Zankapfel Mindestlohn: Es wird in diesen Tagen ernst im Ringen um die Lohnuntergrenze. Wie viel Einkommen soll den Beschäftigten in Deutschland künftig gesetzlich zugesichert sein?
Vor der Entscheidung: Kommen 15 Euro Mindestlohn?

Der Druck auf die Mindestlohnkommission in Deutschland nimmt zu, während die vertraulichen Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern in die Schlussphase gehen. Bis zum 30. Juni soll ein Ergebnis vorliegen.
Der Sozialverband Deutschland hat die Kommission aufgefordert, einen Mindestlohn von 15,12 Euro festzulegen, wie die Vorsitzende Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Was die SPD will
Die Kommissionsmitglieder stehen unter politischem Druck. Die SPD hatte im zurückliegenden Bundestagswahlkampf eine Orientierung der Lohnuntergrenze an EU-Vorgaben gefordert, nach denen der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens erreichen solle. «Dementsprechend muss der Mindestlohn spätestens ab 2026 bei 15 Euro liegen», heißt es im SPD-Wahlprogramm vom Januar.
Aktueller Stand in der Mindestlohnkommission
Vom 27. bis 29. Juni findet erneut ein SPD-Parteitag statt, bei dem führende Sozialdemokraten gespannt auf die Mindestlohnkommission schauen. Diese ist gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag politisch unabhängig. Laut informierten Kreisen liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber in der Kommission noch weit auseinander. Ein einvernehmliches Ergebnis von 15 Euro ist daher nicht in Sicht.
Position der Arbeitgeber
Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde. Deutschlands Arbeitgeber warnen vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander hatte bereits im April der «Bild»-Zeitung gesagt, ein Mindestlohn von 15 Euro «würde in der längsten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik schwere wirtschaftliche Schäden anrichten».
Position der Gewerkschaften
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen stellte schon im Jahr zuvor fest: Aus DGB-Sicht bedeute «ein angemessener Mindestlohn» auf Basis der EU-Vorgaben 15,27 Euro für 2026 je Stunde. Die Arbeitgeber dagegen mahnen, 15 Euro wären ein Anstieg in nur zehn Jahren von über 76 Prozent. Zander: «Damit können die Tariflöhne nicht Schritt halten.»
Entscheidet die Kommission oder die Politik?
Sozialverbandschefin Engelmeier fordert die Koalition auf, einzugreifen, falls die Kommission die EU-Vorgaben für 60 Prozent des mittleren Lohns nicht berücksichtige. «Andernfalls sollte die Politik überlegen, wie sie hier nachbessern kann.»
Die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld, äußert sich zum Stand der Verhandlungen aktuell nicht. In einer Mitteilung hatte sie erläutert, das Gremium orientiere sich «unter anderem nachlaufend an der Tarifentwicklung sowie am Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns» von Beschäftigten in Vollzeit. Bei «besonderen ökonomischen Umständen» könne es davon abweichen.
Trotz unterschiedlicher Meinungen über die zukünftige Höhe des Mindestlohns strebt die Mindestlohnkommission dennoch danach, zu einer einvernehmlichen Entscheidung zu gelangen, wie es in den Kreisen genannt wird. Es soll vermieden werden, dass ein Beschluss des Gremiums erneut nur durch die Stimme der unabhängigen Vorsitzenden zustande kommt.
Zuletzt gab es zwei Premieren
Trotz des Protests der Gewerkschaften hatte die Kommission im Juni 2023 erstmals keine Einigung erzielt. Schönefeld hatte bei der Entscheidung, den Mindestlohn in zwei Stufen auf 12,82 Euro zu erhöhen, mit den Arbeitgebern gestimmt und somit den Ausschlag gegeben. Zuvor hatte es bereits eine andere Premiere gegeben. Die Ampel-Koalition hatte bei der vorherigen Erhöhung auf 12 Euro im Jahr 2022 ausnahmsweise per Gesetz entschieden und damit ein Versprechen der damaligen Kanzlerpartei SPD eingelöst.
Koalition droht neuer Streit
Es ist also absehbar, dass es neuen politischen Zündstoff für die Koalition geben wird, wenn die Mindestlohnkommission ihr Ergebnis vorlegt. Es ist noch unklar, ob die letzte Sitzung vor dem an diesem Freitag beginnenden SPD-Parteitag stattfinden soll – oder erst nach dem Konvent am Montag (30. Juni).
Im Fall des Scheiterns des Gremiums dürfte es in der Union nicht viele Fürsprecher für eine deutliche Erhöhung per Gesetz geben. In ihrem Wahlprogramm hatten die Unionsparteien klargestellt: «Einen politischen Mindestlohn lehnen wir ab.»