Baden-Württemberg und Niedersachsen drängen auf Gesetzesänderung zur Sicherung des Angebots für den Bahnverkehr.
Deutschlandticket in Gefahr durch Ampel-Aus
Das Ende der Ampel-Koalition gefährdet auch die Zukunft der Finanzierung des Deutschlandtickets. Um den Bahnverkehr zu unterstützen, drängen Baden-Württemberg und Niedersachsen trotz des Koalitionsbruchs auf eine Gesetzesänderung im Bundestag. Das Ticket ermöglicht die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland, unabhhängig von Bundesland, Verkehrsverbund oder Tarifgebiet. Es gilt für Busse und Bahnen, ausgenommen sind lediglich Fernverkehrszüge wie ICEs, ICs und TGVs.
Zwar habe das Aus für die Regierungskoalition und der nicht verabschiedete Haushalt für das kommende Jahr keine unmittelbaren Folgen für das Deutschlandticket, versicherte das nordrhein-westfälische Verkehrsministerium, das den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz hat. Der baden-württembergische Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) mahnte aber, nicht gebrauchte Mittel müssten dringend ins nächste Jahr übertragen werden – womöglich würde das Ticket sonst teurer. «Das Nachsehen hätten die Fahrgäste.»
Sozialverband warnt
Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) aus Niedersachsen sagte: «Ich warne davor, dass das D-Ticket dieser unsicheren Übergangszeit im Bund zum Opfer fällt.» In den nächsten Wochen stünden Entscheidungen an, die nicht aufgeschoben werden dürften – dafür sei gerade dies ein Beispiel.
Auch die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, mahnte: «Das Deutschlandticket darf nicht unter die Räder kommen.» Für viele Menschen habe es schon mit der letzten Preiserhöhung an Attraktivität verloren. «Umso dringender ist es, den Preis stabil zu halten und ein Sozialticket einzuführen, das wirklich allen Menschen bezahlbare Mobilität ermöglicht.» Die aktuelle Unsicherheit zeige, wie schnell gerade soziale Projekte ins Wanken geraten können. «Dem muss die Politik Einhalt gebieten.»
Muss der Preis sonst steigen?
Es handelt sich konkret um eine Anpassung des Regionalisierungsgesetzes, das vom Bundestag noch nicht verabschiedet wurde. Dieses Gesetz legt fest, ob und wie ungenutzte Mittel auch in den folgenden Jahren genutzt werden können.
Das Bundesverkehrsministerium stellte mit Blick darauf die große Einigkeit heraus, dass das Ticket «ein tolles Projekt» sei, das fortgeführt werden solle. «Vor diesem Hintergrund appellieren wir an alle handelnden Akteure, dass man sich bei offenen Finanzfragen einig wird», sagte ein Sprecher. Gültig sei weiter die generelle Vereinbarung, nach der Bund und Länder bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro im Jahr beisteuern.
Die Verkehrsministerkonferenz hat im September beschlossen, dass das derzeit 49 Euro teure Deutschlandticket ab 2025 58 Euro pro Monat kosten wird. Es ist noch unklar, für wie lange. In Baden-Württemberg nutzen Hunderttausende Menschen das Deutschlandticket für Nah- und Regionalverkehr. Laut Verkehrsministerium gab es im März letzten Jahres mehr als 1,5 Millionen Nutzer, aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Die tatsächliche Anzahl dürfte jedoch höher sein: Die Abonnenten, die das Ticket direkt bei der Deutschen Bahn erwerben, sind in den Daten des Verkehrsministeriums nicht enthalten.
Hermann: «Fahrgäste erwarten Verlässlichkeit»
«Nach monatelangem Hin und Her erwarten die Fahrgäste Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen», sagte Hermann der Deutschen Presse-Agentur. «Es wäre fatal, wenn zur Rettung des Tickets der Preis nochmals erhöht werden müsste, nur weil im allgemeinen Streit anhängige Gesetze nicht mehr umgesetzt würden.» Aus dem NRW-Ministerium hieß es dazu: «Im Zweifelsfall müsste eine neue Bundesregierung ein Gesetz mit gleicher Zielsetzung einbringen.» Das gelte auch für die Perspektive des Deutschlandtickets ab 2026. «Eine neue Bundesregierung müsste die hälftige Finanzierung per Gesetz langfristig sichern.»
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, lehnt eine Unterstützung rot-grüner Gesetzesinitiativen wie dem Deutschland-Ticket ab. «Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, da müssen wir den Schwerpunkt setzen bei Investitionen in die Infrastruktur», sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenmagazin Politico.
Zukunft offen
Verkehrsminister Hermann sieht im Verbleib des inzwischen parteilosen Volker Wissing als Bundesverkehrsminister eine Chance zur Umsetzung von Verkehrsthemen, die im Bund noch vor Neuwahlen unbedingt geregelt werden müssen. Er zollt Wissing Respekt für dessen Bereitschaft, trotz der Regierungskrise an den drängenden Problemen der Verkehrspolitik auch im Übergang für Lösungen zu kämpfen. «Es erfordert Mut, sich so eindeutig für die Sache zu entscheiden und gegen die eigene Partei. Das verdient Anerkennung», sagte Hermann.