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Deutsche Möbelbranche in der Krise, Kunden meiden Möbelhäuser und Umsätze sinken drastisch

Die gestiegenen Lebenshaltungskosten zwingen Haushalte, ihre Ausgaben umzustrukturieren. Möbelkäufe werden als weniger dringlich eingestuft.

Viele Möbelunternehmen klagen über Auftragsmangel.
Foto: Guido Kirchner/dpa

«Alles wird teurer, wir bleiben günstig» – damit wirbt ein bekannter Möbeldiscounter in diesen Tagen. Wie in anderen Branchen auch versuchen die Händler die Kunden mit Sonderangeboten in ihre Märkte zu locken. Mit mäßigem Erfolg. Viele Menschen in Deutschland machen einen großen Bogen um Möbelhäuser und geben ihr Geld lieber woanders aus. 

Im Jahr 2024 war erneut kein gutes Jahr für die Branche. Die Umsätze der deutschen Möbelhersteller sanken nominal, also nicht um Preisveränderungen bereinigt, um 7,4 Prozent auf 16,4 Milliarden Euro. Die Preise für Wohnmöbel stiegen zuletzt nicht weiter. Bei den Möbelhändlern lag das Minus voraussichtlich zwischen sechs und acht Prozent. Das gaben die Branchenverbände VDM und BVDM bekannt. Bereits im Vorjahr waren die Erlöse gesunken.

Warum? «Die gestiegenen Lebenshaltungskosten zwingen viele Haushalte dazu, ihre Ausgaben umzustrukturieren. Lebensmittel und Energie haben Vorrang, Möbelkäufe werden als weniger dringlich eingestuft», sagt Handelsexperte Sebastian Wilde von der Unternehmensberatung Falkensteg. 

Die Möbelbranche leidet auch an den Nachwirkungen von Corona. «Während der Pandemie gab es einen Boom. Viele Menschen haben sich ins Private zurück- und Möbel-Käufe vorgezogen», sagt Handelsexperte Marco Atzberger vom Forschungsinstitut EHI. 

Der Bedarf ist nun gedeckt. Wer ein Sofa, einen Schrank oder einen Esstisch kauft, wird sich zwei oder drei Jahre später nicht sofort wieder etwas Neues zulegen. Jetzt investieren die Kunden ihr Geld eher in Urlaub und Reisen, erklärt der Leiter des Handelsverbandes Möbel und Küchen, Jean Lucas Dürand.

Zehn-Jahres-Hoch bei Insolvenzen

Die Stimmung in der Branche ist negativ. Aufgrund der schwierigen Situation wurde die für Januar geplante IMM Cologne abgesagt, eine der weltweit wichtigsten Möbelmessen. Eine Konjunkturumfrage des Handelsverbandes Deutschland zu Beginn des Jahres zeigt: Nur 4 Prozent der Unternehmen aus dem Bereich Möbel, Einrichtung und Heimtextilien bewerten die Geschäftslage positiv, 44 Prozent befriedigend und jedes Dritte schlecht. Lediglich 22 Prozent erwarten in diesem Jahr einen höheren Umsatz als 2024.

Die Lage hat spürbare Auswirkungen auf die Mitarbeiter. Die Anzahl der Beschäftigten in der Möbelindustrie in Deutschland ist um 5,4 Prozent auf 71.231 gesunken. Die Anzahl der Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern ist um 3,8 Prozent auf 414 gesunken. Laut einer Verbandsumfrage haben 44 Prozent der Unternehmen im ersten Quartal 2025 Kurzarbeit beantragt.

Einige Unternehmen gerieten zuletzt in größere Schwierigkeiten. Die Kette Opti-Wohnwelt, das Möbelhaus Loddenkemper und der Produzent Schröder meldeten 2024 Insolvenz an. Der Möbelhersteller Hülsta schloss seinen Betrieb. Gemäß einer Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade stiegen die Insolvenzen in der Branche im vergangenen Jahr auf über 230 Fälle, was ein neues Zehn-Jahres-Hoch darstellt. Ein schnelles Ende ist laut dem Leiter der Insolvenzforschung, Maxime Lemerle, vorerst nicht in Sicht.

Wohnungsbau bleibt Problem

Der Branchenriese Ikea befindet sich noch in einer vergleichsweise guten Position. Trotzdem spürt das Unternehmen die schlechte Kauflaune. Im Geschäftsjahr 2023/2024 verzeichnete der Möbelhändler einen Umsatzrückgang von 5 Prozent. Auch die Besucherzahlen in den Filialen waren geringer. Ikea führte dies auch darauf zurück, dass in letzter Zeit viele Produkte im Preis gesenkt wurden.

Auch der rückläufige Wohnungsneubau macht den Unternehmen weiterhin zu schaffen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2024 lediglich 215.900 Wohnungen neu genehmigt. Die Zahl sank im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent und auf den niedrigsten Stand seit 2010. «Mit ihr ist das Zugpferd der Möbelbranche der vergangenen Jahre, die Küchen, außer Tritt geraten», sagt Möbelexperte Christoph Lamsfuß vom Handelsforschungsinstitut IFH Köln. Der Bezug eines Neubaus zieht durch Folgeumzüge den Kauf von Möbeln und Küchen nach sich. 

Experte sieht Chance für Möbelbranche

Im letzten Jahr waren es die Hersteller von Wohn-, Ess- und Schlafzimmermöbeln, die laut Verband besonders unter der Zurückhaltung der Konsumenten litten. Der Umsatz war um 11,2 Prozent niedriger als im Vorjahr. Etwas geringere Einbußen gab es im Bereich Küchenmöbel (-6,5), Matratzen (-5) und Büro- und Ladenmöbel (-4).

Mit Blick auf das laufende Jahr ist die Branche zumindest vorsichtig optimistisch. Der Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie (VDM), Jan Kurth, erwartet für 2025 «ein geringes Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich». Er hoffe unter anderem auf eine sich abschwächende Inflation und steigende Reallöhne.

Andreas Wagner, Geschäftsführer von Rotpunkt aus Bünde, äußert sich ebenfalls zuversichtlich. Seit November 2024 verzeichnet das Unternehmen einen deutlich steigenden Auftragseingang und ist daher mit Rückenwind ins neue Jahr gestartet.

Experte Lamsfuß sieht durchaus Chancen für die Branche. Die Nachfrage nach flexiblen Möbeln steige. «Wenn Wohnraum teuer ist und Wohnungen rar sind, wird weniger umgezogen und die vorhandenen Wohnungen müssen bestmöglich genutzt werden», sagt er. Benötigt würden deshalb platzsparende und vielseitig verwendbare Möbel oder modulare Systeme, die sich verkleinern oder erweitern ließen.

dpa