Neue Erhebung zeigt: 46% aller Beschäftigten leiden unter Personalmangel, was zu Überlastung und Gesundheitsproblemen führt.
Studie zu Personalmangel: Verheerende Auswirkungen auf Beschäftigte
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und sein Wirtschaftskollege Robert Habeck (Grüne) haben den Kampf gegen den Fachkräftemangel in Deutschland als sehr wichtig erachtet. Dies haben die beiden verbliebenen Minister in der Regierung bereits mehrmals betont. Auch die betroffenen Unternehmen ergreifen oft Maßnahmen, um die Lücken in ihren Belegschaften zu schließen. Doch wie wirken sich Engpässe im Kollegen- und Kolleginnenkreis auf die Beschäftigten in den Betrieben aus?
Wo sind die Engpässe am größten?
Laut einer neuen Erhebung aus der Studienreihe «DGB-Index Gute Arbeit» liegt der Anteil der in sehr hohem oder hohem Maß Betroffenen bei Lehrkräften, Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege, Fahrzeugführerinnen und -führern sowie Erzieherinnen und Erziehern zwischen 60 und 70 Prozent. Insgesamt berichten 46 Prozent aller Beschäftigten von Personalmangel. Die entsprechenden Probleme gibt es übrigens nicht nur in Arbeitsbereichen bei typischen Engpassberufen, sondern – in etwas geringerem Umfang – auch zum Beispiel in einem sehr verantwortungsvollen Bereich wie der Organisation in einem Unternehmen (37 Prozent).
Was sind die typischen Folgen von Personalmangel?
Natürlich sind Engpässe ein Problem für Unternehmen. Aber – so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) – auch für die Beschäftigten sind die Auswirkungen oft verheerend. Die Studie stellt fest: «Der Druck auf die verbliebenen Beschäftigten wird erhöht.» So zumindest berichten es viele Betroffene. Drei Viertel (76 Prozent) der Befragten, die über großen Personalmangel in ihrem Arbeitsbereich berichten, müssen wegen des fehlenden Personals zusätzliche Aufgaben übernehmen. 60 Prozent berichten über erhöhtes Arbeitstempo zum Ausgleich der Folgen des Personalmangels – mit allen möglichen Folgen für die Gesundheit.
Was ist bei den Betroffenen noch typisch?
Der Einfluss der Arbeitnehmer auf ihre eigene Arbeitsgestaltung nimmt ab. 57 Prozent geben an, dass sie aufgrund von Personalmangel Überstunden machen oder ihre Arbeitszeiten an die betrieblichen Anforderungen anpassen müssen. Laut einer Umfrage müssen 30 Prozent der Befragten aufgrund des Personalmangels Aufgaben übernehmen, für die sie nicht qualifiziert sind. Der Gewerkschaftsbund warnt vor möglichen Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen für betroffene Schüler, Patienten oder Buspassagiere.
Ist bei den Betroffenen wenigstens Land in Sicht?
Meist nicht – im Gegenteil. Von den Beschäftigten, die in (sehr) hohem Maß von Personalmangel betroffen sind, berichten 72 Prozent, dass aufgrund dieser Situation weitere Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsbereich verlassen hätten. Bei 39 Prozent der Betroffenen war dies sogar in hohem Maß der Fall, so der DGB. «Personalmangel und die damit verbundenen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen können eine Abwärtsspirale in Gang setzen», schlussfolgern die Studienautorinnen und -autoren. «Je länger der Personalmangel andauert, desto häufiger wird davon berichtet, dass Kolleg*innen den Arbeitsbereich verlassen.»
Würden Sie Ihren Job weiterempfehlen?
Auch das wurden die Studienteilnehmenden gefragt. Sind die Arbeitsbedingungen in Ordnung, würden laut der Erhebung 96 Prozent eine Empfehlung ihres Arbeitgebers gegenüber einem Freund oder einer Freundin aussprechen. Wenig überraschend: «Je schlechter die Arbeitsqualität ist, desto seltener ist das der Fall», so der DGB. Bei schlechten Arbeitsbedingungen würden gut drei Viertel der Befragten davon abraten, bei diesem Arbeitgeber zu arbeiten.
Kann man der Lage auch etwas Positives abgewinnen?
Schon. Yasmin Fahimi, die DGB-Vorsitzende, meint: «Der Bedarf an Fachkräften rückt diejenigen Personengruppen stärker in den Fokus, die am Arbeitsmarkt bislang benachteiligt sind: Frauen in Teilzeitbeschäftigung, Beschäftigte mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen, Geringqualifizierte und ältere Beschäftigte.»
Seitens der Politik und der Firmen bestehe die Aufgabe nun darin, die Hürden anzugehen, die einer stärkeren Arbeitsbeteiligung dieser Gruppen entgegenstehen. Fahimi meint damit fehlende Unterstützung bei Kinderbetreuung und Pflege, Hindernisse beim Zugang zu Aus- und Weiterbildung, Arbeitsüberlastung – «und Arbeitszeiten, die nicht zum Leben passen», so die frühere SPD-Politikerin.
Wie wurde die Studie überhaupt erstellt?
Die Arbeitsbedingungen wurden durch 42 Fragen zur konkreten Arbeitssituation bewertet. Die Mitarbeiter bewerteten die verfügbaren Ressourcen, die Belastungen, das Einkommen und die Beschäftigungssicherheit. Basierend auf diesen Bewertungen wurden die Ergebnisse in vier Kategorien von schlechter bis guter Arbeit eingeteilt. Der Bericht beruht auf einer Zufallsstichprobe von 6985 abhängig Beschäftigten, die in Deutschland tätig sind.