IG Metall kündigt temporäre Produktionseinstellungen an. Erste Aktionen könnten bereits am Montag starten.
Flächendeckende Warnstreiks bei Volkswagen drohen
Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen drohen flächendeckende Warnstreiks. «In allen Werken wird in nächster Zeit die Produktion temporär auf Eis liegen», kündigte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in Wolfsburg an. Mit symbolischem Glockenschwingen markierte die IG Metall demonstrativ das Ende der Friedenspflicht und stellte damit die Weichen für Arbeitskämpfe. Medienberichten zufolge könnte es bereits an diesem Montag zu ersten Warnstreiks kommen.
Die Gewerkschaft ließ zweimal die Friedenspflicht demonstrativ abklingen: zuerst am Abend in Wolfsburg mit Glockläuten in Sichtweite der Konzernzentrale und wenig später noch einmal in Zwickau mit rotem Bengalfeuer. Die IG Metall sprach von ungefähr 300 Teilnehmern in Wolfsburg. Auch in Zwickau versammelten sich Hunderte vor dem Werkstor bei Punsch und Bratwurst, um ihre Streikbereitschaft zu demonstrieren.
«Der Worte sind genug gewechselt»
«Der Frust in der Belegschaft ist groß», ließ Betriebsratschefin Daniela Cavallo wissen. Mit der Möglichkeit für Warnstreiks gebe es nun ein Ventil, «um Dampf abzulassen». Sie rechne daher mit großem Zuspruch, wenn die ersten Aktionen anstehen. Gröger sprach von «Warnstreiks, die das Unternehmen nicht übersehen kann».
In Zwickau sagte der dortige Betriebsratschef Uwe Kunstmann: «Der Worte sind genug gewechselt, ab nächster Woche werden Taten folgen.» Der VW-Vorstand müsse endlich zur Vernunft kommen. «Ich gehe davon aus, dass die IG Metall nächste Woche an allen VW-Standorten zu Warnstreiks aufrufen wird.»
VW fordert zehn Prozent Lohnkürzung
Im Streit geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. VW hat bisher jede Erhöhung abgelehnt und verlangt stattdessen zehn Prozent Lohnkürzung. Auch Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen sind im Gespräch. Die Beschäftigungssicherung wurde aufgekündigt. Laut Betriebsrat sind mindestens drei Werke und Zehntausende Arbeitsplätze gefährdet.
Die Friedenspflicht, in der Streiks nicht erlaubt sind, endete um Mitternacht. Ab dem 1. Dezember sind somit auch Arbeitsniederlegungen möglich. Die IG Metall hat bereits angekündigt, ab Anfang Dezember zu Warnstreiks aufzurufen. Konkrete Termine nannte die Gewerkschaft bisher nicht.
Mit den Aktionen will die Gewerkschaft in dem Tarifstreit um Lohnkürzungen, Stellenabbau und mögliche Werksschließungen noch einmal den Druck erhöhen. «Wir wünschen uns diesen Konflikt nicht – aber wir führen ihn, solange der Vorstand nur auf Kürzungen und Entlassungen statt auf Perspektiven setzt», sagte Gröger. «Wenn nötig, wird das einer der härtesten Konflikte, den Volkswagen je gesehen hat.»
Zukunftsplan der IG Metall abgelehnt
Erst am Freitag hatte Volkswagen die Vorschläge von IG Metall und Betriebsrat zur Kostenentlastung zurückgewiesen. Damit gieße der Vorstand Öl ins Feuer, sagte Cavallo. Gröger sprach sogar von «offenen Benzinfässern», die der Vorstand ins Feuer werfe. «Das werden wir uns nicht gefallen lassen.»
IG Metall und Betriebsrat schlugen vor, die geplante Tariferhöhung vorerst nicht auszuzahlen und stattdessen in einen Zukunftsfonds zu investieren. Im Gegenzug sollte VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Volkswagen argumentierte jedoch, dass der Vorschlag keine langfristige Entlastung bringen würde.
Nächste Tarifrunde am 9. Dezember
Am 9. Dezember ist geplant, dass Arbeitnehmervertreter und der Konzern die Tarifverhandlungen wieder aufnehmen. Im November haben bereits über 7.000 Beschäftigte vor dem Verhandlungssaal gegen die Sparpläne protestiert, damals jedoch noch ohne Warnstreiks.
Am Mittwoch wird Konzernchef Oliver Blume auch auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg vor den Mitarbeitern sprechen. Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird dann als Gastredner erwartet.
Mehr als 50.000 bei Warnstreikwelle 2018
Zuletzt gab es bei VW Warnstreiks an einzelnen Standorten in der Haustarifrunde 2021. Flächendeckende Aktionen in allen sechs großen Werken in Westdeutschland fanden zuletzt 2018 statt. Laut IG Metall nahmen damals über 50.000 Mitarbeiter in Wolfsburg, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig und Salzgitter an dem Streik teil. Die sächsischen Werke in Zwickau, Chemnitz und Dresden haben erst 2021 eine stufenweise Angleichung an den Haustarif bis 2027 vereinbart.
Das VW-Werk in Osnabrück fällt nicht unter den Haustarif. Während der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie im Oktober und November kam es dort bereits zu Warnstreiks.