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Feinripp: Tradition trifft Zeitgeist, Schiesser auf Imagekurs

Schiesser will Feinripp modernisieren, Influencer einbinden und sich auf zeitgemäße Unterwäsche fokussieren, um jüngere Generationen anzusprechen.

Feinripp gilt als Chiffre für Qualität - aber auch als Sinnbild der Spießigkeit. (Archivbild)
Foto: picture alliance / dpa

Kaum ein Material ist so eng mit deutscher Alltagskultur verbunden wie Feinripp. 1923 führte der Wäschehersteller Schiesser die elastische, formstabile Struktur ein und prägte damit Generationen. Feinripp wird als Symbol für Zuverlässigkeit angesehen – aber auch als Ausdruck von Spießigkeit. Wie kann man also das Image entstauben, um bei der jungen Generation zu punkten?

Im Jubiläumsjahr des 150-jährigen Bestehens des Unternehmens plant Schiesser Feinripp, die Marke aus dem Wäscheschrank der Eltern in die Wohngemeinschaften und Studentenwohnungen zu bringen. 80 Prozent der aktuellen Schiesser-Kunden sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. Der Hersteller strebt an, die Präsenz bei jüngeren Zielgruppen signifikant zu steigern.

Seit 2012 gehört das Unternehmen dem israelischen Textilkonzern Delta Galil. Laut Geschäftsführung konnte Schiesser im Geschäftsjahr 2024 wachsen und einen Umsatz von über 200 Millionen Euro erwirtschaften.

Wäsche soll Lifestyle-Produkt werden

Die Traditionsmarke vom Bodensee will künftig verstärkt auf Influencer setzen. «2025 haben wir zwei große Creator-Events in Radolfzell umgesetzt, Content für alle Kanäle produziert und unsere Ikone, das gerippte Tanktop, als Style-Piece neu inszeniert», sagt Geschäftsführerin Sonja Balodis. Es gehe nicht darum, eine Person als Leitfigur zu finden. «Wir setzen bewusst auf eine wechselnde Auswahl an Charakteren.» 

Doch nicht nur die Werbung, sondern auch die Unterwäsche an sich soll zeitgemäßer werden. Übersetzt bedeutet das für die Produkte: «moderne Silhouetten, cleane Looks und limitierte Kollektionen», erklärt Balodis, die den Hersteller seit diesem März leitet. «Die Jubiläumskollektion zeigt genau das Prinzip: Tradition trifft Zeitgeist, ikonische Rippe in frischen Interpretationen.» 

Branche mit stabilem Wachstum

Trotz anhaltender Krisen und Kaufzurückhaltung zeigt sich der Wäschemarkt in Deutschland stabil. Laut einer Analyse des Handelsforschungsinstituts IFH Köln und der BBE Handelsberatung verzeichnete die Branche kürzlich ein leichtes Wachstum. Besonders gefragt sind Premium-Segmente und Loungewear – also Kleidung für Zuhause, während klassische Basics nach wie vor zuverlässig laufen.

Die Branche konnte im letzten Jahr laut Bericht mehr als 5,6 Milliarden Euro umsetzen. Das entspricht etwa einem Prozent mehr als im Vorjahr. Auch für 2025 prognostizieren Marktexperten ein moderates Wachstum von 1,1 Prozent. Herrenwäsche macht somit nur knapp die Hälfte der Umsätze aus, die mit Damenwäsche erzielt werden.

Innovationsdruck und Online-Konkurrenz 

Der Onlinehandel spiele eine immer wichtigere Rolle im Wäschemarkt, so Hansjürgen Heinick von der IFH Köln anlässlich der Veröffentlichung der Studie. «Dazu drängen asiatische Online-Marktplätze wie Temu und Shein auf den Markt, was den Wettbewerb noch weiter verschärfen dürfte.» Soziale Medien und ein steigendes Nachhaltigkeitsbewusstsein würden das Kaufverhalten prägen. Angesichts dieser Veränderungen müssten sich die Hersteller etwas einfallen lassen. «Wer jetzt nicht handelt, riskiert trotz Marktstabilität, im Wettbewerb zurückzufallen.» 

Internationale Marken wie Calvin Klein spielen etwa mit Lifestyle und Sex-Appeal, während Start-ups wie Organic Basics das Thema Nachhaltigkeit besetzen. Schiesser hingegen versucht, seinen Kern zu betonen: «Originals for Originals» lautet das Leitmotiv, das Authentizität und Beständigkeit hervorheben soll.

Was die jüngere Zielgruppe will 

«Jüngere Zielgruppen suchen klare Fits, Layering-Optionen und Styling-Inspiration und Schiesser ist eine Kultmarke», sagt Balodis. Ältere Käufer seien für Qualität, Komfort und Beständigkeit zu haben. Essentials mit perfektem Sitz und hochwertigem Material verkauften sich sehr gut. Das Tanktop mit Doppelgerippe erfahre gerade ein kleines Revival.

Schiesser habe zwar Feinripp nicht erfunden, doch auf dem breiten Markt eingeführt und damit sehr geprägt, so die Geschäftsführerin weiter. «Die Rippstricktechnik hat ihren Ursprung bereits im 19. Jahrhundert.» 

Gegründet wurde das Unternehmen 1875 in Radolfzell, wo es immer noch beheimatet ist. Bei einem Jubiläumsevent am Gründungstag (1. Oktober) will sich die Marke in Stuttgart feiern und dabei auch die «ikonische Rippe» noch mal in Szene setzen. 

Die elastische, formstabile Hoch-Tief-Struktur sei zum Synonym für klassische Unterwäsche geworden. «Die Relevanz steigt wieder, weil Qualität, Tragegefühl und Langlebigkeit heute bewusst gesucht werden.»

dpa