Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten von Kreidezähnen bei Kindern werden auf einem Fachkongress in Berlin beleuchtet. Wie kann man betroffenen Kindern helfen?
Experten diskutieren: Kreidezähne bei Kindern
Verfärbungen und poröse Zähne – die Diagnose Kreidezähne ist für Eltern und Kinder eine Schreckensnachricht. In der kommenden Woche findet in Berlin ein Kongress von Fachleuten zu diesem Thema statt. Was aber weiß die Wissenschaft bereits darüber? Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Wie sehen Kreidezähne aus?
Laut der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ), Katrin Bekes, können die Zähne weiße, gelbliche oder braune Flecken aufweisen. Es ist möglich, dass nur bestimmte Bereiche oder die gesamte Zahnkrone verfärbt ist. Typischerweise sind ein bis vier der ersten bleibenden Backenzähne betroffen, die normalerweise im Alter von etwa sechs Jahren durchbrechen. Kreidezähne können auch gelegentlich an den Schneidezähnen (Inzisiven) auftreten. Experten bezeichnen dies als Molaren Inzisiven Hypomineralisation oder MIH. Der Zahnschmelz enthält an einigen Stellen weniger Minerale als üblich.
Je nach Schweregrad kann es sein, dass schon bald nach dem Durchbruch des Zahns durch das Kauen der weniger mineralisierte Zahnschmelz verloren geht. Kleine Verfärbungen fielen eher nicht auf, größere könne man auch als Laie sehen, sagt Bekes. Innerhalb der Verfärbungen könne es zum Zusammenbröseln kommen. «Man muss sich das aber nicht so vorstellen, dass ein Kind in eine Möhre beißt und der halbe Zahn fällt raus.»
Laut dem Text ist ein weiteres Symptom die erhöhte Empfindlichkeit der betroffenen Zähne gegenüber Wärme oder Kälte, chemischen oder mechanischen Reizen. Wenn sowohl Schmelzeinbrüche als auch Überempfindlichkeit vorliegen, können das Zähneputzen und Kauen schmerzhaft sein.
Wie belastend ist die Situation für Kinder und Eltern?
Das hängt sehr stark von der Schwere des Befalls ab. Eine kleine Verfärbung im Zahnschmelz bei einem ersten bleibenden Backenzahn werde meist kaum bemerkt, sagt Bekes. «Häufig handelt es sich um einen Zufallsbefund.» Bei schweren Fällen, wenn etwa ein Teil der Zahnkrone fehle, könne es aber sein, dass Kinder schlechter kauen können. Gleichzeitig seien Schmerzen möglich. Wichtig seien eine frühe Diagnose und entsprechende Therapiemaßnahmen, «um den Kindern die Aufnahme von Nahrungsmitteln ohne Einschränkungen zu ermöglichen», so die DGKiZ-Präsidentin.
Wie sieht eine Therapie aus?
Betroffene Kinder sollten regelmäßig zur Zahnärztin oder zum Zahnarzt gehen, sagte Bekes. Eine professionelle zahnärztliche Betreuung sowie eine gute Mundhygiene seien unerlässlich. Um Karies vorzubeugen, werde zweimal tägliches Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta empfohlen. «Studien belegen, dass Kinder mit Kreidezähnen ein höheres Risiko haben, Karies zu bekommen.»
Ergänzend könne zuhause auch eine Paste genutzt werden, die mit Kalzium und Phosphat die Mineralisierung unterstützt. «Wenn lediglich eine milde Form in Form eines kleinen weißen Flecks auf dem Backenzahn diagnostiziert wurde, der nicht eingebrochen ist, und das Kind keine Schmerzen hat, dann bleibt es bei den regelmäßigen Untersuchungen und den Prophylaxemaßnahmen», so die Expertin.
Sobald die Stelle einbrösele, müsse man sich das genauer anschauen. «Je größer der Einbruch ist, desto mehr Probleme kann dies verursachen. Hier muss schnell gehandelt und die betroffene Stelle mit einer Füllung versorgt werden», sagt die DGKiZ-Präsidentin. Manchmal könnten bei schwereren Formen auch konfektionierte Kinderkronen Therapiemittel sein. In sehr schweren Fällen könne auch ein Ziehen des Zahns mit nachfolgender kieferorthopädischer Behandlung in Betracht gezogen werden müssen. Dies sei aber nur in Ausnahmefällen nötig. Internationale Daten zeigen, dass viele der betroffenen Kinder eine milde Form der MIH aufweisen.
Wie viele Kinder sind betroffen?
Weltweit sind laut der Übersichtsstudie «Global burden of molar incisor hypomineralization» von 2018, an der auch Bekes beteiligt war, schätzungsweise 13 bis 14 Prozent der Kinder betroffen. Dafür wurde 99 Studien mit mehr als 113.000 Teilnehmern aus 43 Ländern ausgewertet.
Die 5. Deutsche Mundgesundheitsstudie von 2016 ergab hingegen eine deutlich höhere Zahl. Damals hieß es, dass 28,7 Prozent der Zwölfjährigen mindestens einen hypomineralisierten Zahn mit einer MIH haben. Warum die Zahlen so hoch waren, wisse man nicht, sagt die DGKiZ-Präsidentin. Mit Spannung würden die neuen Daten aus der 6. Mundgesundheitsstudie Anfang nächsten Jahres erwartet.
Was ist die Ursache von Kreidezähnen?
Laut Bekes ist die Ursache nicht endgültig geklärt. Es gibt mit großer Sicherheit mehrere Faktoren. Da die Mineralisierung der betrachteten Zähne um die Geburt und in der frühen Kindheitsphase stattfindet, konzentriert sich die Forschung besonders auf diesen Zeitraum. Probleme im letzten Monat der Schwangerschaft, Frühgeburten, Kinderkrankheiten wie Bronchitis, Lungen- oder Mittelohrentzündungen oder Antibiotikagaben stehen im Mittelpunkt. Die betroffenen Zähne erscheinen meist erst um das sechste Lebensjahr oder später, und erst dann kann die Diagnose gestellt werden – dies macht die Ursachenforschung schwierig, so Bekes.
Seit wann tritt das Phänomen auf?
Der Begriff der Molaren-Inzisiven-Hypermineralisation (MIH) existiert offiziell seit 23 Jahren. Das Phänomen wurde 2001 definiert und die Hauptmerkmale wurden festgelegt. Allerdings gab es bereits in den 80er Jahren eine Veröffentlichung, die ähnliche Symptome bei Kindern in Schweden beschrieb, sagt Bekes. In den letzten Jahren hat sich das Krankheitsbild immer mehr ins Bewusstsein gerückt.