Der Singapurer Anwalt Pav Gill sagte kurzfristig ab, aus Sorge um seine Sicherheit im unterirdischen Gerichtssaal.
Whistleblower im Wirecard-Prozess fehlt als Zeuge
Im Münchner Wirecard-Prozess wird der Whistleblower als Zeuge fehlen, dessen Informationen maßgeblich zum Zusammenbruch des Dax-Konzerns im Sommer 2020 beitrugen. Der Singapurer Rechtsanwalt hat sehr kurzfristig seine für diesen Mittwoch geplante Teilnahme abgesagt, wie das Landgericht München I mitteilte.
Jurist entdeckte Manipulationen – Wirecard-Management reagierte nicht
Den Namen des Zeugen nannte das Gericht nicht. Doch es handelt sich um den Anwalt Pav Gill, der ehedem in dem südostasiatischen Inselstaat für die Wirecard-Rechtsabteilung tätig war. Der Jurist kam dort mutmaßlichen Scheingeschäften auf die Spur und meldete seinen Verdacht an die Konzernzentrale im Münchner Vorort Aschheim. Da das Wirecard-Management nach Gills Eindruck nichts unternahm, wandte er sich an Journalisten, Staatsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Die britische «Financial Times» veröffentlichte im Februar 2019 einen ersten Artikel, der auf Gills Informationen basierte, gefolgt von zahlreichen weiteren Enthüllungen.
Angst um die Sicherheit?
Nach Informationen aus dem Umfeld des Gerichts war ein Grund für die Absage, dass der Zeuge besorgt um seine Sicherheit bei der Verhandlung gewesen sei – allerdings handelt es sich bei dem unterirdischen Gerichtssaal um einen erst vor wenigen Jahren eröffneten unterirdischen Hochsicherheitsbau innerhalb der Mauern der JVA Stadelheim, dem größten bayerischen Gefängnis. Der Saal ist von keiner Seite aus für Außenstehende frei zugänglich.
Ex-Vorstandschef Braun wäre erstmals auf den Whistleblower getroffen
Damit wird der seit über vier Jahren in Untersuchungshaft sitzende frühere Wirecard-Chef Markus Braun im Gerichtssaal nicht auf den Mann treffen, der den für den Untergang des Unternehmens entscheidenden Stein ins Rollen brachte. Die «Financial Times» hatte schon Jahre zuvor über mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei dem deutschen Zahlungsdienstleister berichtet. Doch Gill war der erste Informant, der konkrete Informationen über die mutmaßlichen Scheingeschäfte und Bilanzmanipulationen an die Londoner Zeitung weitergab.
Justiz kann Auslandszeugen nicht zum Erscheinen zwingen
Da der Zeuge außerhalb Deutschlands lebt, hat die deutsche Justiz keine Möglichkeit, ihn zur Anreise zu zwingen. Ein Sprecher des Münchner Landgerichts bezeichnete die kurzfristige Absage als unverständlich.