Bluthochdruck bleibt oft unbemerkt und kann zu schwerwiegenden Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Aufklärung ist daher am Welthypertonietag besonders wichtig.
Volkskrankheit Bluthochdruck: «Stiller Mörder» mit fatalen Folgen
Wer Bluthochdruck hat, ist damit nicht allein. Bis zu 30 Millionen Menschen leiden nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga hierzulande darunter. Das Tückische: Viele wissen gar nichts von ihrer Erkrankung, die deshalb «Silent Killer» (auf Deutsch: «Stiller Mörder») genannt wird.
„Bluthochdruck kann zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenversagen führen. Daher wird jedes Jahr am sogenannten Welthypertonietag (17. Mai) über die Volkskrankheit informiert.“
Sobald die Diagnose gestellt ist, stellen Patienten sich oft ähnliche Fragen: „Ist das für immer? Wie kann das verschwinden?“
Ab welchen Werten ist der Blutdruck hoch?
Keine Erkrankung der Inneren Medizin ist in Deutschland häufiger als arterielle Hypertonie – also Bluthochdruck, wie Anne Fleck, Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, erklärt. Laut Angaben der European Society of Hypertension liegt das Krankheitsbild vor, wenn die systolischen Werte 140 mmHg und/oder die diastolischen Werte 90 mmHg überschreiten.
Der erste, systolische Wert bezieht sich auf den Druck in den Arterien, wenn das Blut aus dem Herzen herausgepumpt wird. Ideal sind hier etwa 120 mmHg oder weniger. Die in der Regel dreistellige Zahl wird auch oberer Wert genannt, weil sie bei digitalen Blutdruckgeräten auf der Anzeige oben steht. Darunter findet sich als unterer der zweite, diastolische Wert. Dieser misst den Druck in den Arterien, wenn das Blut wieder zurück ins Herz fließt und es sich entspannt. Ziel sind hier etwa 80 mmHg oder weniger.
Zum ersten Wert stellt Markus van der Giet, Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga, fest: «98 Prozent der Patienten kämpfen damit.» Bluthochdruck kann auch in einer Kombination von systolischer und diastolischer Hypertonie und anderen Formen auftreten. Martin Middeke, Professor für Innere Medizin und ehemaliger Leiter des Hypertoniezentrums München, hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Krankheit zu schreiben. Sein neues Werk «Die Altersformel» erscheint am 1. Juni und thematisiert den Zusammenhang zwischen guter Durchblutung und der Gesundheit.
Bei Bluthochdruck gilt im Allgemeinen: Wer keine Maßnahmen dagegen ergreift, erhöht das Risiko für weitere Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems. Das können Herzinfarkt oder Schlaganfall sein.
Warum entsteht Bluthochdruck überhaupt?
Wenn das System ins Ungleichgewicht gerät und der Körper seine Funktionen erhalten will, entsteht Bluthochdruck. Das kann der normale Alterungsprozess sein, wie Bluthochdruckexperte van der Giet erklärt: «Bei jedem steigt im Laufe des Lebens der Blutdruck an.» Dabei geht es um die Versteifung der Gefäße. Beim Blutdruck spielen aber auch das Geschlecht (Männer sind häufiger betroffen) und erbliche Veranlagungen eine Rolle.
Oft besteht eine genetische Veranlagung, wenn ein Elternteil oder beide Eltern an Hypertonie leiden, erklärt Experte Middeke. Dies tritt im jungen und mittleren Erwachsenenalter auf, meist mit einem Anstieg des diastolischen Blutdrucks, also des unteren Werts. Ursachen dafür können Gewichtszunahme, mangelnde körperliche Aktivität oder chronischer Stress sein.
Zusätzlich zu diesen Faktoren können auch Infektionskrankheiten wie Virusinfektionen (Covid-19) oder chronische Borreliose-Erkrankungen den Bluthochdruck oder starke Schwankungen des Blutdrucks beeinflussen.
Die Niere hat als Filter eine besondere Rolle im Körper – und wenn das nicht gut funktioniert, ist es nach van der Giets Worten wie bei einer verstopften Espressomaschine. «Dann produzieren wir höheren Druck.»
Primäre oder sekundäre Hypertonie – was ist das?
