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Wer sind Temu und Shein?

Der Black Friday lockt mit Rabatten. Einige Kunden lassen die Aktion mittlerweile aber links liegen – weil die Shoppingportale Temu und Shein dauerhaft billig sind. An ihnen gibt es aber auch Kritik.

Temu und Shein sind bei Kunden beliebt - und stechen bei manchen auch den Black Friday aus. (Symbolbild)
Foto: Oliver Berg/dpa

Angebote und Rabattaktionen rund um den Black Friday (29. November) erfreuen sich großer Beliebtheit bei Schnäppchenjägern. Laut einer Umfrage des Preisvergleichsportals Idealo verzichten mehr als 40 Prozent der deutschen Kunden mittlerweile auf die Aktion, da asiatische Anbieter wie Temu und Shein das ganze Jahr über mit attraktiven Angeboten locken. Dort kann man beispielsweise ein T-Shirt für vier Euro, einen Rucksack für etwas mehr und kabellose Kopfhörer für zehn Euro erwerben. Doch was zeichnet diese Anbieter aus? Und welche Kritik wird an ihnen geäußert? Diese und weitere wichtige Fragen werden im Folgenden beleuchtet:

Wer sind Temu und Shein?

Temu ist ein Online-Marktplatz – also ein Portal, auf dem zahlreiche Unternehmen Dinge verkaufen. Das chinesische Unternehmen ist seit Frühjahr 2023 in Deutschland aktiv und erregt seitdem immer wieder mit Minipreisen und hohen Rabatten Aufsehen. Mit Spielen versucht Temu die Kunden zu binden. Temu liefert die Plattform für den Verkaufsprozess. Produkte werden häufig direkt vom Hersteller zum Kunden geliefert.

Shein, ein in China gegründeter und heute in Singapur ansässiger Modekonzern, fungiert sowohl als Hersteller, Händler als auch als Marktplatz. Aufgrund seiner Direktvertriebsstruktur kann das Unternehmen schnell auf Modetrends reagieren. Da Shein weltweit versendet und kaum physische Geschäfte oder Lagerbestände hat, können die Preise extrem niedrig gehalten werden.

Was machen die Portale anders? Wie unterschieden sie sich?

Beide Unternehmen nutzen spielerische Elemente wie Glücksräder, Treueprogramme und Coupons. Durch diese sogenannte Gamification erreichen sie im Vergleich zum gesamten Nonfood-Markt in Deutschland überdurchschnittlich viele junge Käufer. Das Werben um die Aufmerksamkeit der Nutzer hat zudem den Vorteil, dass je mehr Zeit sie in der App verbringen, desto weniger Zeit und Geld bleibt für die Konkurrenz übrig.

Shein und Temu konkurrieren mit Amazon & Co. nicht nur um Käufer. Sie haben ihre Online-Marktplätze zuletzt auch für deutsche Händler geöffnet. Das Angebot unterscheidet sich jedoch. Bei Shein finden Kundinnen und Kunden fast ausschließlich Mode. Das Portal hat sich insbesondere als Anbieter von «Fast Fashion» einen Namen gemacht – also als Anbieter von Kleidungsstücken, die vor allem in China billig produziert und von Verbrauchern meist nach kurzer Zeit durch neue ersetzt werden. Shein ist stark auf Social-Media-Plattformen präsent und in der Lage, die Produktion rasch an aktuelle Trends anzupassen. Der Marktplatz Temu hat hingegen hat ein breiteres Sortiment. 

Wie beliebt sind Temu und Shein in Deutschland?

Die Online-Shopping-Portale wurden in letzter Zeit immer beliebter. Laut einer aktuellen Umfrage kannten neun von zehn Deutschen sie. Im ersten Halbjahr 2024 haben etwa 1,3 Millionen Menschen in Deutschland bei Temu bestellt, ungefähr 900.000 bei Shein. Dies ergab eine Untersuchung der Consumer Panel Services GfK, die zum Meinungsforschungsinstitut YouGov gehört. Gemessen an der Anzahl der Bestellungen belegte Temu im ersten Halbjahr 2024 den sechsten Platz unter den Top-Onlinehändlern. An der Spitze der Liste stehen Amazon, eBay und Otto, gefolgt von Zalando und Kaufland. Shein erreichte den 19. Platz.

Einer Studie des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zufolge versenden Temu und Shein zusammen täglich rund 400.000 Pakete in die Bundesrepublik. Auf jedes der Portale entfällt demnach rund die Hälfte. Shein-Chef Donald Tang nannte die Zahl in einem «Handelsblatt»-Interview «eine große Übertreibung».

Jedoch haben Kunden auch erhebliche Bedenken. Laut einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH) sehen 62 Prozent ein großes Risiko, dass die bei Temu und Shein bestellten Artikel von minderwertiger Qualität sind. Zwei Drittel können sich nicht vorstellen, bei dieser Art von Anbietern zu kaufen. 83 Prozent geben die mangelnde Qualität der Produkte als Grund an, 60 Prozent haben Angst vor Produktfälschungen. Bis zu 50 Prozent haben bei Temu und Shein das Gefühl, manipuliert zu werden. Nur jeder Vierte kauft ohne Bedenken dort ein. Der Erfolg von Temu und Shein sei stark preisgetrieben, sagte IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz.

