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Skandal in Italien: Indischer Erntehelfer nach Arbeitsunfall alleine gelassen

Der Tod des Erntehelfers löste eine Debatte über den Umgang mit ausländischen Arbeitskräften aus. Minister fordern Aufklärung und härtere Strafen für Schwarzarbeit.

In der italienischen Landwirtschaft sind nach Schätzungen etwa 230.000 Menschen illegal beschäftigt, darunter viele Migranten.
Foto: Luca Bruno/AP/dpa

In Italien gibt es große Empörung über den Tod eines indischen Erntehelfers, der nach einem Arbeitsunfall möglicherweise verbluten gelassen wurde. Der 31-Jährige geriet bei der Arbeit auf einem Feld im Süden von Rom in eine Maschine, die ihm den rechten Arm abtrennte und die Beine zerquetschte. Anschließend wurde er nicht ins Krankenhaus gebracht, sondern mit einem Lieferwagen zu seiner Unterkunft gebracht und dort allein gelassen. Sein abgetrennter Arm wurde in einer Obstkiste neben ihm gefunden. Anderthalb Tage später erlag er im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen den mutmaßlichen Verantwortlichen des landwirtschaftlichen Betriebs, einen 37-jährigen Italiener. Laut bisherigen Erkenntnissen hatte der Inder, ein Mann namens Satnam Singh, der 2021 mit seiner Frau nach Italien gekommen war, keine Arbeitserlaubnis. Es war noch unklar, ob er überhaupt im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung war.

230.000 Menschen illegal beschäftigt

Es wird geschätzt, dass etwa 230.000 Menschen in der italienischen Landwirtschaft illegal beschäftigt sind – darunter viele Migranten aus Ländern wie Indien oder Pakistan, die zu niedrigen Löhnen arbeiten. Ein beträchtlicher Teil der Produktion gelangt in deutsche Supermärkte. Die Gewerkschaften bezeichnen dies als systematische Ausbeutung.

Der Unfall ereignete sich auf einem Feld nahe der Gemeinde Borgo Santa Maria, etwa 60 Kilometer südlich von Rom, wo insbesondere Melonen und Zucchini angebaut werden. Nach Medienberichten bekommen Erntehelfer dort um die vier Euro die Stunde. Den Ermittlungen zufolge geriet Singh in eine Maschine, mit der die Felder großflächig mit Plastik überzogen werden. Seine Frau war bei dem Unfall in unmittelbarer Nähe. Sie gab bei der Polizei zu Protokoll: «Ich habe den Besitzer angefleht, uns zu helfen, ich habe ihn auf Knien angefleht. Aber er hat uns vor dem Haus abgesetzt und ist weggelaufen.» 

Erst die Nachbarn hätten dann geholfen und den Notruf alarmiert, wurde berichtet. Zwischen dem Unfall und der Ersten Hilfe seien anderthalb Stunden vergangen. Singh wurde mit dem Hubschrauber in ein Krankenhaus nach Rom geflogen, wo er infolge seiner Verletzungen am Mittwoch verstarb.

Eine Form der modernen Sklaverei

Der Generalsekretär der Gewerkschaft Flai in der Region, Hardeep Kaur, sagte: «Es ist leider kein Horrorfilm. Es ist alles wahr.» Andere Gewerkschafter bezeichneten den Umgang mit ausländischen Erntehelfern in Italien als moderne Form der Sklaverei. Nach einem früheren Bericht sind vor allem im Süden auch Flüchtlingskinder auf den Feldern beschäftigt.

Der Arbeitgeber erläuterte sein Verhalten damit, dass er in Panik geraten sei. Zudem rechtfertigte er sich nach Informationen der Tageszeitung «La Repubblica» (Donnerstag) damit, dass der Erntehelfer die Plastikplanen-Maschine ohne Erlaubnis benutzt habe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen fahrlässiger Tötung, unterlassener Hilfeleistung und Verstößen gegen Sicherheitsbestimmungen. 

Fall löst Debatte aus

Der Tod des Erntehelfers löste eine Debatte über den Umgang mit ausländischen Erntehelfern aus. Viele Zeitungen berichteten groß über den Fall. Arbeitsministerin Marina Calderone bezeichnete das Geschehen als «Akt der Barbarei». Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, ein Schwager der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, sagte: «Wir sind mit einer Tragödie konfrontiert, die uns nicht gleichgültig lassen kann und vollständig aufgeklärt werden muss.» 

Des Weiteren ist geplant, die Kontrolle und Bestrafung von Schwarzarbeit auf den Feldern zu verschärfen. Als Ausdruck der Trauer ordnete die regionale Verwaltung an, dass vor Rathäusern und anderen staatlichen Gebäuden die Flaggen auf halbmast gesetzt werden. Die Kosten für die Beerdigung sollen ebenfalls vom Staat übernommen werden. Am Donnerstag erreichten die Temperaturen im Süden von Rom fast 40 Grad. Die Arbeit auf den Feldern wurde fortgesetzt.

dpa