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Faktencheck: Rohmilch für Schwangere?

In sozialen Netzwerken verbreitet sich ein gefährlicher Trend: Schwangere werden dazu aufgefordert, für die Gesundheit ihres Kindes unbehandelte Milch zu trinken. Was sagen Experten dazu?

Eine Frau trinkt ein Glas Milch. Vom Verzehr unbehandelter Rohmilch wird allerdings abgeraten.
Foto: Peter Steffen/dpa

Milch kann ein wertvolles Nahrungsmittel sein: Das enthaltene hochwertige Eiweiß, leicht verdauliches Fett und verschiedene Vitamine sind gut für den Körper. Ein Trend in sozialen Netzwerken greift jene Gesundheitsaspekte für unbehandelte Rohmilch auf und rät Schwangeren dazu, diese zu konsumieren. In diesem Faktencheck wird geprüft, ob das sinnvoll ist.

Behauptung

Es wird empfohlen, dass Schwangere Rohmilch konsumieren, da sie gut für die Schwangerschaft ist.

Bewertung

Experten empfehlen Schwangeren ausdrücklich, unbehandelte Milch zu vermeiden.

Fakten

Weil ihr «ein besonders vollmundiger und aromatischer Geschmack zugesprochen» wird, gebe es Menschen, die Rohmilch bevorzugen, schreibt das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – schickt aber eine Warnung hinterher: Der Konsum sei «nicht ungefährlich».

Die unbehandelte Milch von Rindern, Schafen und Ziegen wird als Rohmilch bezeichnet. Sie wurde weder stärker erhitzt noch streng mikrobiologisch kontrolliert. Durch die fehlende Wärmebehandlung werden eventuell vorhandene Mikroorganismen nicht abgetötet und können sich in der Rohmilch vermehren. Um diese vor dem Verzehr zu entfernen, gibt es seit dem 19. Jahrhundert die Technik der Pasteurisierung (schonende Wärmebehandlung) von Milch.

Laut dem Landesamt für Verbraucherschutz war das Ziel damals, Menschen unter anderem vor Tuberkulose zu schützen, die durch die Milch übertragen werden kann. Dafür wird die Milch 15 Sekunden lang auf eine Temperatur von 72 Grad Celsius erhitzt.

Wärmebehandlung der Milch schützt vor Krankheiten

Was einst die Verbreitung von Tuberkulose bekämpfte, könnte heute beispielsweise die Übertragung des Vogelgrippevirus H5N1 verhindern. Das Virus infiziert derzeit Vögel und auch Säugetiere weltweit. In den USA hat es kürzlich Milchkühe erreicht. Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Gefahr für Menschen noch als gering einschätzt, empfiehlt sie, nur Produkte aus pasteurisierter Milch zu konsumieren und keine Rohmilch.

Des Weiteren können in unbehandelter Milch auch weitere Krankheitserreger wie Salmonellen, Listerien, EHEC und Campylobacter vorkommen. Diese können zu schweren Infektionskrankheiten führen.

Multiresistente Bakterien in jeder zehnten Rohmilch-Probe

Während einer Untersuchung im Auftrag des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden in bis zu fünf Prozent der vor einigen Jahren rund 360 untersuchten Rohmilchproben potenziell gefährliche Keime gefunden. Etwa zehn Prozent der Proben wiesen multiresistente Bakterien auf.

Wer sie aufnimmt, könnte Schwierigkeiten haben. Besonders gefährdet sind empfindliche Personen wie Kleinkinder, ältere Menschen, Personen mit geschwächtem Immunsystem und Schwangere. Laut BVL können die schädlichen Bakterien oder Keime akute Darmentzündungen oder Nierenprobleme verursachen.

Warum Schwangere so gefährdet sind

Während der Schwangerschaft schwächen hormonelle Veränderungen die weibliche Immunabwehr. Werdende Mütter sind dadurch empfänglicher für Infektionen, die auch das Kind gefährden. Besonders schützen sollten sie sich etwa vor Toxoplasmose-Erregern und Listerien, die hauptsächlich durch die Nahrung übertragen werden. Deshalb sollen Schwangere auf rohe tierische Lebensmittel verzichten, rät das Netzwerk «Gesund ins Leben», das vom Bundesernährungsministerium gefördert wird. Dazu gehören Produkte aus Rohmilch, rohes Fleisch und Fisch.

Wer sich unsicher ist, sollte Rohmilch abkochen

Bei Milch aus dem Supermarkt bewegt sich der Verbraucher eigentlich auf sicherem Terrain. Sie wird in Deutschland vor dem Verkauf grundsätzlich wärmebehandelt und ist deshalb nach Angaben des BVL unbedenklich. Wer dagegen Rohmilch von einem Direktvermarkter kauft, sollte diese zu Hause abkochen. Dazu rät auch die Verbraucherzentrale Niedersachsen und gibt eine Anleitung: «Es genügt, die Milch 20 bis 30 Sekunden auf mindestens 72 Grad Celsius zu erhitzen. Sobald die Milch kleine Blasen schlägt und zu schäumen beginnt, nehmen Sie sie vom Herd.»

dpa