Jahrzehntelang blieb der Eisberg A23a etwa viermal so groß wie Berlin. Nun schmilzt er im Turbogang. Ein Abgesang auf einen eisigen Giganten.
Einst größter Eisberg der Welt wohl bald verschwunden
Einmal war er der größte Eisberg der Welt – und könnte sich nun bald in den Weiten des Ozeans aufgelöst haben. Mit rund 4.000 Quadratkilometern war der Eisberg mit der nüchternen Bezeichnung A23a ursprünglich etwa viereinhalbmal so groß wie Berlin.
Das Polarforschungsinstitut British Antarctiv Survey behält den Eisriesen seit Jahren im Blick – und teilte in dieser Woche auf der Online-Plattform Bluesky mit: «Eisberg A23a befindet sich nördlich von Südgeorgien und hat sich übers Wochenende in mehrere große Teile aufgespalten.»
«Der Eisberg bricht rapide auseinander und verliert riesige Brocken, die selbst als große Eisberge bezeichnet werden», ergänzt Andrew Meijers, Eisberg-Experte bei der britischen Organisation, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur – man zähle bereits bis A23f (Stand 28. August). Mit dem bevorstehenden Frühling auf der Südhalbkugel werde der Eisberg wohl bald schon in zu kleine Teile zerfallen, um noch weiter verfolgt werden zu können.
Den Spitzenplatz bereits verloren
Der Ursprungskoloss A23a sei auf 1.700 Quadratkilometer geschrumpft. «Er hat die „Größter Eisberg“-Krone an D15A verloren, der mit rund 3.000 Quadratkilometern etwa doppelt so groß ist», erzählt Meijers über einen Eisberg in der Nähe einer australischen Forschungsstation.
A23a sei «zwar immer noch der zweitgrößte Eisberg, aber ich gehe davon aus, dass sich dies in den kommenden Wochen rasch ändern wird», so der Meereisforscher. «Ich gehe davon aus, dass sich seine Zersplitterung beschleunigen wird – seit seiner Wanderung nördlich des Weddellmeeres Anfang 2024 schmilzt er immer schneller und befindet sich in Gewässern, deren Temperatur deutlich über dem Gefrierpunkt liegt.»
Vermutlich wird A23a wie zuletzt weiter gegen den Uhrzeigersinn einer Strömung rund um die Insel Südgeorgien im Südatlantik folgen und von dieser Richtung Nordosten getrieben. «A23a folgt dem Schicksal anderer Megaberge», erklärt Meijers und nennt Eisberge mit ähnlich kryptischen Namen, die sich in den vergangenen Jahren auch bei Südgeorgien aufgelöst haben.
Er ließ sich fast 40 Jahre Zeit
Der Eisberg A23a brach 1986 vom antarktischen Festland – dem Filchner-Ronne-Schelfeis – ab, blieb jedoch jahrzehntelang am Meeresboden hängen. Erst im Jahr 2000 löste er sich und wurde lange Zeit von zirkulierenden Meeresströmungen festgehalten.
Daniela Jansen, Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, erklärt: «Das Besondere an A23a ist, dass er so alt ist. Er hat sich kurz nach der Kalbung 1986 wieder auf Grund festgesetzt, in kaltem und ruhigen Wasser, und hat deshalb so lange durchgehalten.»
Der Ozeanograf Meijers erzählte nach einer Expedition im Jahr 2023: «Er sieht aus wie eine hohe Wand, die aus dem Meer ragt und sich von Horizont zu Horizont erstreckt. Einige Teile sind durch Wellen und Schmelzwasser ziemlich zerfressen und unterspült.»
Der Anfang vom Ende
Im März dieses Jahres wurde berichtet, dass der Eisberg nördlich der Antarktis auf Grund gelaufen war. Zu diesem Zeitpunkt hatten Experten bereits vermutet, dass dies möglicherweise der Anfang vom Ende sein könnte. Proben wurden von Polarforschern genommen und werden derzeit noch analysiert. Geraint Tarling, ebenfalls vom British Antarctic Survey, glaubt, dass der Zufluss von kaltem Wasser durch das Abschmelzen des Eisbergs erhebliche Auswirkungen auf Organismen im Meeresboden der Region haben könnte. Es sei wichtig, dies zu verstehen, insbesondere wenn solche Ereignisse aufgrund des Klimawandels zunehmen.
Ist der Vorgang denn eine Folge der Erderwärmung – oder ganz normal? Das Kalben von Eisbergen sei in der Antarktis ein natürlicher Prozess, erklärt Glaziologin Jansen. Normalerweise kalbten die Eisberge von Gletschern, die ins Meer fließen, oder von Schelfeisen – also schwimmenden Eisplatten.
«Eine Erwärmung des Ozeans und der Atmosphäre kann dazu führen, dass Schelfeise instabil werden und komplett zerfallen», so Jansen. Dies habe man an der Antarktischen Halbinsel Ende der Neunziger beziehungsweise Anfang der 2000er Jahre beobachten können. «Das kann dann zu erhöhtem Abfluss von Eis vom Land ins Meer führen, was relevant für den Meeresspielgel ist. Wenn ein schwimmender Eisberg schmilzt, ändert das den Meeresspiegel nicht.»
Schmelze mit meterhohen Folgen
Von der British Antarctiv Survey heißt es, Megaberge wie A23a seien zu selten, um systematische Veränderungen abzubilden. «Wir wissen aber, dass Eisschelfe durch die verstärkte Bildung von Eisbergen seit 1997 rund sechs Billionen Tonnen Eis unwiderruflich verloren haben – und eine ähnliche Menge durch verstärktes Abschmelzen im gleichen Zeitraum», erklärt Meijers. Dafür seien wohl Veränderungen in der Ozeanzirkulation verantwortlich sowie wärmeres Wasser, das an das Schelfeis gelange.
Meijers hebt hervor, dass das Schmelzen dieser Gletscher – hauptsächlich in der Antarktis – definitiv zu einem Anstieg des Meeresspiegels um zwei Metern führen wird. Der Zeitpunkt hängt jedoch davon ab, wie viele Treibhausgase die Menschheit noch ausstößt.
Darüber, was das Schmelzen für den Meeresspiegelanstieg bedeuten wird, besteht noch große Unsicherheit, wie Meijers sagt: «Die ungewisse Physik der Schelfeise und mögliche Rückkopplungen des Ozeans bedeuten, dass ein Anstieg des Meeresspiegels um mehr als 15 Meter in den kommenden Jahrhunderten aufgrund des Abschmelzens der Antarktis nicht ausgeschlossen werden kann.»