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Federweißer: Ein lebendiges Getränk mit Überraschungseffekt

Ein Chamäleon im Glas – süß, spritzig, trocken. Eine Tradition, die Geduld und Experimentierfreude belohnt.

Federweißer gilt als Vorbote eines neuen Weinjahrgangs. (Archivfoto)
Foto: Uwe Anspach/dpa/dpa-tmn

Wenn der Sommer noch einmal in die Gänge kommt und die ersten Weintrauben geerntet werden, beginnt für Winzerinnen und Winzer eine besondere Zeit – die Federweißer-Saison. Von Montag (18.8.) an machen sich viele Weinbauern in den 13 deutschen Weinanbaugebieten teilweise schon am frühen Morgen auf den Weg zur Lese. Nur wenige Wochen lang ist das milchig-trübe Getränk im Handel, genau das macht seinen Reiz aus. Wer es probieren möchte, sollte sich beeilen.

Federweißer wird als Vorläufer eines neuen Weinjahrgangs angesehen. Es handelt sich weder um einen fertigen Wein noch um Saft, sondern eher um ein Zwischenprodukt: Traubensaft, der gerade zu gären beginnt. Die Gärung beginnt unmittelbar nach dem Pressen – dabei wandelt Hefe den Zucker in Alkohol und Kohlensäure um.

Bevor der Prozess abgeschlossen ist, wird abgefüllt. Die Gärung setzt sich in der Flasche fort, daher wird er mit speziellen Verschlüssen verkauft. Diese verhindern gefährlichen Überdruck: Gas kann entweichen, Luft jedoch nicht eindringen.

Der Wein, der noch keiner ist

Auch deshalb ist Federweißer im wahrsten Sinne ein lebendiges Produkt. Die Hefe sorgt für eine milchige Trübung, die gesundheitlich als unbedenklich gilt. Im Gegenteil: Sie ist reich an Nährstoffen. Vor dem Einschenken darf man die Flasche ruhig schwenken, damit sich nichts am Boden sammelt. Der Name ist übrigens auf die Hefeteilchen zurückzuführen, die «wie Federchen tanzen».

Im Kühlschrank kann die Gärung verlangsamt werden. Wer den vollen Geschmack erleben möchte, muss geduldig sein. Das spritzige Getränk, das halbwegs zwischen Most und Wein liegt, erfordert Geduld und Experimentierfreude. Es ist bekannt, dass die Süße den Alkoholgehalt verschleiern kann, weshalb Federweißer schneller berauschend wirken kann als erwartet.

Flüchtiger Genuss

Kenner bezeichnen den Federweißer im Geschmack als Chamäleon: Zunächst süß wie Traubensaft mit einem Spritzer Kohlensäure, wird er im Verlauf der Gärung zunehmend trocken. Jeder Tag kann eine neue Nuance und jeder Schluck eine kleine Überraschung mit sich bringen.

Tradition hat der Trunk, der auch «Rauscher» genannt wird, vor allem in deutschen Weinregionen – von der Pfalz bis Rheinhessen, den beiden größten deutschen Weinanbaugebieten.

Kaum ein Herbstmarkt oder Weinfest kommt ohne ihn aus. Regionale Strukturen mit großen Kellereien und Abfüllbetrieben haben sich dafür etabliert. Für Winzerinnen und Winzer ist er auch ein Instrument der Kundenbindung. Nachbarländer – wie Frankreich oder Tschechien – haben ähnliche Getränke.

Welche Speisen dazu passen

Und was wird dazu gegessen? Ganz traditionell: Zwiebelkuchen. Oder Flammkuchen. Herzhaftes Essen passt ideal zur süß-säuerlichen Note. Auch ein würziger Käse ist dabei erlaubt. An vielen Orten, wie zum Beispiel in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, werden solche Speisen und Getränke an Buden angeboten.

Das Wesentliche: Federweißer schmeckt am besten in geselliger Runde, heißt es. Denn obwohl er jedes Jahr wiederkommt, bleibt er ein flüchtiger Gast. Einer, der prickelnd lockt und dann weiterzieht – bis zum nächsten Spätsommer.

dpa