Die Deutsche Bahn hat den weiteren Verfall des maroden Schienennetzes vorerst stoppen können. Doch die Infrastruktur bleibt in beklagenswertem Zustand. Das merken auch Fahrgäste.
Wende für das Schienennetz? Erstmals nicht verschlechtert
Mit Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur ist es der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr zumindest teilweise gelungen, den weiteren Verfall des maroden Schienennetzes zu bremsen. Das gilt insbesondere für die Bahnhöfe, für Weichen und Gleise, wie aus dem «Netzzustandsbericht» für 2024 hervorgeht, den der bundeseigene Konzern vorgestellt hat.
Der Gesamtzustand des Bahnnetzes wird mit einer Schulnote von 3,0 bewertet. Zum ersten Mal seit der Einführung des Notensystems im Jahr 2021 hat sich der Zustand nicht weiter verschlechtert. Dies wird auf hohe Investitionen zurückgeführt, die noch von der alten Bundesregierung initiiert wurden.
Investitionen von fast 20 Milliarden Euro im Jahr 2024
Fast 20 Milliarden Euro seien im vergangenen Jahr verbaut worden, teilte der Chef der Infrastrukturgesellschaft DB InfraGo, Philipp Nagl, mit. «Jetzt kommt es darauf an, diese Mittel langfristig zu verstetigen – dann kann eine echte Trendwende gelingen», sagte er. «Denn trotz des jetzigen Erfolgs sind viele unserer Anlagen und Bahnhöfe unverändert in keinem guten Zustand.»
Dem Bericht zufolge galten im vergangenen Jahr Bahn-Anlagen im Wert von fast 110 Milliarden Euro als «schlecht», «mangelhaft» oder «einschränkend» und müssten damit dringend ausgetauscht werden. Das entspricht fast 17 Prozent des Gesamtwerts aller für den Bericht untersuchten Anlagen.
Keine Verbesserung für Fahrgäste
Die Fahrgäste erleben täglich den anhaltend schlechten Zustand der Infrastruktur. Im März waren etwa ein Drittel der Fernzüge aufgrund der vielen Baustellen im Netz verspätet – ohne Berücksichtigung von Zugausfällen. Bis 2027 soll die Pünktlichkeitsquote auf 75 bis 80 Prozent steigen. Die aktuellen Werte liegen weit darunter.
Um dies zu ändern, plant die Bahn, bis in die 30er Jahre mehr als 40 stark frequentierte Schienenkorridore umfassend zu sanieren und auf den neuesten Stand zu bringen. Im letzten Jahr wurde nach diesem Verfahren die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim saniert. Weichen, Oberleitungen, Stellwerkstechnik, Bahnhöfe – alles wurde während der knapp halbjährigen Sperrung der Bahnstrecke erneuert.
Riedbahn-Sanierung erfolgreich
Das wird nun im Bericht deutlich. Der Zustand der Fahrwege auf der Riedbahn hat sich von der Note 3,7 im Jahr 2023 auf 2,19 im letzten Jahr verbessert. Mehr als die Hälfte der Anlagen auf der Strecke gelten mittlerweile als neuwertig oder gut. Im Vorjahr galt dies nur für knapp ein Drittel. In diesem Jahr ist die Fernverbindung zwischen Hamburg und Berlin an der Reihe, die sogar für etwa neun Monate für Bauarbeiten gesperrt wird.
Ein anderer Schwerpunkt der Sanierungen liegt auf Personenbahnhöfen. Vor allem die Empfangsgebäude befinden sich in einem schlechten Zustand und erhalten im Bericht nur die Note 3,58. Auch bei den Personenaufzügen sieht es ähnlich schlecht aus. Insgesamt hat sich der Wert im vergangenen Jahr jedoch aufgrund der Investitionen leicht um 0,06 Punkte auf eine Note von 3,03 verbessert.
Deutlich verschlechtert hat sich der Zustand der Leit- und Sicherungstechnik. Dazu gehören die Stellwerke, von denen sich deutlich mehr als die Hälfte in mindestens «schlechtem» Zustand befindet. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr sogar noch einmal gestiegen. Viele der Anlagen sind mehr als 100 Jahre alt und müssen von Hand bedient werden. Die digitale Stellwerktechnik gilt als wichtiger Faktor für die mittelfristige Verbesserung der Pünktlichkeit.
Bundesregierung will Investitionen weiter steigern
Die von der Bahn vergebenen Noten für das eigene Netz sind für die Bundesregierung nicht entscheidend. Das Notensystem soll hauptsächlich dazu dienen, die Verständlichkeit für Verbraucher zu verbessern. Branche und Politik stützen sich auf den Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht des Eisenbahnbundesamtes, der jährlich Anfang Mai veröffentlicht wird.
Die potenzielle neue Regierung hat bereits signalisiert, dass sie plant, die Investitionen in das Schienennetz zu erhöhen. Im Koalitionsvertrag ist die Schaffung eines lang diskutierten Infrastrukturfonds für die Eisenbahn festgehalten. Dieser Fonds könnte unter anderem aus Mitteln des Infrastruktur-Sondervermögens finanziert werden, das auf etwa 500 Milliarden Euro geschätzt wird.
Die Bahn hat bereits angekündigt, bis 2034 einen Bedarf von bis zu 150 Milliarden Euro zu haben, um neben den Bestandssanierungen auch die Digitalisierung sowie den Neu- und Ausbau des Netzes vorantreiben zu können. Darüber hinaus rechnet sie mit Mitteln aus dem Haushalt in Höhe von rund 140 Milliarden Euro.
Fahrgäste können daher darauf hoffen, dass sich die Situation in den kommenden Jahren verbessert. Die vorherige Bundesregierung hatte klare Ziele für ihre Investitionen festgelegt. Bis 2030 sollte sich die Anzahl der Reisenden im Vergleich zu 2015 verdoppeln und der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene auf 25 Prozent steigen. Im neuen Koalitionsvertrag ist davon jedoch nichts mehr zu finden.