Forschergruppe um Nitin Ravinder verzeichnet jährlichen Verlust von 196 Kubikkilometern Eis, mit Schwankungen zwischen 4 und 464 Kubikkilometern.
Grönländischer Eisschild schmilzt: Forscher messen dramatischen Rückgang
Der Grönländische Eisschild ist von September 2010 bis August 2022 um jährlich durchschnittlich 196 Kubikkilometer geschrumpft. Dabei schwankte die jährliche Schmelzmenge zwischen 4 und 464 Kubikkilometern, wie eine Forschergruppe um Nitin Ravinder von der englischen Universität Leeds im Fachjournal «Geophysical Research Letters» schreibt.
Das Grönländische Inlandeis ist – nach dem antarktischen Eisschild – der zweitgrößte Eispanzer der Erde. Die Wissenschaftler werteten erstmals Höhenmessungen der Satellitenmissionen CryoSat-2 der europäischen Weltraumorganisation Esa und ICESat-2 der US-Weltraumbehörde Nasa vergleichend aus.
Messungen mit zwei verschiedenen Verfahren
CryoSat-2 misst mit Radar die Höhe des Eises auf dem Grönländischen Eisschild, während ICE-Sat-2 dies per Laser tut. Radar hat den Vorteil, dass es Wolken durchdringt und somit auch bei bewölktem Himmel genutzt werden kann.
Die genutzten Radarfrequenzen dringen bis zu zehn Meter in Schneeoberflächen ein, was die Messung relativ ungenau macht und durch Korrekturrechnungen verbessert werden muss. Der Laser hingegen misst präzise die Schnee- und Eisoberfläche – jedoch nur bei nahezu wolkenlosem Himmel. Seit dem Start der ICESat-2-Mission 2018 werden beide Systeme parallel gemessen.
Ravinder und seine Kollegen haben herausgefunden, dass die Messungen mit den beiden Technologien nur geringfügig voneinander abwichen: Im inneren Bereich des Eisschildes lagen sie nur um 0,2 Zentimeter pro Jahr auseinander. In der Schmelzzone am Rand des Eisschildes, wo es im Winter einen größeren Eiszuwachs und im Sommer einen Eisverlust gibt, betrug der Unterschied 3,3 Zentimeter pro Jahr.
Insgesamt machen die Unterschiede nur etwa sechs Prozent des beobachteten Trends aus. «Wir freuen uns sehr über die Entdeckung, dass CryoSat-2 und ICESat-2 so eng miteinander übereinstimmen», betonte Ravinder.
Wasserverlust entspricht fast dem Volumen des Victoriasees
Die Forscher stellten fest, dass die durchschnittliche Eisdicke von 2018 bis 2022 um 11,6 Zentimeter pro Jahr über den gesamten Eisschild abnahm. Allerdings war dieser Rückgang nicht gleichmäßig verteilt: Im Zentrum waren es nur 6,3 Zentimeter, während es an den Rändern 54,3 Zentimeter waren, also etwa neunmal mehr.
Die Forscher haben für den Zeitraum von 2010 bis 2022 einen durchschnittlichen jährlichen Eisverlust von 79 Kubikkilometern im Innenbereich und 117 Kubikkilometern in den Randbereichen berechnet.
Die gesamten 196 Kubikkilometer pro Jahr führen zu einem Volumenverlust von 2.352 Kubikkilometern über den gesamten Untersuchungszeitraum. Dies entspricht fast dem Volumen des größten afrikanischen Sees, dem Victoriasee, mit 2.760 Kubikkilometern.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 hat das Abschmelzen des grönländischen Eises seit 1992 zu einem Anstieg des globalen Meeresspiegels um 13,6 Millimeter geführt. Nach Angaben der Esa würde ein vollständiges Abschmelzen dieses Eisschildes den Meeresspiegel um etwa sieben Meter ansteigen lassen.