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Harte Nuss: Kampf um rote Eichhörnchen in Wales

Dass es in Großbritannien graue Eichhörnchen gibt, entzückt viele Touristen. Tatsächlich aber sind die süßen Nager eine Gefahr – für ihre roten Artgenossen. Ein Mann will helfen.

Rote Eichhörnchen werden in Großbritannien zunehmend verdrängt. (Archivbild)
Foto: Danny Lawson/PA Wire/dpa

Der Gegner trägt grau. Flink und ziemlich klein ist er in der Überzahl – geschätzt 16 zu 1. Ein Mann, der sich dem Eindringling entgegenstellt, stapft nun mit einem Sack Nüsse durch einen walisischen Wald davon. Craig Shuttleworth hat ein – zugegeben seltsames – Ziel: Die grauen Eichhörnchen auf der Insel Anglesey zu fangen. Nur dann, meint er, seien ihre roten Verwandten in Sicherheit. Es ist der Krieg der Klettermeister – und Shuttleworth ist mittendrin.

Viele deutsche Touristen finden die niedlichen grauen Nager in Großbritannien faszinierend. Im Gegensatz zu den roten Eichhörnchen, die sie aus Deutschland kennen, sind die Grauen in den Londoner Parks und den weitläufigen Schlossanlagen des Landes eine Attraktion. Trotzdem stellen sie als invasive Art eine Bedrohung dar.

Die Grauhörnchen (Sciurus carolinensis) aus Amerika wurden über Jahrzehnte in Großbritannien angesiedelt, oft auf herrschaftlichen Anwesen. Erst um 1930 wurde der Schaden bemerkt: Die roten Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) wurden verdrängt.

Die Grauen übertragen das Pockenvirus der Hörnchen, an dem die roten Eichhörnchen erkranken. Infizierte Tiere werden schwächer und fressen weniger. In Wales starben schätzungsweise 80 Prozent der Roten an dem Virus.

Die Grauen schnappen den Roten das Futter weg

Doch auch ohne das Virus zu verbreiten, sind die größeren Grauen eine Gefahr für die Roten. «Graue Tiere können Samen und Nüsse fressen, die nicht reif genug sind, um von den Roten verdaut zu werden, sodass sie das Futter zuerst bekommen», erklären die Behörden. Zudem würden die grauen Eichhörnchen auch erhebliche Schäden an Vogelnestern und Bäumen verursachen. 

Auf dem europäischen Festland gibt es die Grauen unter anderem in Norditalien. Ein befürchteter Vormarsch über die Alpen blieb bisher aber aus. Auch weil die Tiere dort mehr Fressfeinde wie Sperber, Habicht oder Marder haben. «Aktuell gibt es in Deutschland keine Hinweise, dass Grauhörnchen bereits freilebend vorkommen oder unmittelbar zu erwarten sind», schreibt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

In England und Wales gibt es jedoch nur noch wenige Gebiete, in denen sich die Roten halten. Anglesey ist für sie ein Art Zufluchtsort. Und Craig Shuttleworth möchte, dass das auch weiterhin so bleibt.

Der Wissenschaftler von der Universität Bangor in Wales hat eine schwierige Aufgabe vor sich. Anglesey ist groß und bietet viel Platz für die niedlichen Nager. Dank Online-Kameras und aufmerksamer Anwohner versucht er, die Grauhörnchen aufzuspüren. In den Wäldern stellt er Fallen auf und verteilt Nüsse, um die Tiere anzulocken.

Sitzt tatsächlich ein graues Eichhörnchen hinter Gittern, bedeutet dies den Tod. «Es ist illegal, die Grauen wieder in die Freiheit zu entlassen», erklärt der Forscher und verweist auf ein entsprechendes Gesetz. Alternative Methoden wie die Verfütterung von mit Verhütungsmitteln gewürztem Haselnussaufstrich oder der Einsatz von Gentechnologie zur Einschränkung ihrer Fortpflanzung seien noch nicht ausgereift genug für den sofortigen Einsatz.

Auch wenn es erlaubt wäre, die auf der Insel gefangenen Tiere auf dem walisischen Festland freizulassen, würde das kaum etwas ändern. Sie würden schnell zurückkehren. Die beiden großen Brücken, über die auch viele Touristen sowie Durchreisende kommen – von Anglesey aus starten Fähren nach Irland -, erleichtern es den grauen Eindringlingen.

Einige Tiere fahren wahrscheinlich auf Autos oder sogar dem Zug mit. Deshalb stellt Shuttleworth auch auf der Festlandseite seine Fallen auf. Aber die Brücken sind nicht der einzige Weg: Mindestens ein Tier wurde bereits dabei beobachtet, wie es die Menaistraße durchschwamm, den Wasserarm zwischen Festland und Anglesey.

Derzeit gibt es nach Angaben des Wissenschaftlers 16 graue Eichhörnchen auf der Insel. Er hat nicht vor, den Kampf um die Baumkronen aufzugeben. Regelmäßig kontrolliert er die Fallen. Immer wieder melden sich Anwohner, die behaupten, ein graues Eichhörnchen in ihren Gärten gesehen zu haben. Laut Shuttleworth könne jedoch jeder selbst eine Falle aufstellen. Viele zögern jedoch, das gefangene Tier zu töten. Daher setzt er seine Arbeit größtenteils alleine fort. Als Retter der Roten.

dpa