Mit der Hitze kommen die Bakterien: Vibrionen können beim Baden schwere Infektionen auslösen. Wer betroffen ist – und wie man sich schützt.
Gefahr durch Vibrionen: Sommerhitze lässt das Risiko steigen
Mit der steigenden Sommerhitze steigt auch das Risiko von Vibrionen-Infektionen in der Nord- und Ostsee. Laut Robert Koch-Institut (RKI) könnten sich bei Wassertemperaturen über 20 Grad, wie sie zuletzt vielerorts gemessen wurden, gefährliche Vibrionen in Oberflächengewässern stark vermehren. Bis Anfang Juli wurden in diesem Jahr mindestens zwei Infektionen gemeldet, die wahrscheinlich auf eine Ansteckung hierzulande zurückzuführen sind (Stand 7.7.).
In Küstenregionen, die flach sind und sich schnell erwärmen, steigt das Risiko für eine vermehrte Bakterienbildung bei höheren Temperaturen signifikant an. Besonders betroffen ist die Ostsee aufgrund ihres niedrigen Salzgehalts.
Menschen mit offenen Wunden oder geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Die Infektionen werden mit Antibiotika behandelt, die idealerweise frühzeitig eingesetzt werden sollten.
Wie viele Fälle gibt es?
Seit 2020 müssen in Deutschland Infektionen mit Nicht-Cholera-Vibrionen (NCV) gemeldet werden. Im vergangenen Jahr wurden vom RKI 42 Fälle erfasst, die wahrscheinlich auf Ansteckungen im Inland zurückzuführen sind. Viele dieser Fälle wurden mit einem Infektions- oder Wohnortkreis an der Ostseeküste angegeben.
Es kann gelegentlich zu Todesfällen kommen, insbesondere bei Personen mit schweren Vorerkrankungen.
Kann ich mich nur im Meer anstecken?
Vibrionen sind dem RKI zufolge vor allem in salzhaltigen Gewässern in Küstennähe wie Flussmündungen, Buchten, Bodden und Brackwässern zu finden. Aber: «Vibrionen werden auch in leicht salzhaltigen Binnengewässern nachgewiesen, wie sie vielerorts in Deutschland zu finden sind.» Das Risiko durch das Baden in Seen oder Teichen werde bisher oft vernachlässigt.
Im Strandsolbad Staßfurt und im Naturbad Angersdorfer Teiche in Sachsen-Anhalt können Massenvermehrungen der Bakterien auftreten, was in den vergangenen Jahren zu schweren Infektionen führte, wie das Landesamt für Verbraucherschutz berichtet.
Was kann passieren?
Nicht-Cholera-Vibrionen im Badewasser können zu rasch voranschreitenden Wundinfektionen und – in seltenen Fällen – zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen. Auch Ohrentzündungen sind denkbar.
Besonders gefährlich sind Wundinfektionen mit der Art Vibrio vulnificus, die innerhalb kürzester Zeit zu tiefgreifenden Nekrosen des Gewebes führen können, wie es vom RKI heißt. «Hier kann bereits eine sehr geringe Bakterienanzahl genügen, um eine Wundinfektion hervorzurufen.» Eine daraus resultierende Sepsis könne in sehr kurzer Zeit zum Tod durch multiples Organversagen führen.
Menschen mit Wunden oder frisch gestochenen Tätowierungen sollten vorbeugend das Baden in betroffenen Gewässern vermeiden, besonders wenn sie an Vorerkrankungen leiden oder ein geschwächtes Immunsystem haben.
Werden Urlauber vor besonders vielen Vibrionen im Wasser gewarnt?
Laut dem aktuellen Epidemiologischen Bulletin des RKI wird in der EU-Badegewässerrichtlinie bisher keine Prüfung auf Vibrionen gefordert. Es wird derzeit darüber diskutiert, ob neue Regelungen wie amtliche Grenzwerte für abgestufte Handlungsempfehlungen eingeführt werden sollten.
Einige Bundesländer mit Badegewässern, die bekannt für das Vorkommen von Vibrionen sind, untersuchten die Belastung vor allem in den Sommermonaten bereits. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel analysiert stichprobenweise Wasserproben an der Ostseeküste. «Im Falle einer erhöhten Gefahrenlage werden dann Warnungen durch die Landesbehörde ausgesprochen.»
Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC bietet die interaktive Karte «Vibrio Map Viewer» für die Nord- und Ostsee an. Dafür wird das aktuelle Risiko für Massenvermehrungen aus Oberflächentemperaturen und Salzgehalt errechnet. «Dieses Instrument zeigt eindrucksvoll das steigende Risiko des Vorkommens von humanpathogenen Vibrionen im Wasser im Verlauf von heißen Sommermonaten an den Küsten Deutschlands und angrenzender Nachbarländer», heißt es vom RKI.
Steigt das Risiko im Zuge des Klimawandels?
Ja. Da sich Vibrionen erst ab etwa 20 Grad Wassertemperatur stark vermehren, spielt es eine große Rolle, dass sich die Gewässer im Zuge der Klimakrise erwärmen. «Häufigere und längere Wärmeperioden, wie sie zukünftig auch in nördlichen Breitengraden zu erwarten sind, begünstigen das Vorkommen von NCV sowohl in deutschen Küsten- als auch in Binnengewässern», heißt es vom RKI.
Die Ostsee, die aufgrund ihres niedrigen Salzgehalts ohnehin ein idealer Lebensraum für Vibrionen sei, sei eines der sich am schnellsten erwärmenden Meeresökosysteme weltweit.
Hinzu komme eine mögliche Erhöhung der Salzkonzentration in flachen Badegewässern durch verstärkte Verdunstung. In der Folge könnten immer mehr Gewässer optimale Lebensbedingungen für Vibrionen bieten. «Eine klimabedingte Verlängerung der Saison, in der mit hohen NCV-Konzentrationen gerechnet werden muss, verlängert zudem auch die Phase, in der Menschen mit den Erregern in Kontakt kommen können.»
Es wird erwartet, dass die Infektionszahlen in den kommenden Jahren weiter steigen.
Sind Vibrionen etwas Ungewöhnliches?
„Nein. Vibrio-Bakterien sind weltweit ein natürlicher Bestandteil mikrobieller Meer- und Süßwassergemeinschaften. Mehr als 150 Arten sind nach RKI-Angaben bekannt, wovon etwa ein Dutzend dem Menschen schaden können. Die bekannteste Spezies ist Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera. Er ist vor allem in Ländern mit einem Mangel an sauberem Trinkwasser ein Problem.“
In Deutschland ist dieses Bakterium hauptsächlich bei Reiserückkehrern relevant. Im Februar wurden jedoch Cholerafälle gemeldet, die durch importiertes, mit den Bakterien verunreinigtes Quellwasser aus Äthiopien verursacht wurden, wie es im RKI-Bulletin steht. Einer der drei Patienten musste intensivmedizinisch behandelt werden, aber alle haben sich erholt. Es gab bereits ähnliche Infektionen, die auf importierte Lebensmittel zurückzuführen waren.