Warum sind sie umstritten? Welche Kritik gibt es?

Handelsvertreter, Politiker und Verbraucherschützer kritisieren manipulative Kaufanreize, Produktqualität, mangelnde Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen. Es wird auch bemängelt, dass Anbieter von Ausnahmeregeln wie der 150-Euro-Zollfreigrenze profitieren. Die asiatischen Online-Plattformen setzen hauptsächlich auf Luftfracht. Bei Bestellungen aus Nicht-EU-Ländern müssen für Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro bei der Einfuhr keine Gebühren bezahlt werden. Der Vorwurf lautet, dass viele Sendungen falsch deklariert seien, um die 150-Euro-Grenze einzuhalten.

Die Verbraucherzentrale mahnte sowohl Shein als auch Temu im Frühjahr ab. Sie monierte unter anderem manipulative Designs und willkürlich erscheinende Rabatthöhen. Temu und Shein unterzeichneten unabhängig voneinander Unterlassungserklärungen und stellten Nachbesserungen in Aussicht. Die Zeitschrift «Öko-Test» hatte kürzlich Artikel von Shein untersucht. Laut einem im August veröffentlichten Bericht fielen viele Kleidungsstücke im Test durch, einige enthielten demnach giftige Chemikalien. 

Was sagen die Anbieter zu den Vorwürfen?

Die Unternehmen leugnen die Vorwürfe. Sie betonen, dass sie sich an die geltenden Regeln halten. Gemäß ihren Angaben verlangen sie von den Firmen, deren Waren über das Portal verkauft werden, die strikte Einhaltung von Sicherheitsstandards. Kinderarbeit wird nicht toleriert.

Shein gab zuletzt an, im Jahr 2023 zwei Fälle von Kinderarbeit in der eigenen Lieferkette entdeckt und aufgeklärt zu haben. In Bezug auf den Öko-Test-Artikel erklärte das Unternehmen, dass es die Ergebnisse ernst nehme. Eine Sprecherin sagte, dass strenge Kontrollen und Standards von Lieferanten gefordert würden, die sich an europäischen und globalen Vorschriften orientieren. Im vergangenen Jahr wurden 400.000 chemische Tests durchgeführt, um dies sicherzustellen.

Was für Pläne hat die Politik?

Die Bundesregierung machte zuletzt in Brüssel Druck, Plattformen wie Temu und Shein unter die Lupe zu nehmen. Die Europäische Kommission solle geltendes EU-Recht rigoros durchzusetzen. Unterstützung dafür gab es auch von anderen Mitgliedsstaaten. In einem Aktionsplan von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hieß es: «Anbieter wie Temu und Shein untergraben die Standards des EU-Binnenmarkts, während ihr Marktanteil zunimmt». Die deutschen und europäischen Sicherheitsstandards müssten erfüllt und durchgesetzt werden. Unternehmen in Europa dürften nicht dadurch benachteiligt werden, dass andere die geltenden Regeln umgehen. Der Plan sieht unter anderem eine engere Zusammenarbeit und mehr Befugnisse der nationalen und europäischen Marktüberwachungsbehörden vor. 

Welche Folgen drohen? 

Shein und Temu wurden von der EU-Kommission als «sehr große Online-Plattform» im Sinne des EU-Digitalgesetzes (Digital Services Act) eingestuft. Für diese gelten besonders strenge Vorgaben. Das Gesetz soll unter anderem sicherstellen, dass Plattformen illegale Inhalte auf ihren Seiten schneller entfernen als bislang. Nutzern wird es dazu erleichtert, solche Inhalte zu melden. Halten sich Unternehmen nicht an die DSA-Regeln, drohen hohe Geldstrafen.

Im Oktober kündigte die Kommission an, dass Temu wegen möglicher Verstöße gegen EU-Recht überprüft werden soll. In einem formalen Verfahren wird unter anderem untersucht, ob die Plattform ausreichend Maßnahmen gegen den Verkauf illegaler Produkte ergreift. Es wird festgestellt, dass bestimmte unseriöse Händler immer wieder auftauchen, nachdem sie gesperrt wurden. Auch das potenziell süchtig machende Design des Dienstes wird untersucht. Gegen Shein läuft derzeit kein ähnliches Verfahren.

Worauf müssen Verbraucher achten?

Die Verbraucherzentrale warnt Konsumenten davor, beim Online-Shopping vorsichtig zu sein. Es wird empfohlen, sich über Zollbestimmungen zu informieren, da zusätzliche Steuern und Zollgebühren anfallen können. Verbraucher sollten die Ware erst nach Erhalt bezahlen. Bei elektronischen Geräten sollte auf zugelassene Qualitätssiegel wie das CE-Zeichen geachtet werden. Es ist wichtig, sich vor dem Kauf gründlich zu informieren und auch die Rückgabebedingungen zu überprüfen.

dpa