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Ernährungsweise trägt weiterhin stark zur Klimakrise bei

Weniger Fleisch von Wiederkäuern – dazu wird nicht nur für die eigene Gesundheit geraten. Auch Klima und Umwelt profitieren. Doch noch bleibt ein weiter Weg beim Wandel der Ernährungssysteme.

Die weltweite Nahrungsmittelproduktion verursacht dem Bericht zufolge rund 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. (Archivbild)
Foto: Nati Harnik/AP/dpa

Experten zufolge wird ein zentrales Problem in der Klimakrise noch nicht angemessen angegangen. Laut einem neuen Bericht der EAT-Lancet-Kommission verursacht die weltweite Nahrungsmittelproduktion rund 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig haben Milliarden von Menschen keinen Zugang zu gesunder Ernährung.

Selbst bei einer globalen Energiewende weg von fossilen Brennstoffen würden allein die Ernährungssysteme dazu führen, dass die Erderwärmung nicht auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, warnt die Gruppe. Die Kommission ist ein von der Nichtregierungsorganisation EAT und der Fachzeitschrift «The Lancet» gegründetes internationales Expertengremium. Ziel ist es, Strategien für eine gesunde Ernährung der Menschheit und zugleich für den Schutz der Erde zu entwickeln.

Voraussetzung für ein sicheres Klimasystem und einen gesunden Planeten

«Die Umgestaltung der Nahrungsmittelsysteme ist eine große ökologische und soziale Herausforderung, aber sie ist eine Voraussetzung dafür, dass wir die Chance haben, zu einem sicheren Klimasystem und einem gesunden Planeten zurückzukehren», sagte Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Potsdam und Co-Vorsitzender der EAT-Lancet-Kommission. «Unsere Ernährungsgewohnheiten können Leben retten, Emissionen drastisch verringern, den Verlust der Biodiversität bremsen und zu mehr Gerechtigkeit beitragen.»

Laut dem Bericht könnten durch eine Umstellung auf die sogenannte Planetary Health Diet jedes Jahr etwa 15 Millionen Leben gerettet werden, die vorzeitig aufgrund ernährungsbedingter Krankheiten enden. Die Ernährungsweise weist große Ähnlichkeiten mit den gängigen Empfehlungen in der Ernährungsberatung auf: viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte, dazu drei bis vier Eier pro Woche, Fisch, Geflügelfleisch und möglichst wenig Fleisch von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen.

Wiederkäuer geben große Mengen Treibhausgas ab

Das Fleisch dieser Tiere birgt nicht nur ein langfristiges Krebsrisiko, sondern sie erzeugen auch erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan während der Verdauung. Laut dem Bericht stammen 53 Prozent der Nicht-CO2-Treibhausgase aus der Landwirtschaft von Wiederkäuern. Eine gesündere Ernährung weltweit könnte den Treibhausgasausstoß durch den Ernährungssektor um 15 Prozent reduzieren. Experten zufolge fehlen in den heutigen Ernährungsweisen meist Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, während Fleisch, Milchprodukte, Fette, Zucker und stark verarbeitete Lebensmittel im Übermaß konsumiert werden. Die Gruppe betont, dass das Ziel nicht eine einheitliche Ernährung für alle ist. Die Planetary Health Diet ist flexibel und lässt sich mit vielen Lebensmitteln, Kulturen, Ernährungsgewohnheiten, Traditionen und individuellen Vorlieben vereinbaren.

Obst-, Gemüse- und Nussproduktion sollten expandieren

Große Veränderungen würden jedoch mit einer Umstellung einhergehen, wie, wo und welche Lebensmittel produziert werden. Einige Sektoren müssten schrumpfen – die Produktion von Wiederkäuer-Fleisch zum Beispiel um etwa ein Drittel. Andere Bereiche müssten expandieren, die Obst-, Gemüse- und Nussproduktion zum Beispiel müsse um fast zwei Drittel im Vergleich zu den Produktionsniveaus von 2020 steigen.

Weitere Lösungsansätze umfassen die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen entlang der Lieferkette sowie die Förderung von landwirtschaftlichen Praktiken, die die Produktivität steigern und gleichzeitig negative Umweltauswirkungen minimieren. Dies beinhaltet eine Bodenbearbeitung, die weniger stark eingreift als beim tiefen Pflügen.

Klimaneutrales Lebensmittelsystem ist prinzipiell möglich

Laut dem Bericht, der auf der 2019 vorgestellten Analyse einer früheren Kommission basiert, könnten beispiellose Investitionen und Anstrengungen in all diesen Bereichen möglicherweise zu einem klimaneutralen Lebensmittelsystem führen. Es wird festgestellt, dass Lebensmittel derzeit die größte Einzelursache für die Überschreitung der planetarischen Belastungsgrenzen sind, zu denen neben dem Klimawandel auch Veränderungen im Stickstoff- und Phosphorkreislauf sowie Ozean-Versauerung zählen.

«Der Bericht liefert die bislang klarste Orientierung dafür, wie sich eine wachsende Weltbevölkerung ernähren lässt, ohne den sicheren Handlungsraum der Erde, wie ihn die planetaren Grenzen definieren, zu überschreiten», erklärte Rockström, Erstautor des in «The Lancet» vorgestellten Berichts. Die Experten nehmen dabei auch soziale Aspekte in den Blick. Sie fordern eine faire Entlohnung und sichere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Lebensmittelbereich sowie die Stärkung der Teilhabe von Kleinbauern, indigenen Völkern, Frauen und anderen oft zu wenig berücksichtigten Gruppen an Entscheidungsprozessen.

dpa