China gilt als Vorreiter bei E-Autos. Einst dominiert von deutschen und anderen ausländischen Firmen, machten eigene Marken die Volksrepublik in wenigen Jahren zum E-Auto-Land. Wie macht China das?
Wie China seine E-Auto-Revolution vorantreibt
„Benzin war gestern: Bei Chinas wichtigster Automesse, die am Mittwoch in Shanghai beginnt, dreht sich alles um elektrische Innovationen. Wieder einmal, sollte man ergänzen. Denn China ist bereits seit Jahren Leitmarkt für E-Mobilität. Mehr als 100 neue Modelle, die meisten davon Stromer, werden in Shanghai erwartet.“
Der Verband der chinesischen Autoindustrie zeigt sich zuversichtlich: Im laufenden Jahr werde die Marke von 50 Prozent Elektro-Anteil an den Neuwagenverkäufen «problemlos» übertroffen. Verbrenner verlieren auf Chinas Straßen rasant an Boden. Warum ist das so?
Subventionen und Innovationen
Der Aufstieg der E-Mobilität ist politisch gewollt und staatlich gefördert. Strom sei in China zudem «sehr billig» während Öl teurer sei, sagt Experte Cui Dongshu von Chinas Autoindustrie-Verband. Über ein Jahrzehnt lang subventionierte Peking den Kauf von E-Autos. Zwar liefen direkte Kaufprämien aus, doch Steuererleichterungen bestehen weiter.
Bis zum Jahr 2025 wird die zehnprozentige Erwerbssteuer auf Elektrofahrzeuge abgeschafft. Viele Städte erleichtern die Zulassung durch bevorzugte Nummernschilder. Darüber hinaus verlangt eine staatliche Quote für neue Energiefahrzeuge (NEV) von den Herstellern, einen steigenden Anteil an Elektro- und Hybridmodellen herzustellen.
Der Erfolg ist deutlich spürbar: Im Jahr 2024 lag der NEV-Anteil am Neuwagenmarkt bei rund 47 Prozent, im Vergleich zu 31,6 Prozent im Vorjahr. Gleichzeitig wird stark in Ladestationen, Batterietausch-Netzwerke und Recycling von Akkus investiert.
Ein heftiger Preiskampf
Darüber hinaus ist der Wettbewerb gnadenlos. Vor allem der Markteintritt von Tesla im Jahr 2020 hat chinesische Autohersteller dazu gebracht, Innovationen voranzutreiben, Produkte auf den Markt zu bringen und die Kosten zu optimieren, sagt Analyst Paul Gong von der UBS-Bank. Ein Elektroauto kostet in China mittlerweile etwa die Hälfte im Vergleich zur westlichen Welt.
Der Preiskampf dauert bereits seit drei Jahren an. In letzter Zeit haben fast alle großen Hersteller erneut ihre Preise gesenkt oder mit Bonusprogrammen gelockt. Das Ergebnis sind schrumpfende Margen, Verluste und Überkapazitäten. Es häufen sich Insolvenzen.
Im Jahr 2024 mussten mehrere ehrgeizige Start-ups aufgeben. Im Dezember scheiterte das Joint Venture Jiyue von Tech-Konzern Baidu und Autobauer Geely kurz nach dem Marktstart. Vorher waren bereits Hersteller wie Human Horizons (HiPhi), Byton, Weltmeister und Bordrin gescheitert, was Kunden verunsicherte und Autos ohne Wartung oder Software-Updates zurückließ. Beobachter gehen von einer anhaltenden Marktbereinigung aus.
Chinas Marken auf der Überholspur
BYD aus Shenzhen zählt zu den klaren Gewinnern. Das Unternehmen trifft mit erschwinglichen E-Modellen den Geschmack der Massen. Im ersten Quartal 2025 verkaufte BYD knapp 700.000 Elektro- und Plug-in-Fahrzeuge in China. Der Marktanteil beträgt rund 29 Prozent, was mehr ist als die vier nächsten Anbieter zusammen. BYD hat nicht nur Tesla, sondern auch die traditionellen Marktführer bei Verbrennern überholt.
Auch Li Auto verzeichnet ein starkes Wachstum. Der Spezialist für SUV setzt auf sogenannte Reichweitenverlängerer-Hybride im Premiumsegment, bei denen der Elektromotor das Auto antreibt, während ein Verbrennermotor die Batterie lädt. Mit diesem Konzept konnte das Unternehmen bis 2024 seine Verkaufszahlen mehr als verdoppeln und schreibt mittlerweile schwarze Zahlen. Geely, zu dem Marken wie Zeekr und Lynk & Co gehören, zählt ebenfalls zu den aufstrebenden Unternehmen.
Inzwischen richten chinesische Marken ihren Blick verstärkt ins Ausland. In Deutschland haben sich beispielsweise BYD und Nio niedergelassen. Darüber hinaus drängen die Hersteller nach Südamerika und Südostasien. Allerdings haben die EU und sogar Russland, ein enger Partner Chinas, aus Angst vor einem Überangebot an günstigen chinesischen Autos die Handelshemmnisse verschärft. Experten zufolge dürfte das Wachstum von Pekings E-Auto-Exporten in diesem Jahr daher langsamer verlaufen.
Ständig neue Konkurrenz auf dem Markt
Aber auch große Tech-Konzerne mischen den Markt in China auf. Das für seine Smartphones bekannte Unternehmen Xiaomi brachte 2024 erfolgreich seine erste Elektro-Limousine SU7 auf den Markt. Xiaomi setzt auf «viel Technik fürs Geld». Auch Huawei ist aktiv und liefert sein Software-Know-How an mindestens sieben Autohersteller. In Geschäften von Huawei stehen die Fahrzeuge neben den Smartphones.
Ausländische Hersteller stehen dagegen unter Druck. Ihre Elektro-Modelle spielen oft nur eine Nebenrolle. Der kontinuierliche Niedergang der deutschen Marken in China sei auch auf ihre eigenen Unzulänglichkeiten zurückzuführen, sagt Automotive-Experte Zhong Shi. «Deutsche Autos können definitiv einen gewissen Marktanteil in China halten, aber es hängt davon ab, wer gewinnt – Volkswagen oder BMW und Mercedes», erklärt er. Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz gelten bei vielen Kunden mitunter als altbacken.
Die Hersteller konzentrieren sich jetzt auf die Anforderungen der chinesischen Kunden. Gefragt sind Vernetzung und digitale Cockpits – das Smartphone auf Rädern. Analyst Gong empfiehlt den ausländischen Konzernen, China nicht mehr nur als Produktionsstandort, sondern als globales Forschungs- und Entwicklungszentrum zu betrachten. Sie haben aus seiner Sicht Vorteile, wenn sie das Vertrauen in ihre Marken mit den neuesten in China entwickelten Technologien verknüpfen.
Nicht abreißende Innovationen
Nach dem E-Boom rückt das autonome Fahren stärker in den Fokus. Ende März ereignete sich ein tödlicher Unfall mit einem Xiaomi-Auto im Autopilotmodus. Drei Insassen starben, als das Auto auf einer Autobahn gegen einen Betonpfeiler prallte und Feuer fing. Der Vorfall löste in China eine Debatte über die Sicherheit selbstfahrender Systeme aus. Die Regierung mahnt die Hersteller mittlerweile, die Fähigkeiten ihrer Assistenzsysteme nicht überzubewerben. Branchenprognosen gehen davon aus, dass 2026 mehr als 60 Prozent aller in China verkauften Neuwagen elektrifiziert sein werden.