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Einsamkeit betrifft auch jüngere Generationen, Studie zeigt besorgniserregende Zunahme

Einsamkeit kann gesellschaftliche Risiken bergen und den sozialen Zusammenhalt gefährden, warnt Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.

Das Gefühl der Einsamkeit hat vor allem in den zurückliegenden fünf Jahren in Deutschland signifikant zugenommen.
Foto: Marcus Brandt/dpa

Einsamkeit betrifft nicht nur die ältere Generation: Gemäß einer aktuellen Studie fühlt sich jeder Dritte im Alter zwischen 18 und 53 Jahren zumindest teilweise einsam. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) am Mittwoch in Wiesbaden bekannt gab, ist Einsamkeit in Deutschland seit der Corona-Pandemie bei jüngeren Erwachsenen unter 30 Jahren weit verbreitet. Die Untersuchung basiert auf mehreren sozialwissenschaftlichen Datensätzen zur Zeitspanne von 2005 bis zum Winter 2022/2023.

Laut der BiB-Soziologin Sabine Diabaté sei spätestens seit der Pandemie klar, dass Einsamkeit ein bedeutendes gesellschaftliches Problem darstellt. Sie wies auch auf die Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit hin. Die Forscherin warnte davor, dass Einsamkeit nicht nur krank machen könne.

Das Problem berge gesellschaftliche Risiken. Einsame Menschen seien empfänglicher für eine religiöse oder politische Radikalisierung. «Damit kann eine zunehmende Einsamkeit in der Bevölkerung auch ein Risiko für die Demokratie bedeuten, weil sie den inneren, sozialen Zusammenhalt gefährden kann», erklärte auch BiB-Forschungsdirektor Martin Bujard.

Experten warnen vor chronischer Einsamkeit

Gemäß der aktuellen Studie hat das Gefühl der Einsamkeit in den letzten fünf Jahren in Deutschland deutlich zugenommen: Von 2005 bis 2017 lag der Anteil der Einsamen im jungen und mittleren Erwachsenenalter stabil zwischen 14 und 17 Prozent. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 stieg dieser Anteil jedoch sprunghaft auf knapp 41 Prozent an. Ein Jahr später lag er sogar fast bei 47 Prozent. Analysen aus dem Winter 2022/2023 zeigen, dass das Gefühl der Einsamkeit wieder auf 36 Prozent gesunken ist – immer noch deutlich höher als vor der Pandemie. Die Forscher befragten die Menschen unter anderem danach, wie oft sie sich allein fühlten.

«Spätestens seit der Corona-Pandemie ist sichtbar geworden, dass auch viele jüngere Menschen unter Einsamkeit leiden, selbst wenn sie nicht allein leben», erläuterte Diabaté. Obwohl die Kontaktbeschränkungen der Vergangenheit angehören, seien bis Anfang 2023 nur wenig soziale Nachholeffekte zu sehen: «In der postpandemischen Phase besteht die Einsamkeit auf hohem Niveau fort – es zeigt sich eine Tendenz zur Chronifizierung», warnte sie. Besonders von Einsamkeit betroffen sind der Analyse zufolge Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status, ohne deutsche Staatsangehörigkeit sowie Alleinerziehende.

Soziologe fordert mehr Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen

Die Wirkungen von anhaltender Einsamkeit sind laut den Forschern in vielerlei Hinsicht problematisch. Einsame Menschen leiden oft unter Schlafstörungen, haben ein erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen oder Schlaganfälle und eine geschwächte Immunabwehr. Sie sind zudem anfälliger für Suchterkrankungen.

Um Betroffenen zu helfen, sollte die gesellschaftliche Teilhabe mehr gefördert werden, schlugen die Forscher vor. «Es braucht mehr Bewusstsein für die hohe Verbreitung und den Leidensdruck von Einsamkeit, im Alltag mehr Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen», sagte Bujard. Beispielsweise könnten über Hausarztpraxen Besuchsdienste oder Nachbarschaftsprojekte vermittelt werden, um etwa chronisch Kranke sozial besser einzubinden.

dpa