Dürre und Wasserknappheit vertreiben Menschen im Irak und anderen Ländern, während die Region mit den schlimmsten Auswirkungen kämpft.
Extremer Wassermangel im Nahen und Mittleren Osten
Für Abu Mohammed und seine Familie reichte es irgendwann einfach nicht mehr. Am Stadtrand von Bagdad wurde das Wasser knapp, und die Obsthaine, in denen er mit seinen Söhnen sonst Datteln, Äpfel, Aprikosen und Zitrusfrüchte erntete, trockneten aus. «Wir können diesen Beruf nicht mehr ausüben», sagt der 62-Jährige. Die Familie packte ihre Sachen – und zog weg.
Etwa 150.000 Menschen im Irak sind aufgrund von Dürre und Wasserknappheit vertrieben worden, hauptsächlich im Zentrum und Süden, und die Zahl dürfte steigen. Die Auswirkungen von extremer Hitze, Dürre und Wassermangel nehmen im Irak sowie im gesamten Nahen und Mittleren Osten immer bedrohlichere Ausmaße an. Keine andere Region der Welt kämpft heute so stark mit Wasserknappheit wie diese.
Für viele Bewohner von Dörfern sowie Großstädtern ist ein Alltag mit sehr wenig oder zeitweise ganz ohne Wasser bereits Realität – von Tunesien bis zum Iran, von der Türkei bis zur Arabischen Halbinsel. Das World Resources Institute, eine Umwelt-Denkfabrik in den USA, hat diese Länder auf einer Karte dunkelrot markiert. Laut dem Institut liegen 13 der 15 Länder mit dem geringsten Wasserangebot im Nahen Osten und in Mittelost. Ein Überblick über die Länder:
Irak – Die Wiege der Zivilisation trocknet aus
«Die Äcker waren alles für mich, meine Unterhaltsquelle», sagt Mahdi al-Badri, fünffacher Vater aus der Provinz Babil im Zentrum des Irak. «Ich vermisse sie jeden Tag.» Weil Flüsse austrocknen und es an Wasser fehlt, um die Felder zu bewässern, muss er den Beruf seines Vaters und Großvaters aufgeben. Die Söhne haben soweit möglich neue Jobs gefunden – auf dem Bau, als Maler, bei der Regierung.
Im Irak trocknen im Zuge des Klimawandels Flüsse aus und das Grundwasser versiegt. Zudem haben Staudämme der Nachbarn Syrien, Türkei und Iran die Wassermengen der Flüsse Euphrat und Tigris deutlich verringert. Die einst sumpfigen, fruchtbaren Gebiete in diesem Zweistromland («Mesopotamien») gelten als Wiege der Zivilisation. Heute weht dort Wüstensand über vertrocknete Erden. Der Süden, wo es im Streit um Wasser schon zu heftigen Protesten kam, könnte bald ganz unbewohnbar werden.
Bahrain – Kein Leben ohne Entsalzungsanlagen
In dem Inselstaat weiter südlich sinken die Temperaturen in diesen Wochen selbst nachts kaum unter 34 Grad Celsius. Wasser ist hier laut World Resources Institute so knapp wie in keinem anderen Land. Das moderne Leben in Bahrain ist heute wohl nur möglich, weil enorme Summen und Energie in die Entsalzung von Meerwasser investiert werden. Einige der Golfstaaten decken so fast 90 Prozent ihres Trinkwasserbedarfs.
Die Folgen machen sich an den Golfküsten längst bemerkbar, weil die Anlagen in großen Mengen Salzlake ins Meer pumpen. «Die Farbe des Wassers hat sich verändert und der Geruch ist unerträglich geworden. Es wurde gelb», sagt ein Fischer der Nachrichtenseite Muwatin. «Die Fische, auf die wir für unseren Broterwerb angewiesen waren, sind aus diesen Gewässern geflohen.» Der Salzgehalt im Persischen Golf könnte unumkehrbar steigen. Trotzdem erlebt die Technologie, für die Saudi-Arabien täglich rund 300.000 Barrel Öl verbraucht, einen regelrechten Boom. Ein Barrel entspricht etwa 159 Litern.
Iran – Schon diesen Oktober könnte das Wasser ausgehen
Der Iran zählt zu den trockensten Ländern der Welt: Niederschläge gehen zurück, Dürren und andere extreme Wetterereignisse nehmen zu. Die Wasserkrise trifft in diesem Sommer auch die Hauptstadt Teheran mit ihren mehr als 15 Millionen Einwohnern besonders hart. Schon im Oktober könnte das Wasser ausgehen. In vielen Teilen Teherans und weiteren Städten wird die Wasserversorgung täglich stundenlang unterbrochen, worunter vor allem ärmere Viertel leiden.
Experten warnen seit Jahren davor, dass die Landwirtschaft im Iran unter falschen Anreizen leidet: Anstatt sich an die wasserarmen Gegebenheiten anzupassen, wurden besonders durstige Anbauprodukte wie Weizen oder Reis subventioniert, teilweise auch in ungeeigneten Regionen. Traditionelle Anbauweisen wurden verdrängt – mit langfristig fatalen Folgen für Böden und Reserven. Tausende Familien haben ländliche Regionen verlassen. Viele ziehen in die Hauptstadt – und treffen dort auf ein ohnehin überlastetes System.
Ägypten – Salzkrusten am Boden, braunes Gemüse
Im antiken Ägypten galt der Nil als Lebensader, doch selbst dieser imposante Fluss kann heute den Wassermangel des Landes nicht beheben. In diesem Jahr wird die Marke der absoluten Wasserknappheit erreicht. Das bedeutet, dass jeder Einwohner pro Jahr weniger als 500 Kubikmeter Wasser zur Verfügung hat. Die Bevölkerung Ägyptens wächst stetig, aktuell zählt das Land 108 Millionen Einwohner, und alle neun Monate kommt eine weitere Million dazu.
„Während das Wasser knapper wird, steigt der Pegel des Mittelmeers“, erklärte der Experte. „So gelangt Salzwasser durch Bewässerungskanäle, Flussarme und Grundwasserspeicher ins Landesinnere. An Ackerböden bilden sich salzige Krusten – ein Problem, von dem bis zu 40 Prozent der Böden betroffen sind. Gemüse färbt sich gelb und braun, Weizen wächst langsamer oder stirbt ab. Den Anbau von Reis, der besonders viel Wasser erfordert, hat die Regierung in den meisten Teilen des Landes bereits vor Jahren verboten.“
Türkei – Ägäis stundenweise ohne Wasser
Die Sonnenblumenbauern in der Türkei sind ein Beispiel dafür, wie Extreme die Landwirtschaft beeinflussen. In Videos in sozialen Medien beschweren sie sich verzweifelt über ihre gestressten Blumen unter sengender Hitze. Laut Ekrem Saylan, Leiter der örtlichen Landwirtschaftskammer, hat es in Thrakien seit fast vier Monaten zu wenig geregnet, wo etwa 40 Prozent des Sonnenblumenöls entstehen. Die Ernten dürften im Vergleich zum Vorjahr um 50 bis 60 Prozent zurückgehen, bei geringerem Ölgehalt und geringerer Qualität. Die Bauern versuchen, sich anzupassen.
Auch in der Ägäis, die bei Touristen beliebt ist, gibt es starke Trockenheit. Aufgrund des sinkenden Wasserstands in den Staudämmen wird das Trinkwasser in der Millionenstadt Izmir oder im Urlaubsort Bodrum derzeit stundenweise abgestellt. Im Juli und August müssen in den Touristenregionen noch mehr Menschen mit Trinkwasser versorgt werden. Obwohl dazu aufgerufen wird, Wasser zu sparen, gibt es nur wenige konkrete Maßnahmen. Laut Wetterdienst war der Juli in der Türkei der heißeste seit 55 Jahren. Im ganzen Land hat es in diesem Monat zudem 39 Prozent weniger geregnet als üblich.