Der Bund rettet den Versorger Uniper, womit es für Gaskunden teurer wird. Die Regierung will damit auch ein Signal an Verbraucher geben, Gas einzusparen. Dafür soll es aber weitere Entlastungen geben.
Rettungspaket für Uniper: Die Preise werden steigen
Auf Gaskunden kommen ab Herbst im Zuge eines Rettungspakets der Bundesregierung für den Energiekonzern Uniper höhere Preise zu.
Über eine Umlage sollen Versorger stark gestiegene Einkaufspreise wegen der Drosselung russischer Lieferungen an alle Gasverbraucher weitergeben können. Zugleich kündigte aber Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag zusätzliche Entlastungen für Bürger und Unternehmen an. Zu Beginn kommenden Jahres werde es eine große Wohngeldreform geben.
«Wir stellen sicher, dass niemand in der jetzigen Situation überfordert wird», sagte Scholz. Der SPD-Politiker sprach wegen der Umlage von zusätzlichen Belastungen von 200 oder 300 Euro für eine vierköpfige Familie im Jahr. Die Umlage kommt zusätzlich zu einer ohnehin erwarteten Preiswelle, mit der Haushalte schrittweise rechnen müssen.
Sorge vor dem Dominoeffekt
Das milliardenschwere Rettungspaket für Uniper sieht vor, dass der Bund mit 30 Prozent bei dem Düsseldorfer Unternehmen einsteigt. Geplant sind weitere Stützungsmaßnahmen. So soll ein Darlehen über die staatliche Förderbank KfW von zwei Milliarden auf neun Milliarden Euro erhöht werden.
Uniper hatte staatliche Hilfen beantragt. Das Unternehmen muss wegen der Drosselung der russischen Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 teureres Gas auf dem Markt einkaufen, um Verträge zu erfüllen. Das führt zu Liquiditätsproblemen, weil Uniper die Preissteigerungen bisher nicht weitergeben kann.
Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach bezifferte die Kosten für ersatzweise beschafftes Erdgas auf 4,5 Milliarden Euro bis Ende August. Ein weiterer Monat würde noch einmal 1,7 Milliarden Euro kosten, sagte er in Düsseldorf. Uniper wolle Schadenersatz von seinem Lieferanten Gazprom haben. Die Verträge zwischen Uniper und Gazprom laufen nach seinen Angaben noch bis Mitte der 2030er Jahre. Uniper beliefert mehr als 100 Stadtwerke und Industriefirmen. Scholz sagte, das Unternehmen sei von überragender Bedeutung für die Energieversorgung der Bürger und Unternehmen. Mit dem Paket könne das Unternehmen stabilisiert in die Zukunft schauen.
In der Pandemie stützte der Bund etwa die Lufthansa mit Milliarden-Steuergeldern und stieg bei dem Unternehmen ein. In der Finanzkrise half er der Commerzbank. «Wir lassen nicht zu, dass ein systemrelevantes Unternehmen wie Uniper fällt und damit die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet wird», erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Energieverband BDEW erklärte, Dominoeffekte auf dem Energiemarkt müssten unter allem Umständen vermieden werden, da sonst die Versorgungssicherheit nicht aufrechterhalten werden könne.
Mit einer Umlage sollen Versorger nun Preissteigerungen weitergeben können. Es sollen alle davon profitieren, vor allem aber Uniper als größer Importeur von russischem Gas.
Scholz will sich nicht auf Russland verlassen
Der Bundeskanzler sagte, die Umlage sei zum 1. Oktober geplant, möglicherweise schon zum 1. September. Sie könne zu einer Erhöhung der Gaspreise um 2 Cent pro Kilowattstunde führen. «Je nachdem, wie groß der Haushalt ist, wird das durchaus auch spürbar werden.» Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.
Ob Kunden die Umlage schon ab September oder Oktober zahlen müssen, ist offen. Es könnte dauern, bis die Kosten vom Anfang der Lieferkette, also den Importeuren, bei den Haushalten ankommen. Die Bundesregierung arbeitet an einer Verordnung.
Geplant ist, dass Importeure 90 Prozent der höheren Beschaffungskosten über die Umlage weitergeben können. Die Höhe der Umlage ist auch davon abhängig, wieviel Russland liefert – je weniger, desto teurer wird die Ersatzbeschaffung. Russland liefert nach einer Wartung von Nord Stream 1 zwar wieder Gas, aber nur etwa 40 Prozent der möglichen Auslastung. Scholz bezeichnete Russland als unsicheren Gaslieferanten.
