt nur, wenn das Angebot vor Ort attraktiv genug ist», sagte VDV-Präsident Wortmann. «Deshalb muss nach dem Deutschlandticket nun auch das Deutschland-Angebot folgen.»
Auch der Fahrgastverband Pro Bahn zeigte sich am Freitag besorgt, dass die Finanzierungsdebatte am Ende zu weniger ÖPNV-Angebot führen könnte – was Verbandsvorstand Detlef Neuß auch angesichts der Klimakrise für den falschen Weg hält. Noch größere Autos und weitere Zweitwagen könnten nicht die Lösung sein. «Die Sparappelle an die Länder von Minister Wissing sind für uns da der falsche Weg. Das führt am Ende zur Ausdünnung der Takte oder dem Wegfall ganzer Linien, vor allem bei den Bussen im ländlichen Raum», sagte Neuß der Deutschen Presse-Agentur.