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Experte fordert Überarbeitung der Skalen für Sonnenstürme

Weltraumwetter-Experte plädiert für neue Warnsysteme, um Superstürme angemessen zu erfassen und potenzielle Gefahren zu kommunizieren.

Dieses Nordlicht (Aurora borealis) wurden durch eine Wolke elektrisch geladener Teilchen eines Sonnensturms in der Erdatmosphäre erzeugt.
Foto: Patrick Pleul/dpa

Vor etwa einem Monat gab es starke Aktivitäten auf der Sonne, die zu den stärksten Sonnenstürmen seit 20 Jahren führten – sie erreichten auf der Skala mit G5 die höchste Stufe.

Nun fordert ein britischer Weltraumwetter-Experte im Fachblatt «Nature» eine Überarbeitung der Skalen: Diese ließen keinen Platz für einmal im Jahrhundert auftretende Superstürme – obwohl diese eine durchaus drohende Realität seien.

Im Mai faszinierten spektakuläre Polarlichter viele Menschen auf der ganzen Welt – ein Ergebnis der ungewöhnlich starken Sonnenaktivität. Diese führte jedoch nicht nur zu farbenfrohen Naturphänomenen, sondern auch zu Störungen bei Satelliten, wie bei der europäischen Raumfahrtbehörde ESA, und den Internetverbindungen von Starlink.

In Nordamerika klagten Landwirte über einen Ausfall des satellitengestützten Navigationssystems GPS, wie etwa die «New York Times» berichtete. Sie mussten demnach ihre Aussaat unterbrechen, da sie das System bei der Arbeit auf den Feldern nutzen.

Einfache Skalen für ein kompliziertes Phänomen

Eben jene Phänomene veranschaulichen für den Weltraumwetter-Forscher Sean Elvidge ein Dilemma, mit dem sich seine Fachrichtung konfrontiert sehe: «Wie können wir wirksame Warnungen herausgeben und kommunizieren, wenn selbst ein so bedeutender Sturm nur wenig am Leben der meisten Menschen ändert?» Ein Teil des Problems liege darin, wie Weltraumwetter klassifiziert werde, so Elvidge, der an der britischen Universität Birmingham forscht. «Die derzeitigen Systeme sind vereinfacht, das Weltraumwetter ist es nicht.»

Die Intensität von Sonnenstürmen wird vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in drei jeweils fünfstufigen Kategorien angegeben: – R für Radiostörungen, ausgelöst durch Röntgenblitze – S für Strahlungseffekte, verursacht durch hochenergetische Teilchen – G für geomagnetische Effekte, ausgelöst durch Plasmawolken.

Solche Skalen sind laut Elvidge von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, Industrie und Regierungen das Risiko durch Weltraumwetter zu deutlichen. «Aber sie sind überholungsbedürftig», meint Elvidge angesichts jenes geomagnetischen Sturms, der die Polarlichter im Mai verursachte. Der war als G5, also extrem, eingestuft worden. «Dieser Sturm wurde durch eine rasche Abfolge von mindestens sieben koronalen Massenauswürfen ausgelöst», schreibt der Experte. «Als diese mit dem Magnetfeld der Erde kollidierten, komprimierten und störten sie es und lösten so geomagnetische Stürme aus.»

Kein Raum für Superstürme auf der Skala

Elvidge erklärt in seinem Meinungsartikel, dass der Sturm durch viele Faktoren wie Geschwindigkeit, Masse, Dauer und magnetische Ausrichtung der koronalen Massenauswürfe beeinflusst wurde. Gerade die lange Dauer mache den Mai-Sturm zu einem außergewöhnlichen Ereignis: «Wenn ein Ereignis wie das vom Mai, das als «extrem» eingestuft wird, nur zu minimalen offensichtlichen Störungen führt, wie sollen dann die Risiken eines noch stärkeren Sturms, der einmal in 100 Jahren auftritt, vermittelt werden?»

Laut dem Weltraumwetter-Forscher stellt ein solcher Supersturm ein drohendes Szenario dar – mit schwerwiegenden Auswirkungen, deren Kosten sich auf Milliarden US-Dollar belaufen könnten. Elvidge führt Stromnetze, Satelliten sowie Funksignale für Luftfahrt, Schifffahrt und Notdienste als Bereiche an, die von einem solchen Extremsturm beeinträchtigt werden könnten.

Es gibt bereits Vorschläge, um die Schwere solcher Stürme angemessen zu vermitteln, wie die Erweiterung der bestehenden Skalen oder die Einführung neuer Phänomene wie der Strahlungsdosierung oder der Ausbreitung von Radiowellen in der oberen Erdatmosphäre.

Elvidge selbst plädiert für ein Ampel-System, das vor allem diejenigen schnell informiert, die in erster Linie betroffen sein könnten: «So könnten beispielsweise gelbe Weltraumwetter-Warnungen Branchen wie die Luftfahrt und die Landwirtschaft warnen, die von kleineren geomagnetischen Stürmen betroffen sein könnten. Eine orangefarbene Warnung könnte Nutzer wie Stromnetz- und Radarbetreiber auffordern, vorbeugende Maßnahmen zum Schutz ihrer Dienste zu ergreifen und sich auf Unterbrechungen vorzubereiten. Eine rote Warnung würde signalisieren, dass gefährliches Weltraumwetter zu erwarten ist, dessen potenziell erhebliche Auswirkungen sofortiges Handeln erfordern, und dass Energieversorger, Satellitenbetreiber und Notdienste unverzüglich Notfallpläne umsetzen müssen.»

Es wird vorgeschlagen, dass Weltraumwetter-Zentren weltweit gemeinsam einen einheitlichen Ansatz zur Verbesserung von Weltraumwetter-Berichten und Reaktionsstrategien diskutieren und vereinbaren sollten.

«Während wir uns auf dem Höhepunkt des Sonnenzyklus befinden, ist es wichtig zu erkennen, dass das Weltraumwetter unser tägliches Leben beeinflusst», betont Elvidge. Tatsächlich schwankt die Aktivität der Sonne in einem etwa elfjährigen Zyklus. Der aktuelle Zyklus hat gerade sein Maximum – ein solches dauert ein paar Jahre und geht mit relativ vielen Sonneneruptionen einher. Elvidge schreibt: «Durch die Verfeinerung der Klassifizierungs- und Meldesysteme können Wissenschaftler die öffentliche Wahrnehmung besser mit der Realität in Einklang bringen und sicherstellen, dass wir weder falschen Alarm schlagen noch unvorbereitet sind.»

dpa