Ein Umlagesystem gab es auch bei der inzwischen abgeschafften EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms über die Stromrechnung. Mit der Gasumlage sendet die Bundesregierung auch ein Preissignal an Verbraucher, dass sich Energiesparen lohnt. Die Regierung hat wiederholt klargemacht, es könnten nicht alle Preissteigerungen abgefedert werden.
Habeck hatte am Donnerstag ein neues Maßnahmenpaket zum Energiesparen angekündigt. Dabei geht es um öffentliche Gebäuden, Betriebe, Büros sowie um einen verbindlichen «Heizungscheck» in Wohnungen.
«Wir werden alles Erforderliche tun»
Scholz kündigte weitere Entlastungen an – mit einer großen Wohngeldreform zu Beginn kommenden Jahres. «Wir wollen den Kreis der berechtigten Haushalte ausweiten.» Es sollten mehr Bürger, Arbeitnehmer und Rentner davon profitieren können.
Zudem solle eine Heizkostenpauschale dauerhaft integriert werden. Auch für Studenten solle es Heizkostenzuschüsse geben. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bürgergeldreform solle definitiv zum 1. Januar in Kraft gesetzt werden. Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen.
Zudem sollen Kündigungsschutzregeln mit dem Ziel überprüft werden, dass überforderten Mietern der Mietvertrag oder Energiekunden der Liefervertrag nicht gekündigt werden kann. Für Unternehmen, die wegen der Energiepreise in Schwierigkeiten geraten sind, soll es zusätzliche Hilfen geben. Scholz verwies zudem auf die konzertierte Aktion, bei der die Regierung mit Arbeitgebern und Gewerkschaften Schritte zur Eindämmung der Inflation berät.
«Wir werden alles Erforderliche tun, damit wir gemeinsam als Land, als Unternehmen, als Bürgerinnen und Bürger durch diese Situation kommen, damit niemand vor eine für ihn selbst oder sie selbst unlösbare Situation gestellt wird», betonte Scholz.
Die Energiegewerkschaft IG BCE forderte einen Solidaritätsaufschlag für Privathaushalte mit besonders hohem Gasverbrauch. Der Stadtwerkeverband VKU forderte, die Umlage sollte zeitlich gestreckt und staatlich abgefedert werden.
Weitere Kosten von 4,5 Milliarden
Aufgrund der verringerter Gaslieferungen verlangt Uniper zudem Schadenersatz von seinem Lieferanten Gazprom. «Klar ist, dass wir versuchen werden – zum Wohle unseres Unternehmens -, Gazprom haftbar zu machen», sagte der Vorstandsvorsitzende der Firma, Klaus-Dieter Maubach, am Freitag in Düsseldorf. Ob es eine Auseinandersetzung vor Schiedsgerichten oder vor öffentlichen Gerichten werde, könne er noch nicht sagen. «Wir prüfen das in alle Richtungen.»
Uniper bezieht den Großteil seiner Gasimporte aus Russland. Weil inzwischen aber viel weniger kommt als früher, muss Uniper teure Extraenergie am Markt einkaufen, um seine Verträge mit Stadtwerken und Industriefirmen erfüllen zu können. Die Mehrkosten darf Uniper bisher nicht an seine Vertragskunden weiterreichen, deshalb macht der Konzern tiefrote Geschäfte.
Die Kosten für diese Ersatzbeschaffungen bezifferte Maubach bis Ende August auf 4,5 Milliarden Euro. Sollte ein von der Bundesregierung geplantes Umlagesystem, das 90 Prozent der Extrakosten decken soll, erst im Oktober eingeführt werden, würde das Uniper noch einmal 1,7 Milliarden Euro kosten, sagte der Manager. Verträge zwischen Uniper und Gazprom laufen nach seinen Angaben noch bis Mitte der 2030er Jahre. Ein Sonderkündigungsrecht habe seine Firma nicht.
Dennoch werde Uniper die Geschäftsbeziehungen neu bewerten, kündigte der Firmenboss an. «Gasbeschaffung basiert immer auf der Annahme, dass wir einen zuverlässigen Lieferanten haben.» Möglicherweise wiederholten sich die Unsicherheiten auch in Zukunft. «Darauf ist kein Geschäftsmodell aufzubauen.» Kein Vorstand könne «das Risiko, dass eine einzelne Kunden-Lieferanten-Beziehung die Firma an den Rand des Ruins bringt», verantworten. «Es braucht einen komplett neuen Blick auf das, was wir tun.» Dies werde man auch mit dem Bund als neuen Aktionär besprechen.