Etwa 90 Prozent aller Betroffenen haben die primäre Form von Bluthochdruck, während die sekundäre Hypertonie die restlichen 10 Prozent betrifft. In beiden Fällen handelt es sich um verschiedene Arten von Bluthochdruck.
Bei der sekundären Hypertonie handelt es sich um einen Bluthochdruck, der als Begleiterscheinung einer anderen Krankheit auftritt. Das Alter spielt dabei eine untergeordnete Rolle, erklärt Middeke. Eine mögliche Ursache für eine sekundäre Hypertonie könnte laut van der Giet eine unzureichende Durchblutung der Niere sein. Auch eine Schilddrüsenüberfunktion, entzündlich-rheumatische Erkrankungen der Gefäße, neurologische Ursachen oder psychogene Ursachen bei starken Schmerzen könnten dahinterstecken, so Expertin Fleck.
«Silent Killer»: Was ist, wenn es keine Symptome gibt?
Nicht immer lässt sich Bluthochdruck sofort erkennen. Van der Giet schätzt, dass ein Drittel der Betroffenen gar nichts von ihrer Erkrankung wissen. Für Fleck ist das «das Tückische». Denn Beschwerden können lange Zeit fehlen oder fehlgedeutet werden.
Als typische Symptome nennt die Fachärztin frühmorgendliche Kopfschmerzen im Hinterkopfbereich oder generell Kopfschmerzen im Nacken. Wer nachts Bluthochdruck hat, kann unter Schlafstörungen leiden oder öfter aufwachen. «Viel zu selten wird bei Schlafstörungen an eine konsequente kurze Blutdruckmessung gedacht», warnt Fleck. Auch Ohrensausen, Schwindel, starke Nervosität, Nasenbluten oder Luftknappheit bei Belastung seien Indizien.
Kann man Bluthochdruck heilen oder nur behandeln?
Für Fleck ist klar: «Je früher Symptome nicht nur mit Medikamenten glattgebügelt, sondern Ursachen erkannt und abgestellt werden, umso besser sind die Heilungschancen.» Für die Fachärztin ist Grundlage jeder Therapiemaßnahme eine Anpassung des Lebensstils. Wer seine Ernährung anpasse, Nährstoffdefizite wie Kalzium, Kalium und Magnesium ausgleiche und regelmäßig Ausdauertraining mache, könne «immens viel erreichen».
Nach ihren Angaben können durch diese Maßnahmen allein ein Viertel aller Fälle mit Grad 1 vollständig normalisiert werden. Laut Bundesärztekammer liegt Grad 1 vor, wenn die systolischen Werte zwischen 140 und 159 mmHg und/oder die diastolischen Werte zwischen 90 und 99 mmHg liegen.
Wer an sekundärer Hypertonie leidet – also als Begleiterscheinung einer Krankheit –, hat einen Vorteil: «Wenn man die Krankheit erkennt, kann man sie in der Regel behandeln, sodass eigentlich danach das Blutdruckproblem gelöst sein sollte», erläutert van der Giet, der das Hypertoniezentrum an der Berliner Charité leitet. Eine Spezialform können dabei Folgen einer Corona-Erkrankung sein. Die Omikron-Varianten des Virus bringen nach seinen Worten die «Blutdruckregulation durcheinander».
Wer dagegen an einer genetischen oder altersbedingten primären Hypertonie leide, habe schlechtere Karten. «Aus dieser Falle kommt man nicht raus», sagt van der Giet. Dann heißt es: aktiv etwas gegen den Bluthochdruck zu tun und meist lebenslang Tabletten nehmen.
Warum ist die Behandlung so wichtig?
Patienten, die von ihrem Bluthochdruck nichts wissen, sind van der Giet zufolge mitunter überrascht. Denn «viele fühlen sich unter hohem Blutdruck sogar besser, weil sie leistungsfähiger sind», erklärt der Experte. Ihnen müsse er dann erklären, dass eine Regulation etwa mittels Tabletten trotzdem wichtig sei. Van der Giet fragt dann: «Wollen Sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen?» Weil das keiner will, lautet sein dringender Appell: «Stellen Sie ihren Blutdruck ein.»
Für Middeke ist die dauerhafte Behandlung von Bluthochdruck die «erfolgreichste medizinische Maßnahme zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen».