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Stadtbäume in Not: Hitze und Trockenheit bedrohen das Grün in deutschen Städten

Forscher warnen vor Baumsterben, fordern mehr Grünflächen und Schutzmaßnahmen für Stadtbäume zur Bewältigung des Klimawandels.

Gleditschien zählen zu den «Klimabäumen»- sie können auch Hitze in der Stadt vertragen.
Foto: Sebastian Willnow/dpa

Zu eng, zu heiß, zu trocken: Auch in den Städten beobachten Forscher ein Baumsterben von größerem Umfang. «Bäume leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas, leiden aber selbst unter Hitze und Trockenheit», sagt Forstwissenschaftler Somidh Saha. Er leitet die vom Bundesforschungsministerium geförderte Innovationsgruppe «Urboretum» zum Bestand der Stadtbäume.

Um sicherzustellen, dass Bäume in der Stadt überleben können, sind mehr Grünflächen sowie mehr Platz für Wurzeln und Baumkronen erforderlich. Saha vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) betont, dass der Bestand besser geschützt und erweitert werden muss, anlässlich des Tags des Baumes (25. April).

Die Forscher stoßen beim Deutschen Städtetag auf offene Türen. Die Kommunen engagieren sich stark für den Schutz, die Pflege und die Neupflanzung. Allerdings mangelt es manchmal einfach an Geld.

Helden im Hitzestress 

Für Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sind Bäume «grüne Superhelden». Doch auch die können schwächeln. So leiden von den etwa 35 einheimischen Baumarten in städtischen und stadtnahen Wäldern im Südwesten Deutschlands nach Schätzung von KIT-Forscher Saha fast alle unter Klimastress. Allein in den Hitzesommern 2019 und 2020 sind demnach über die Hälfte der Stadtbäume geschädigt worden, bis zu einem Drittel der Jungbäume vertrocknete. Der finanzielle Schaden lag bei bis zu 5.000 Euro pro Baum. 

Wurzel versus U-Bahn – Zu wenig Platz in der Stadt

Ein Hauptproblem neben Hitze und Trockenheit in der Stadt: «Bäume haben zu wenig Platz, zu wachsen», sagt KIT-Forscher Saha. Je mehr Raum Wurzeln haben, desto weniger müssen Bäume bewässert werden. Doch im städtischen Untergrund konkurrieren Baumwurzeln mit Rohren, Leitungen, Unterführungen und auch mit U-Bahnen. 

Es ist auch zu beachten, dass viele Stadtbäume in den Jahrzehnten nach dem Krieg gepflanzt wurden. Sie erreichen nun das Ende ihrer Lebensdauer.

Anpassen oder weichen 

Schwierig wird es dem KIT-Forscher zufolge angesichts des Klimawandels etwa für Buche, Fichte, Esche, Hainbuche, Spitzahorn oder Winterlinde. Andere Bäume wie Platanen, Silberlinden, Zürgelbäume oder Gleditschien könnten dagegen selbst in städtischen Wärmeinseln überleben. Sie gelten als Zukunfts- und «Klimabäume».

„Bäume, die sich nicht anpassen, sterben allmählich ab oder ziehen in kühlere Gegenden um“, sagt Saha. „Einige entwickeln jedoch auch Eigenschaften wie Trockenverträglichkeit, die in früheren Generationen dieser Art nicht vorhanden waren.“

Zukunftsbäume gepflanzt, aber wenig erforscht

Städte haben in den letzten Jahren widerstandsfähige Bäume wie Robinie, Zürgelbaum, Silberlinde, Blumenesche oder Gleditschie gepflanzt. Dennoch ist das Potenzial dieser Baumarten zur Kühlung der städtischen Umwelt laut Saha noch unzureichend erforscht.

Der ungeliebte Götterbaum 

Robust ist nicht immer erwünscht: So gedeiht der im 18. Jahrhundert aus China als Ziergehölz für Parks und Gärten geholte Götterbaum auch bei Trockenheit prächtig. Doch, so warnt Saha: «Er hat das Potenzial, andere Baumarten zu verdrängen.»

Die Robinie tut das auch. Zum «Baum des Jahres» wurde sie wegen ihrer Widerstandsfähigkeit dennoch vor fünf Jahren gekürt – trotz Bedenken von Naturschützern. 

Die Vielfalt macht’s 

Die Forscher befürworten, dass mehr Bäume aus der Mittelmeerregion getestet werden, wie die Ungarische Eiche oder die Schmuckesche; und dass einheimische dürre-tolerante Sorten oder Varianten davon gezüchtet werden, wie die Elsbeere, die Echte Mehlbeere, die Trauben- oder Flaumeiche.

Einheimische Bäume, die aus Samen trockener Standorte stammen, haben einen Vorteil. Dies zeigt sich in der Resistenz von Rotbuchen auf kargen und feuchten Flächen.

Mein Freund, der Baum

«Bäume sind für die Städte von schier unschätzbarem Wert», betont Helmut Dedy vom Städtetag. Sie verbessern durch Schatten und Verdunstung das Mikroklima, kühlen Asphalt und Beton, nehmen Feinstaub auf und bieten Vögeln und Insekten ein Zuhause. 

Ein Forschungsteam hat das für Karlsruhe genauer modelliert. «Wir können zeigen, dass eine Erhöhung des Baumbestandes um mindestens 30 Prozent die jährliche Zahl der extremen Hitzestunden um fast 64 Prozent und den jährlichen Wasserabfluss um 58 Prozent verringern könnte», fasst Saha, der Mitautor war, die Studie zusammen. Besonders bei dichter Bebauung könnten Bäume den Schutz vor Hitze und Hochwasser verstärken.

 

Saha und andere Forscher haben mit einer Umfrage von 302 Menschen untersucht, wie wichtig Bäume für das unmittelbare Wohlbefinden von Menschen in Städten sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten hauptsächlich angegeben haben, sich an Orten in der Stadt besonders wohlzufühlen, an denen sie die allgemeine Artenvielfalt als besonders hoch einschätzen. Darüber hinaus tragen ein hoher Grad an Beschattung durch Baumkronen und der Reichtum an großen Bäumen in der Stadt zum Wohlbefinden der Bevölkerung bei.

Zum Tag des Baumes ein Appell 

Saha und sein Team fordern Städte auf, weiterhin in ihre Bäume zu investieren. Viele Städte haben bereits begonnen, Plätze und Straßen aufgrund des Klimawandels umzugestalten. Seiner Meinung nach wären langfristige Überwachungsprogramme für Stadtbäume, verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Wissenschaft sowie die Beteiligung der Bewohner, zum Beispiel durch Baumpatenschaften, wichtig.

Wo ein Wille ist, ist ein Weg 

Dedy gibt zu bedenken, dass die Finanzierung von Monitoring und Baumkataster in vielen Städten angesichts extrem angespannter kommunaler Haushalte nicht immer einfach ist.

Für Forscher Saha ist es «aus ökologischer und bio-meteorologischer Sicht absolut katastrophal», wenn neu gestaltete Plätze wie der Karlsruher Marktplatz nicht begrünt werden. Zugleich weiß er, dass örtliche Besonderheiten berücksichtigt werden müssen, wie eine U-Bahn unter dem Platz. Die Umgestaltung der City von Paris zeige aber: «Es ist auch immer eine Frage der politischen Motivation.»

dpa