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Berggorillas: Muskeln entscheiden nicht über sozialen Rang

Eine Studie untersucht das Geschlechterverhältnis bei Berggorillas. Die Erkenntnisse geben demnach auch Aufschluss über die Ursachen der ungleich verteilten Macht bei uns Menschen.

Auch Gorilla-Weibchen können – trotz des extremen Größen- und Kraftunterschieds – Konflikte für sich entscheiden.
Foto: Martha Robbins/EurekAlert/dpa

Anführer, Beschützer, Silberrücken – Männliche Berggorillas gelten aufgrund ihrer Größe und Muskelmasse als Synonym für Dominanz, Kraft und Macht. Aber so eindeutig ist die Überlegenheit der Männchen in ihren Gruppen nicht, wie ein Forschungsduo im Fachmagazin «Current Biology» berichtet.

Für ihre Studie nutzten Nikolaos Smit und Martha Robbins vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Daten aus über 25 Jahren Forschung an vier wilden Berggorilla-Gruppen (Gorilla beringei beringei) in Uganda. Obwohl das Alpha-Männchen in den Gruppen unbestritten ist, sind die Beziehungen zwischen den Weibchen und anderen Männchen komplexer als bisher angenommen. Es wurde festgestellt, dass Gorilla-Weibchen – trotz des großen Größen- und Kraftunterschieds – in der Lage sind, Konflikte zu gewinnen und in der Rangordnung über den männlichen Gorillas zu stehen.

Oft handelt es sich dabei um jüngere oder ältere Männchen, die zwar körperlich überlegen sind, aber in der Gruppenhierarchie unter den Damen stehen. «Obwohl der ranghöchste Gorilla in jeder der vier Untersuchungsgruppen ein Männchen war, rangierten trotzdem 88 Prozent der Weibchen in der Rangordnung vor mindestens einem anderen erwachsenen Männchen», heißt es.

Der hohe Platz in der Rangordnung bringt den Damen Vorteile

Das funktioniere nicht über Kraft, sondern vor allem über soziale Strukturen, vermutet das Team: «Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Alpha-Männchen die Weibchen dabei unterstützen, andere Männchen zu dominieren. Zudem könnten Nicht-Alpha-Männchen in Konkurrenzsituationen bereit sein, sich einem Weibchen zu beugen, um in der Gruppe zu verbleiben.»

Der hohe Rang in der Hierarchie bringt den Frauen einige Vorteile: besseren Zugang zu Ressourcen wie Nahrung, freie Partnerwahl und Mitspracherecht bei Gruppenentscheidungen.

Insgesamt haben die Forscher 32 Weibchen und 24 Männchen beobachtet, wobei sie typische Konfliktsituationen untersucht haben. Etwa ein Viertel der Fälle endete damit, dass sich die Weibchen gegenüber den teilweise doppelt so schweren Männchen durchsetzen konnten. Aber wie?

Alpha-Gorillas im besten Alter stehen im Mittelpunkt ihrer Gruppen

In der Tat gewannen die Weibchen meistens in Situationen, in denen das Männchen nicht in seinen besten Jahren war, also entweder älter als 30 Jahre oder jünger als 20. Konkurrenz unter männlichen Gorillas spielte eher eine untergeordnete Rolle, ebenso wie die Paarungsreife der Weibchen. Es kommt bei den Berggorillas also auf wesentlich mehr an als auf körperliche Überlegenheit.

«Alpha-Gorillas im besten Alter stehen im Mittelpunkt ihrer Gruppen, sie zeugen etwa 85 Prozent der Nachkommen und sie gewinnen fast alle Interaktionen mit Weibchen», schreibt das Team. Sie sind also quasi unangreifbar. «Im Gegensatz dazu können Nicht-Alpha-Männchen, die nur begrenzte Kontrolle über die Fortpflanzung haben, sich den Weibchen unterordnen, um möglicherweise eine zukünftige Verbindung mit ihnen auszuhandeln und/oder ihre Vertreibung aus der Gruppe zu vermeiden.»

Erkenntnisse zu Menschen

Bei verschiedenen Arten von Menschenaffen gibt es unterschiedliche Geschlechterverhältnisse: Bei Gewöhnlichen Schimpansen (Pan troglodytes) dominieren die Männchen, während bei Bonobos (Pan paniscus) – auch bekannt als Zwergschimpansen – die Weibchen die Führung übernehmen.

Die Erkenntnisse über Gorillas mit ihrem extremen Größenunterschied zwischen den Geschlechtern lassen Rückschlüsse auf die Entwicklung der Rollenstrukturen bei Menschen zu. Der im Vergleich dazu moderate Größenunterschied zwischen Männern und Frauen allein sei nicht ausreichend, um die weit verbreiteten geschlechtsspezifischen Machtasymmetrien in menschlichen Gesellschaften zu erklären, wird betont. Wenn solche Strukturen nicht einmal bei unseren nächsten Verwandten einheitlich vorhanden sind, ist das Patriarchat wahrscheinlich eher kulturell bedingt, so das Duo.

dpa