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Gänseplage in deutschen Städten: Lösungen und Herausforderungen

Städte wie Nürnberg und Köln bekämpfen die wachsende Gänsepopulation mit speziellen Methoden, um Konflikte zu minimieren.

Die Gänse brüten weiter auf den präparierten Eiern, aber es schlüpft nichts.
Foto: Daniel Löb/dpa

Die Kanadagans verlässt schnatternd ihr Nest und flieht auf den See, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Stadt Nürnberg-Mitarbeiter haben den Wasservogel aufgeschreckt. Heute überprüfen sie die Nester auf einer Insel im Wöhrder See östlich der Innenstadt. Einige sind mit einem Kreuz markiert, andere haben ein kleines Einstichloch. Kein Gänseküken wird aus ihnen schlüpfen. Die Fachleute haben die Eier mit einer speziellen Methode unfruchtbar gemacht, um zu verhindern, dass die Gänseschar zur Plage wird.

Der Wöhrder See in Nürnberg zeigt ein Problem, das viele Städte in Deutschland haben. In den warmen Monaten zieht es viele Sonnenanbeter und Sportler an das Ufer des Gewässers. Doch auch Graugänse, Kanadagänse und Nilgänse fühlen sich dort wohl – und hinterlassen ihren Kot am Strand, auf den Liegewiesen und Fußwegen. Laut André Winkel vom städtischen Servicebetrieb Öffentlicher Raum (SÖR) müssten die Flächen teilweise täglich mit speziellen Reinigungsmaschinen gereinigt werden.

Vor allem die invasive Nilgans sorgt regelmäßig bundesweit für Schlagzeilen, weil sie mitunter auch in Freibädern einfällt, wie es nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen in Frankfurt am Main oder im baden-württembergischen Fellbach schon der Fall war. Das Vorkommen der ursprünglich aus Afrika stammenden Nilgans sei seit 2017 stark gestiegen, sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. «Sie ist sehr anpassungsfähig und konkurrenzstark.»

Das sagen die Bestandszahlen

Laut Angaben des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) ist die heimische Graugans mit 42.000 bis 59.000 Brutpaaren die am häufigsten vorkommende Wildgans in Europa. Die Nilgans hat demnach 5.000 bis 7.500 Brutpaare, die ebenfalls eingewanderte Kanadagans 8.500 bis 14.500 Brutpaare. „Der Populationstrend aller drei Arten ist steigend“, sagt Nabu-Experte Martin Rümmler.

«Es ist eine subjektive Wahrnehmung, dass die Nilgans viel häufiger ist als heimische Arten, weil sie oft in Ballungsgebieten vorkommt und gerade dort für Probleme sorgt», betont er. Wie die Nilgans komme die Graugans auch bundesweit vor, vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Süden entlang der Flussniederungen von Rhein und Donau. Die Kanadagans sei wiederum entlang des Rheins, im Ruhrgebiet, in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, in Berlin und in Ballungsgebieten in Bayern anzutreffen.

Warum Städte für Wildgänse so attraktiv sind

Dass sich Wildgänse in Städten besonders gern niederlassen, liegt Rümmler zufolge an mehreren Faktoren: Dort werden sie in der Regel nicht gejagt. Es gibt weniger Beutegreifer wie Füchse, Marder oder Waschbären, die die Küken fressen. Und genügend Futter, weil in Parks und Freibädern den ganzen Sommer über saftig-grünes Gras wächst. «Dazu haben sie keine Scheu und werden, trotz Verbot, leider sehr viel gefüttert», erläutert eine Sprecherin der Stadt Köln, wo Gänsekot in den Grünanlagen ebenfalls für Konflikte sorgt. 

