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Flüsse tragen weit mehr Quecksilber in Ozeane als 1850

Seit der Industrialisierung ist der Quecksilber-Eintrag in die Meere stark gestiegen. Die Entwicklung hat einer Studie zufolge verschiedene Ursachen. In einer Weltregion hat sich die Lage entspannt.

Abholzung des Regenwalds im Amazonasgebiet in Brasilien.
Foto: Marcelo Sayao/epa efe/dpa

Weltweit transportieren Flüsse heute etwa zweieinhalb Mal so viel hochgiftiges Quecksilber in die Meere wie noch um 1850. Das berichtet ein internationales Forschungsteam aus der Basis von Messwerten und Computermodellen. Hauptquellen des Schwermetalls sind industrielle Prozesse, Metallbergbau, Kleinbergbau bei der Suche nach Gold sowie die Verbrennung von Kohle, wie die Gruppe um Yanxu Zhang von der Tulane University in New Orleans in der Fachzeitschrift «Science Advances» berichtet.

«Quecksilber-Verbindungen sind starke Nervengifte, die die menschliche Gesundheit gefährden, vor allem durch den Verzehr von Fisch», schreiben die Studienautoren. Weil Quecksilber im Boden vorkommt, wird das giftige Metall natürlicherweise durch Bodenerosion in Flüsse eingetragen. Bisher war jedoch nicht bekannt, wie hoch der globale Quecksilber-Eintrag in Fließgewässer ist. «Frühere Studien konzentrierten sich zwar auf die Quecksilber-Konzentrationen in der Atmosphäre, den Böden und im Meerwasser, haben dabei aber Flüsse weitgehend übersehen», wird Zhang in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Anstieg von 390 Tonnen auf 1.000 Tonnen pro Jahr

Die Wissenschaftler haben ihr Modell des vorindustriellen Quecksilberexports aus Flüssen in die Ozeane auf der Quecksilbererosion im Einzugsgebiet und der Transportkapazität der Flüsse basiert. Diese hängt wiederum von der Strömung und Geschwindigkeit des Gewässers ab. Um das Modell zu kalibrieren, haben Zhang und seine Kollegen ihre Simulationsergebnisse für das Jahr 1850 mit den Quecksilberwerten abgeglichen, die in den Sedimentablagerungen einiger Flüsse gemessen wurden. Die simulierten Werte waren tendenziell etwas niedriger als die gemessenen Konzentrationen, was darauf hindeutet, dass das Modell eine eher konservative Schätzung darstellt.

Zu Beginn der Industrialisierung im Jahr 1850 gelangten nach Schätzungen weltweit jährlich etwa 390 Tonnen Quecksilber über Flüsse in die Ozeane. Derzeit sind es laut Berechnungen rund 1.000 Tonnen Quecksilber pro Jahr.

Stärkste Anstiege in Asien und Amerika

«Die Festlegung eines Basiswerts für Quecksilber in Flüssen im vorindustriellen Zeitalter kann als wichtiger Bezugspunkt dienen», betonte Zhang. Daran könne sich die Politik bei der Reduzierung der Freisetzung von Quecksilber orientieren.

Besonders stark stieg die Quecksilber-Menge der Studie zufolge in Flüssen in Südasien und Südostasien sowie in Nord- und Südamerika. «Der Quecksilber-Haushalt des Amazonas beträgt mittlerweile über 200 Tonnen pro Jahr, wobei drei Viertel davon auf menschliche Aktivitäten zurückgehen, hauptsächlich auf Kleinbergbau», erläuterte Zhang. 

Der Forscher betont, dass die starke Abholzung im Amazonasgebiet zu einer verstärkten Bodenerosion führt. Dies führt auch zu erhöhten Quecksilberwerten im Amazonas.

Auch sibirische Flüsse wie der Ob und der Jenissei transportieren relativ viel Quecksilber in den Arktischen Ozean. Vor Kurzem haben Wissenschaftler um Isabel Smith von der University of Southern California in Los Angeles berichtet, dass die Quecksilber-Konzentrationen in den nordamerikanischen Flüssen Yukon und Koyukuk aufgrund des tauenden Permafrostbodens und der dadurch zunehmenden Bodenerosion stark angestiegen sind.

Zhang und seine Kollegen haben jedoch auch Positives zu berichten: Der Quecksilber-Eintrag ins Mittelmeer ist im Vergleich zu 1850 gesunken. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Staudämme im nordafrikanischen Einzugsgebiet des Nil – wie zum Beispiel der Assuan-Staudamm in Ägypten – die von Flüssen transportierten Sedimente zurückhalten.

Quecksilber ist einer der gefährlichsten Giftstoffe überhaupt. Neben dem Immun- und Fortpflanzungssystem schädigt es vor allem das zentrale Nervensystem, wobei ungeborene Kinder besonders empfindlich reagieren. Daher empfehlen die US-Behörden Schwangeren, bestimmte Fischarten aus bestimmten Gebieten zu meiden.

dpa