Die Beliebtheit von Temu, Shein & Co. nimmt zu, während lokale Händler Umsätze einbüßen. Die Branche erwartet ein schwaches Weihnachtsgeschäft und kämpft mit steigenden Insolvenzen.
Asiatische Online-Portale bedrohen deutschen Einzelhandel im Weihnachtsgeschäft

263 Euro – das ist der durchschnittliche Betrag, den die Deutschen für Weihnachtsgeschenke ausgeben möchten. Dies ergibt sich aus einer YouGov-Umfrage. Man könnte denken, dass dies gute Aussichten für den Handel bedeutet. Allerdings kommt das Weihnachtsgeschäft bisher nicht richtig in Schwung. Die Branche kämpft nicht nur mit der Zurückhaltung der Käufer, sondern auch damit, dass viele ihr Geld anderswo ausgeben. Vor allem asiatische Portale entziehen den Einzelhändlern Umsätze, wie mehrere Untersuchungen zeigen.
Jeder Fünfte kauft Weihnachtsgeschenke bei Temu, Shein & Co.
Etwa 12 Prozent der Deutschen haben laut YouGov bereits Weihnachtsgeschenke bei Temu, Shein oder AliExpress gekauft. Fast 9 Prozent planen dies noch zu tun. Mode, Weihnachtsdeko, Spielzeug und Haushaltswaren sind besonders beliebt. Die Hälfte der Käufer gibt bis zu 100 Euro auf den Portalen aus, ein weiteres Viertel zwischen 100 und 199 Euro, 14 Prozent geben mehr aus.
Umsätze von bis zu einer Milliarde Euro
Der Handelsverband Deutschland (HDE) schätzt, dass Temu und Shein im November und Dezember hierzulande einen Umsatz von bis zu einer Milliarde Euro erzielen. «Diese Verkäufe entgehen den Händlerinnen und Händlern in Deutschland», sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Jeder verlorene Euro hinterlasse Spuren, da das Weihnachtsgeschäft über den Erfolg des Geschäftsjahres entscheide.
Der Verband erwartet insgesamt einen Umsatz von 126 Milliarden Euro in den beiden Monaten – inflationsbereinigt entspricht dies etwa dem Vorjahr. Die Wochen vor Heiligabend sind für die Branche entscheidend, aber viele Unternehmen prognostizieren ein schwaches Geschäft. Gemäß einer Umfrage des HDE rechnet nur jeder Zehnte damit, dass das Weihnachtsgeschäft besser verläuft als im Vorjahr. Jeder Zweite erwartet eine Verschlechterung.
Modebranche besonders betroffen
«Temu und Shein belasten vor allem die Modehändler, die im vergleichbaren Preissegment tätig sind, also vor allem preisorientierte Formate, aber durchaus auch mittelpreisige Modehäuser», sagt Axel Augustin, Geschäftsführer des Branchenverbandes BTE. Der Verband schätzt, dass der Branche wegen der asiatischen Shops in diesem Jahr über drei Milliarden Euro Umsatz entgehen. Im Weihnachtsgeschäft sei das besonders schmerzhaft, so Augustin. Die Modebranche kämpft bereits seit längerem mit einer schwachen Nachfrage.
Rabattaktionen verlieren an Reiz
Die Anziehungskraft von Temu, Shein & Co. zeigt sich auch rund um den Black Friday. Laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts IFH Köln verlieren viele Kunden das Interesse an den Rabatttagen Ende November. Dies geben 33 Prozent in einer Umfrage an, bei den Jüngeren sogar 50 Prozent. Einige Verbraucher verzichten bewusst auf die Aktionstage, da asiatische Geschäfte das ganze Jahr über niedrige Preise bieten. 23 Prozent der Befragten stimmen dem zu, bei den Jüngeren sogar noch mehr.
Preisbewusstsein versus Bedenken
Wie lässt sich der Erfolg der Online-Plattformen in Asien erklären? Die Weihnachtszeit wird erneut von Sparmaßnahmen geprägt. Gemäß einer Umfrage von Oliver Wyman planen 39 Prozent der Verbraucher, weniger für ihre Weihnachtseinkäufe auszugeben.
Ralf Deckers vom IFH Köln sagt, dass Temu und Shein vor allem mit günstigen Preisen punkten. Außerdem bieten die Portale Produkte an, die in Deutschland kaum zu finden sind. Laut einer YouGov-Umfrage kaufen Verbraucher dort, weil sie eine große Auswahl finden (71 Prozent), regelmäßig angebotene Rabatte nutzen (54 Prozent) und Freude am Stöbern haben (44 Prozent).
Die Bedenken werden in den Gründen deutlich, die von Personen genannt werden, die nicht dort bestellen. 45 Prozent haben Zweifel an der Qualität, 41 Prozent machen sich Sorgen um ihre Gesundheit. 32 Prozent kritisieren fehlende Sicherheitsstandards, 27 Prozent erwähnen ethische Bedenken wie Arbeitsbedingungen oder Umwelt. 23 Prozent möchten lokale Händler unterstützen, 19 Prozent befürchten das Risiko von Plagiaten und Fälschungen.
Rainer Münch, Handelsexperte bei Oliver Wyman, sagt: «Trotz aller Kritik haben sich Temu und Shein bei den Verbrauchern in Deutschland fest als Einkaufsstätte etabliert.» Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei für viele unschlagbar.
Asiatische Portale wachsen immer weiter
Die großen asiatischen Anbieter Temu, Shein und AliExpress haben ihr Geschäft laut Zahlen des E-Commerce-Verbandes Bevh stark erweitert. Im Jahr 2025 erwirtschafteten die drei Unternehmen in Deutschland pro Quartal zusammen mehr als 800 Millionen Euro Umsatz – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren. Ihr Marktanteil am deutschen Onlinehandel beträgt mittlerweile etwa fünf Prozent.
Der HDE gibt an, dass täglich rund 400.000 Pakete von Shein und Temu nach Deutschland versandt werden. Der Verband kritisiert die schlechte Produktqualität und unfairer Wettbewerbsbedingungen. Er fordert strengere Regulierungen, schärfere Kontrollen und mehr Personal für den Zoll.
Zahl der Insolvenzen im Einzelhandel steigt
Der deutsche Einzelhandel steckt in der Krise, die Lage spitzte sich zuletzt zu. Von August 2024 bis August 2025 registrierte Allianz Trade 2.490 Insolvenzen – der höchste Wert seit Oktober 2016. «Der kometenhafte Aufstieg» der asiatischen Portale erhöhe den Wettbewerbsdruck auf hiesige Einzelhändler enorm und habe zum Anstieg der Insolvenzen beigetragen, sagt Branchenexperte Guillaume Dejean.








