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Europas Hoffnungsträger: Ariane-6-Rakete kurz vorm Abflug

Ein Jahrzehnt des Wartens endet: Die neue Trägerrakete Ariane 6 steht vor ihrem Jungfernflug. Bei dem Start geht es um Europas Rolle im All – und vor allem Unabhängigkeit.

Die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 soll am 9. Juli in den Weltraum fliegen.
Foto: Manuel Pedoussaut/ESA/dpa

Zehn Jahre lang hat Europa auf sie gewartet. Jetzt soll die neue Trägerrakete Ariane 6 endlich ins All fliegen. Für Europa bedeutet dies, einen eigenen Zugang zum All zu haben – zumindest für Satelliten. Wenn die Ariane 6 am Dienstag ihren Erstflug absolviert, überwindet der Kontinent die schwere Krise seines Trägerraketensektors. Zumindest verspricht dies die neue Rakete, die kommerziell nicht mit allen Konkurrenten mithalten kann.

Vor etwa einem Jahr startete die Ariane 5, der Vorgänger der Ariane 6, zum letzten Mal ins All. Seitdem konnte Europa keinen einzigen Satelliten alleine ins Weltall bringen. Nach dem gescheiterten kommerziellen Start der Vega C Ende 2022 blieb auch die für kleinere Satelliten konzipierte Rakete am Boden. Aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine stand auch die Sojus-Rakete nicht mehr zur Verfügung. Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA kooperierte teilweise mit dem US-Unternehmen SpaceX von Elon Musk.

Entsprechend wichtig ist nun ein erfolgreicher Erstflug der neuen Ariane, der am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana startet. Vom Raketenbauer ArianeGroup heißt es zwar, in gewisser Weise sei der erste Flug der ultimative Testflug. Doch der Raumtransportdirektor der Esa Toni Tolker-Nielsen ist überzeugt: «Es wurde alles getan, damit es ein Erfolg wird. Wenn es scheitert, wäre das wirklich schlimm.»

Laut Esa-Chef Josef Aschbacher bedeutet die Ariane 6 eine neue Ära der autonomen und vielseitigen Raumfahrt. Die Rakete ist kostengünstiger als ihre Vorgängerin und soll die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Raumfahrt erhöhen. Sie ist in der Lage, Satelliten in verschiedene Orbits zu transportieren und somit auch Konstellationen ins All zu bringen. Je nach Bedarf kann die Rakete mit zwei oder vier Boostern ausgerüstet werden und Satelliten mit einem Gewicht von bis zu 11,5 Tonnen befördern.

Etwa zwölf Länder haben an der Konstruktion der 56 Meter hohen und 540 Tonnen schweren Ariane 6 mitgearbeitet. Die Oberstufe der Rakete wurde im Werk der ArianeGroup in Bremen montiert. Die Hauptstufe wird in Les Mureaux, Frankreich, hergestellt.

Fracht aus Deutschland beim Erstflug

Frankreich trug den größten Teil der Finanzierung der Ariane 6 unter den Esa-Ländern, während Deutschland mit etwa 20 Prozent der zweitgrößte Geldgeber war. Beim knapp dreistündigen Erstflug waren auch technische Passagiere aus Deutschland an Bord, darunter die Raumkapsel Nyx Bikini von The Exploration Company sowie die Satelliten OOV-Cube von RapidCubes und Curium One von Planetary Transportation Systems.

Doch wie modern ist die 2014 beschlossene Ariane 6 eigentlich, die ursprünglich bereits 2020 hätte starten sollen? Esa-Chef Aschbacher zufolge entspricht sie den aktuellen Herausforderungen und ist an die zukünftigen Ambitionen anpassbar. Fragt man hingegen den Raumfahrtexperten Martin Tajmar von der TU Dresden, ob die europäische Rakete auf der Höhe der Zeit ist, antwortet er: «Das kann man vergessen.» Er verweist auf ein Produkt von SpaceX: «2015 ist das erste Mal die Falcon-9-Rakete erfolgreich wieder gelandet und hat quasi das Zeitalter der wiederverwendbaren Raumfahrt gegründet, wo natürlich alle anderen jetzt dann komplett alt ausschauen.» Doch die langwierigen Entscheidungsprozesse bei der Esa könne man auch nicht mit der Arbeitsweise von SpaceX vergleichen.

Tajmar meint, dass das Wichtigste an der Ariane 6 sei, dass sie den Zugang zum Weltall wiederherstelle, der ja auch einer der Uraufträge der europäischen Raumfahrt sei. Außerdem gehe es darum, eine Alternative anzubieten, auch wenn diese nicht die günstigste sei. «Es ist wirklich ein schwieriges Umfeld, in dem man sich da befindet.» Selbst die Mitgliedstaaten der Europäischen Agentur für meteorologische Satelliten Eumetsat entschieden sich noch wenige Tage vor dem Erstflug der Ariane 6, den Wettersatelliten Meteosat MTG-S1 nicht an Bord einer Ariane 6, sondern mit einer Falcon 9 ins All zu bringen.

Auch wenn die Ariane 6 dem Raumfahrtexperten zufolge vor allem für den europäischen Eigenbedarf gedacht ist, sind bereits Aufträge mit der neuen Rakete vermerkt, auch für den Internetriesen Amazon. Der erste kommerzielle Flug mit einer Ariane 6 soll noch vor Jahresende geschehen. «Wie wir mitspielen, ist wieder was anderes, aber wir können mitspielen und wir sind ein Partner. Das muss uns etwas wert sein», sagte Tajmar.

dpa