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EU-Behörde: Polioviren in fünf europäischen Ländern entdeckt

Kinderlähmung klingt wie eine Gefahr vergangener Zeiten. Doch vielerorts sind nun wieder Polioviren aufgetaucht, wie bereits auch in Deutschland. Die EU-Gesundheitsbehörde gibt einen Überblick.

Die von der US-Behörde CDC zur Verfügung gestellte Illustration aus dem Jahr 2014 zeigt ein Poliovirus-Partikel.
Foto: CDC/AP/dpa

Wie in verschiedenen Teilen Deutschlands sind in vier weiteren europäischen Ländern Polioviren nachgewiesen worden. Sie wurden zwischen September und Dezember 2024 auch in Abwasserproben in Spanien, Polen, Großbritannien und Finnland entdeckt, wie Forscherinnen und Forscher in einem Artikel in der Fachzeitschrift «Eurosurveillance» der EU-Gesundheitsbehörde ECDC schreiben. 

Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte bereits im vergangenen Jahr mit, dass die Funde in Deutschland in allen sieben regelmäßig untersuchten Städten auftraten, nämlich in München, Bonn, Köln, Hamburg sowie in Dresden, Düsseldorf und Mainz. In Finnland und Spanien war hingegen nur jeweils eine von fünf beziehungsweise zwei Probeentnahmestellen betroffen. In Polen waren es zwei von acht, in Großbritannien vier von zwölf. An einigen Orten wurden bei verschiedenen Messungen wiederholt Funde gemacht.

«Ein Weckruf»

Alle Stämme der Erreger seien genetisch miteinander verbunden gewesen, schrieben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Instituten und Behörden der besagten Länder sowie dem Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO. Man müsse anhand der gesammelten Erkenntnisse eine breitere geografische Ausbreitung über die betroffenen Messstellen hinaus in Betracht ziehen, schrieben die Forscher, die von «einem Weckruf» sprachen.

Die Erreger, die entdeckt wurden, sind nicht der Wildtyp des Poliovirus, sondern stammen von Viren, die aus der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Erregern stammen. In Deutschland und den anderen betroffenen Ländern wird diese Schluckimpfung nicht mehr durchgeführt. Die Forscher schließen daraus, dass die Viren höchstwahrscheinlich aus anderen Ländern eingeschleppt wurden, in denen diese Impfungen noch verwendet werden. Dies ist hauptsächlich in Afrika und Asien der Fall.

Besorgniserregende Zahlen beim Impfschutz

Polio ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die dauerhafte Lähmungen verursachen oder sogar tödlich sein kann. Sie wird auch Kinderlähmung genannt, da der Erreger früher so verbreitet war, dass die meisten Menschen bereits im Kindesalter damit in Kontakt kamen. Das Virus wird häufig durch verunreinigtes Wasser übertragen. Bisher gibt es keine Therapie dagegen. Durch Impfkampagnen konnte die Krankheit in den meisten Ländern der Welt ausgerottet werden.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) und das RKI wiesen kürzlich darauf hin, dass nur 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland vollständig gegen Polio geimpft sind, obwohl die Grundimmunisierung bis zum Alter von zwölf Monaten abgeschlossen sein sollte. Versäumte Impfungen werden zwar häufig nachgeholt, dennoch sind laut Experten nur 77 Prozent der Kinder im Alter von zwei Jahren vollständig geimpft.

Gemäß des RKI können Personen, die nicht geimpft oder nicht vollständig geimpft sind, sich mit Polioviren infizieren, die vom Schluckimpfstoff stammen, und gelegentlich an Kinderlähmung erkranken.

dpa