Jahrelang musste Europas Raumfahrt auf die Ariane 6 warten, steckte zwischendurch sogar in einer Krise der Trägerraketen. Nun steht der erste kommerzielle Start der Rakete an. Warum ist er wichtig?
Europas Ariane-6-Rakete steht vor kommerziellem Erstflug
Europas neue Trägerrakete Ariane 6 steht vor einem bedeutenden Meilenstein: Am Montag um 17:24 Uhr deutscher Zeit ist der erste kommerzielle Start der Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana geplant. Die Rakete ist entscheidend für einen unabhängigen europäischen Zugang ins All. Mit ihr kann Europa eigenständig größere Satelliten in den Weltraum transportieren.
Besonderes Augenmerk auf erstem kommerziellem Flug
Der erste kommerzielle Flug, bei dem die Rakete einen Satelliten für die französische Luftwaffe in etwa einer Stunde 800 Kilometer weit ins All bringen soll, wird gespannt verfolgt werden. Denn obwohl der Erstflug des Raketentyps im vergangenen Sommer größtenteils erfolgreich verlief, schlug eine erneute Zündung eines Triebwerks in der Testphase am Ende des Fluges fehl.
Die Europäische Weltraumorganisation ESA und ihre Partner erklärten, dass eine gemessene Temperatur den Grenzwert überschritten habe und dies dazu führte, dass das System gestoppt wurde, das die Zündung eines Hilfstriebwerks hätte auslösen sollen.
Der Prozess wurde dann überarbeitet. Es sollte daher besonders genau beobachtet werden, ob die drei Zündungen der Oberstufe nun wie geplant funktionieren.
Es wird jedoch auch viel Interesse am Start einer anderen Rakete geben: Die europäische Vega C, die dazu bestimmt ist, kleinere Satelliten ins All zu bringen, hat ihren Erstflug im Sommer 2022 erfolgreich absolviert. Allerdings scheiterte der erste kommerzielle Start mehrere Monate später.
Die Rakete kehrte erst im Dezember letzten Jahres nach einer Pause von fast zwei Jahren zur Startrampe zurück. Ihr Ausfall zusammen mit den Verzögerungen bei der Ariane 6 führte zeitweise zu einer Krise im europäischen Trägerraketen-Sektor.
Ariane 6 startete vier Jahre später als geplant
Ursprünglich sollte die Ariane 6 tatsächlich bereits 2020 starten. Es kam jedoch immer wieder zu Verzögerungen, und letztendlich startete sie mit einer vierjährigen Verspätung. Dies war problematisch, da ihr Vorgänger, die Ariane 5, bereits seit etwa einem Jahr nicht mehr im Einsatz war. Die ESA griff teilweise auf Falcon-9-Raketen des US-Unternehmens SpaceX zurück.
Die Ariane 6 soll Satelliten für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber ins All transportieren und ist im Vergleich zu ihrer Vorgängerin wesentlich kostengünstiger. Je nach Mission kann die flexible und modulare Rakete mit zwei oder vier Boostern ausgerüstet werden. Beim Erstflug im vergangenen Juli und auch jetzt ist die Ariane 6 mit zwei Boostern ausgestattet. Ende des Jahres ist geplant, dass sie erstmals mit vier Boostern startet.
Die Rakete hat die Kapazität, bis zu 11,5 Tonnen Nutzlast in höhere und bis zu 21,6 Tonnen in niedrigere Umlaufbahnen zu befördern. Mit der Fähigkeit, die Oberstufe mehrfach zu zünden, kann die Ariane 6 Satelliten in verschiedene Positionen und Umlaufbahnen bringen.
Modern trotz Verzögerungen?
Trotz der Verzögerung ist die Ariane 6 laut ESA den aktuellen Anforderungen gewachsen. Raumfahrtexperte Martin Tajmar von der TU Dresden ist jedoch der Meinung, dass die Rakete nicht auf der Höhe der Zeit ist.
Mit Blick auf das US-Raumfahrtunternehmen SpaceX sagt Tajmar: «2015 ist das erste Mal die Falcon-9-Rakete erfolgreich wieder gelandet und hat quasi das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt gegründet, wo natürlich alle anderen jetzt dann komplett alt ausschauen.» Erst die Rakete, die irgendwann die Ariane 6 ablöst, soll wiederverwendbar sein.
Auch wenn die Ansichten darüber, wie modern und wettbewerbsfähig die Ariane 6 ist, auseinandergehen, bleibt ihre wichtigste Aufgabe unbestritten: Europa einen eigenen Zugang zum All zu ermöglichen und damit die Unabhängigkeit zu gewährleisten.
Beim Bau der Ariane 6 waren ungefähr zwölf Länder beteiligt. Die Oberstufe wurde in Bremen zusammengebaut, die Tanks der Oberstufe und Teile des Triebwerks stammen aus Augsburg beziehungsweise Ottobrunn. In Lampoldshausen in Baden-Württemberg wurde das Vinci-Triebwerk getestet. Deutschland ist nach Frankreich der wichtigste Geldgeber unter den Esa-Ländern und hat etwa 20 Prozent der rund vier Milliarden Euro hohen Kosten der Rakete übernommen.