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Eiszeit in Europa: Dramatisch weniger Jäger und Sammler

Eiszeit-Europäer mussten tiefgreifende Konsequenzen aus dem damaligen Klimawandel ertragen. Erst waren sie gut vernetzt, dann getrennt.

Eiszeit-Europäer mussten tiefgreifende Konsequenzen aus dem damaligen Klimawandel ertragen.
Foto: Tom Björklund/dpa

Anhand menschlicher Zähne aus dem eiszeitlichen Europa hat ein Wissenschaftsteam herausgefunden, wie prähistorische Jäger und Sammler mit Klimaveränderungen umgingen. Die Zahl der Menschen habe während der kältesten Periode stark abgenommen, und im Westen standen die Eiszeit-Europäer sogar vor dem Aussterben, heißt es in der im Fachjournal «Science Advances» veröffentlichten Studie. 

Auch damals gab es, wie heute, große klimatische Veränderungen. «Wir sollten dringend aus unserer Vergangenheit lernen, wenn wir den komplexen Umweltproblemen der Zukunft begegnen möchten», erklärt Studienleiter Hannes Rathmann.

Der Forscher vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen hat in Zusammenarbeit mit Kolleginnen der Universität Tübingen, der Universität Ferrara (Italien) und der New York University (USA) eine neue Methode für die Analyse der Fossilien entwickelt. Die Methode beruht auf einem maschinellen Lernalgorithmus.

Zähne als Beweis

«Zähne sind das härteste Gewebe im menschlichen Körper und daher die am häufigsten von Archäologen gefundenen fossilen Skelettelemente. Auf diese Weise konnten wir einen beispiellosen Datensatz sammeln, der bisherige in seiner Größe deutlich übertrifft», erklärt Rathmann. Die neue Sammlung umfasse Zahndaten von 450 prähistorischen Menschen aus ganz Europa, die den Zeitraum zwischen 47.000 und 7.000 Jahren vor heute abdeckten.

Die Forscher suchten kleine Varianten innerhalb des Gebisses, wie die Anzahl und Form der Kronenhöcker, Kamm- und Rillenmuster auf der Kaufläche oder das Vorhandensein oder Fehlen von Weisheitszähnen. «Diese Merkmale sind vererbbar, was bedeutet, dass wir sie nutzen können, um genetische Beziehungen unter den Eiszeit-Menschen zu verfolgen, ohne gut erhaltene alte DNA zu benötigen», erklärt Rathmann. 

Demografischer Wandel durch massive Klimaveränderungen 

Die Studie zeigt, dass vor etwa 47.000 bis 28.000 Jahren die Gemeinschaften in West- und Osteuropa genetisch gut vernetzt waren. In Europa herrschten damals hauptsächlich offene Steppenlandschaften, in denen große Herden von Säugetieren lebten, die eine wichtige Nahrungsquelle für Jäger und Sammler darstellten. Diese Bedingungen haben wahrscheinlich zu einer Vernetzung der Gruppen beigetragen.

In der folgenden Periode vor 28.000 bis 14.700 Jahren, der kältesten Periode, haben die Forscher jedoch keine genetischen Verbindungen zwischen West- und Osteuropa festgestellt. Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass sich die Populationsgröße in beiden Regionen deutlich reduzierte. Dies führte zu einem Verlust an genetischer Vielfalt und einer schrumpfenden Population.

Die Temperaturen stiegen erneut an, die Gletscher zogen sich zurück und die Steppen- und Waldvegetation kehrten zurück, was dazu führte, dass die zuvor isolierten und stark reduzierten Gemeinschaften in West- und Osteuropa wieder anwuchsen. Die Migration nahm ebenfalls wieder zu.

dpa