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Anstieg von Ringelröteln in Deutschland und EU

Gemeldete Fälle seit Jahresbeginn stark gestiegen. Besonders Schwangere gefährdet durch B19V-Infektionen und fetale Komplikationen.

Zusätzlich zum typischen Hautausschlag können bei Ringelröteln auch weitere Symptome wie Fieber, Unwohlsein oder Kopfschmerzen auftreten.
Foto: Annette Riedl/dpa

Die Anzahl der gemeldeten Fälle von Ringelröteln ist seit Anfang des Jahres in Deutschland und mehreren anderen EU-Staaten deutlich angestiegen. Laut Martin Enders vom Konsiliarlabor für Parvoviren in Stuttgart gab es bereits zwischen Januar und März einen deutlichen Anstieg der Inzidenz, obwohl Infektionen mit dem Parvovirus B19 (B19V) normalerweise im Frühjahr und Frühsommer vermehrt auftreten. Eine Infektion stellt insbesondere für Schwangere ein Risiko dar.

Aufgrund der sehr hohen Inzidenz werden vermehrt B19V-bedingte fetale Komplikationen in der Schwangerschaft wie Fehlgeburten (Aborte) und Flüssigkeitsansammlungen (Hydrops) gemeldet, sagt Enders. Für die ersten drei Monate des Jahres wurden folgende nicht repräsentative Fallzahlen, diagnostiziert im Stuttgarter Labor (Stand: 26. April), verzeichnet: mehr als 120 Fälle im Januar, etwa 150 im Februar und mehr als 240 im März. Die Komplikationen treten laut Enders am häufigsten bei Infektionen vor der abgeschlossenen 20. Woche auf.

Einmal erkrankt – für immer immun

Ringelröteln sind äußerst ansteckend. Die Ansteckung erfolgt durch erregerhaltige Tröpfchen, die beim Husten, Niesen oder durch verunreinigte Hände verbreitet werden. Auch über Schmierinfektionen – möglicherweise sogar über Türklinken – können sich die Viren ausbreiten. Bei den meisten Erwachsenen und Kindern treten Grippesymptome wie leichtes Fieber und eine Schwellung der Lymphknoten auf. Der typische Hautausschlag entwickelt sich nicht immer.

Diejenigen, die noch nicht an Ringelröteln erkrankt sind, sind gefährdet. Wer die Infektion überstanden hat, ist lebenslang immun und erkrankt nicht erneut. Schwangere stecken sich laut Enders am häufigsten bei Kindern an, meist zu Hause oder durch berufliche Exposition.

Fehl- oder Frühgeburt drohen

Schwangere Frauen können die Ringelröteln-Erreger unbemerkt an ihr ungeborenes Kind weitergeben. Die Viren gelangen über die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes und können blutbildende Zellen infizieren, was zu einer Blutarmut beim ungeborenen Kind führen kann. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr einer Fehl- oder Frühgeburt, insbesondere in den ersten Schwangerschaftsmonaten.

«Manche Schwangere zeigen zwar typische Symptome wie Husten, Schnupfen und danach auch einen Ausschlag. Dies ist aber nicht immer der Fall», sagt der Bundessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen, Jakob Maske. Es gebe kaum ähnliche Erkrankungen, die zu so einem spezifischen Ausschlag führten wie dem bei Ringelröteln. «Es gibt natürlich mal allergische Reaktionen, die ähnlich aussehen können. Die haben aber meistens noch andere Symptome.»

Schon mal infiziert? Ein Test zeigt das

Auch Karl Oliver Kagan, Leiter der Pränatalen Medizin an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, erwähnt, dass derzeit viele Schwangere, die sich mit dem Parvovirus B19 infiziert haben, zur Behandlung oder Überwachung in die Klinik kommen. Es ist jedoch unklar, wie viele Personen tatsächlich infiziert sind, da nicht alle Betroffenen Symptome entwickeln.

“Schwangere, die herausfinden möchten, ob sie in der Vergangenheit bereits an Ringelröteln erkrankt waren und möglicherweise immun sind, können sich testen lassen – zum Beispiel, wenn sie Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Bei diesem Test wird nach Antikörpern gegen das Parovirus B19 und gegebenenfalls nach Virus-Erbgut im Blut gesucht.”

Kaum Handlungschancen in den ersten Wochen

Laut Kagan geht man davon aus, dass sich etwa zehn Prozent der Ungeborenen infizieren, wenn die Mutter an Ringelröteln erkrankt ist. Schwangere, die sich in der ersten Hälfte der Schwangerschaft infiziert haben, sollten untersuchen lassen, ob die Infektion zu einer kindlichen Blutarmut führen kann.

«Im Falle einer Blutarmut benötigt das Ungeborene eine Blutkonserve, die von außen über die Nabelschnur verabreicht werden kann. Angesichts des geringen Durchmessers der Nabelschnur ist diese Therapie herausfordernd und eigentlich erst ab der 16. Schwangerschaftswoche möglich», sagt Kagan. Nachdem in den vergangenen Jahren kaum Transfusionen aufgrund von Ringelröteln-Infektionen in der Tübinger Frauenklinik durchgeführt werden mussten, seien es jetzt etwa zwei pro Woche.

In den ersten Schwangerschaftswochen gebe es keine Möglichkeit, eine Infektion beziehungsweise die Blutarmut des Embryos nachzuweisen. In manchen Fällen könne im Ersttrimester-Screening in der zwölften oder dreizehnten Schwangerschaftswoche eine Blutarmut erkannt werden, für eine Bluttransfusion sei es aber dann noch zu früh. «Eine Infektion im letzten Drittel der Schwangerschaft stellt für Ungeborene in der Regel keine lebensbedrohliche Gefahr dar», erklärt Kagan.

Woher kommt der Anstieg?

Enders erklärt, dass die außergewöhnlich starke Aktivität darauf zurückzuführen ist, dass während der Pandemie aufgrund von Lockdowns und Hygienemaßnahmen die Fallzahlen sehr niedrig waren und dem Virus nun eine deutlich höhere Anzahl empfänglicher Wirte zur Verfügung steht. “Von Anfang 2020 bis Anfang 2023 hatten wir praktisch drei Jahre lang keine oder nur minimale Aktivität”.

Das heißt, da haben sich eine Menge an Kindern angesammelt, die nicht immun sind und da läuft das jetzt durch», sagt Enders. Mehr Infektionen bei Kindern bedeuteten automatisch mehr Infektionen bei Schwangeren – und damit einhergehend auch häufiger Komplikationen. «Aber ich glaube nicht, dass sich das Virus irgendwie verändert hätte und dass deswegen die Infektionen schwerer verlaufen.»

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC aus Dänemark, Irland, den Niederlanden, Norwegen und Frankreich hat kürzlich einen Anstieg der Zahl der Parvovirus-B19-Infektionen gemeldet. Obwohl eine detaillierte epidemiologische Analyse fehlt, zeigen die Daten erhöhte Infektionsraten in verschiedenen Altersgruppen, insbesondere bei Kleinkindern. Zu den Risikogruppen für schwere Erkrankungen gehören Schwangere sowie Personen mit Bluterkrankungen oder Immunsuppression (Immunschwäche).

dpa