«Tierschutzgerechtes Verfahren»

Vor einigen Jahren eskalierte es wegen der Verschmutzungen in Nürnberg: «Die Bürger gingen auf die Barrikaden», erzählt Winkel. Die Stadt gab die Gänse zum Abschuss frei, machte nach Protesten und einem Shitstorm aber einen Rückzieher und testete stattdessen in einem Forschungsprojekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Behandlung der Gelege. «Wir wollten ein tierschutzgerechtes Verfahren entwickeln, das sich gut in der Praxis umsetzen lässt und effektiv ist», sagt LfL-Gänsemanager Christian Wagner. 

Mittlerweile sind auch in vielen anderen Orten in Bayern speziell geschulte Kräfte für die «Gelegebehandlung» im Einsatz. In Nürnberg ist an dem Tag ein Jäger aus dem nahe gelegenen Herzogenaurach dabei, der sich das Verfahren zeigen lassen will. In der Brutsaison von März bis Mai ist das SÖR-Team dafür ständig am und auf dem See unterwegs: Im vergangenen Jahr galt es, 78 Gelege zu kontrollieren. In diesem Jahr sind es nach einer vorläufigen Auswertung etwas mehr. 

In jedem Gelege lassen die Fachleute jeweils zwei Eier unberührt, die sie mit einem Kreuz markieren. Die übrigen Eier werden in einem speziellen Kasten durchleuchtet, um das Entwicklungsstadium erkennen zu können. «Bis zum 14. Tag kann man diese behandeln», sagt eine Expertin, die nach dem vielen Ärger um die Gänse ihren Namen lieber nicht veröffentlicht sehen möchte. Die Eier werden angestochen und mit einer Kanüle verunreinigt, so dass sie sich nicht mehr entwickeln. Danach kommen alle Eier zurück in das Gelege. 

Auch andere Regionen behandeln Gelege

In Rheinland-Pfalz wird ähnlich vorgegangen, wo entlang des Rheins Wildgänse laut der zuständigen Zentralstelle der Forstverwaltung Feldfrüchte abfressen, Anbauflächen beschädigen, Liegewiesen und Freibäder verschmutzen. Daher hat die obere Jagdbehörde in Ludwigshafen, im Rhein-Pfalz-Kreis und im Landkreis Germersheim das Anstechen von Gänseeiern genehmigt.

«Mit dem Anstechen der Eier soll versucht werden, eine Langzeitwirkung zu erreichen, um den Brutplatz unattraktiver für eine erneute Ansiedlung zu machen», heißt es zur Begründung. Dazu werden die Gänse in der zugelassenen Zeit bejagt, vergrämt und mit Zäunen von bestimmten Flächen ferngehalten. 

Auch Düsseldorf setzt seit Jahren auf das sogenannte Gelegemanagement, Köln seit 2023. Dort werden allerdings alle Eier bis auf ein oder zwei aus den Nestern genommen. In Köln hat sich die Zahl der Gänse der Stadt zufolge seither an den Weihern mit «Gelegemanagement» nicht erhöht. In Düsseldorf blieb die Zahl der Gänse laut der Bilanz in den Parkanlagen 2024 auf dem Niveau des Vorjahres, insgesamt ist ihre Zahl in der Stadt aber gestiegen. Der Anteil der Jungvögel habe bei nur acht Prozent gelegen, hieß es. Der Zuwachs ist demnach darauf zurückzuführen, dass Gänse aus dem Umland zugewandert sein müssen.

Reguliert sich die Natur selbst?

Nabu-Experte Rümmler sieht die Behandlung von Gelegen dennoch kritisch. «Das ist im Vergleich zur Jagd natürlich eine tierschonendere Art, um die Bestände zu regulieren.» Die Ausbreitung der Nilgans werde man dadurch aber nicht verhindern können. «Damit kann man nur regional den Bestand stabil halten. Doch das ist aus Sicht des Nabu eigentlich unnötig, denn die Bestände regulieren sich von selbst.» Wenn an einer Stelle zu viele Wildgänse seien, wanderten diese in andere Gebiete ab und suchten dort nach Nahrung, sagt er.

dpa