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Hitze in Kuwait: Leben im Backofen, Todesfälle durch Klimawandel

Kuwait kämpft mit extremen Temperaturen, die das Leben im Freien fast unmöglich machen. Hitze und Klimawandel bedrohen die Gesundheit der Bewohner und machen das Land zunehmend unbewohnbar.

Straßenverkäufer wie Ali Habib gibt es in Kuwait draußen wegen der Hitze kaum.
Foto: Johannes Sadek/dpa

Wenn Ali Habib es bei rund 50 Grad Celsius draußen nicht mehr aushält, steht er von seinem Stuhl unter einem Sonnenschirm an einer glühenden Straßenecke auf, setzt sich in sein Auto und lässt ein bisschen die Klimaanlage laufen. Habib, der hier mehr als zwölf Stunden täglich Sonnenblumenkerne an Autofahrer verkauft, weiß, wie er sich anfühlt, so ein Sommer in extremer Hitze. Über Kuwait pustet heiße Luft wie aus einem Backofen. Das Atmen fällt schwer, Haut und Haare erhitzen sich nach Minuten. Wer nicht unbedingt muss, verbringt tagsüber gar keine Zeit im Freien.

Kuwait, geografisch eingezwängt zwischen Saudi-Arabien und dem Irak, wirkt wie ein Vorbote für das Leben im Klimawandel. In Zeiten, in denen sehr heiße Gegenden unbewohnbar werden und sich der Alltag vor allem drinnen abspielt. Temperaturanstiege in den nächsten 50 bis 75 Jahren könnten große Teile des Landes ungeeignet machen für menschliche Besiedlung, schreibt die «Kuwait Times» unter Berufung auf Zahlen der Umweltbehörde. Einer Harvard-Studie zufolge könnten dann 13 von 100 Todesfällen auf den Klimawandel zurückzuführen sein.

«Als würde draußen nicht existieren»

Viele der wohlhabenden Einwohner verlassen ihre klimatisierten Wohnungen und Büros im Sommer nur noch, um in klimatisierten Autos zu klimatisierten Einkaufszentren oder Geschäften und Restaurants zu fahren. «Es ist fast, als würde draußen nicht existieren», sagte die in Kuwait lebende Architektin Scharifa al-Schalfan dem «Guardian». 

In Mitribah außerhalb von Kuwait-Stadt wurde im Jahr 2016 eine Temperatur von 53,9 Grad gemessen, was die weltweit dritthöchste Temperatur ist, die von der Weltwetterorganisation WMO bisher bestätigt wurde. Nur im Death Valley in Kalifornien (56,7 Grad – 1913) und in Kebili in Tunesien (55,0 Grad – 1931) war es noch heißer. Die WMO hält an diesen Daten fest, solange keine gegenteiligen Beweise vorliegen. In Kuwait wurde die 50-Grad-Marke bereits im Mai dieses Jahres überschritten, was seit Jahrzehnten nicht mehr so früh der Fall war.

«Ich komme jeden Tag gegen halb sieben oder sieben», sagt ein 50-Jähriger, der mit grünen Turnschuhen und Cap zum sportlichen Spazieren in die «Avenues» gekommen ist, eine Art klimatisiertes Dorf zum Einkaufen und Essen. Aus Wandröhren strömt kalte Luft herein, man fröstelt, die Nase verstopft. Unter dem Glasdach fliegen Vögel. «Es fühlt sich an, als würde man draußen laufen», sagt eine Neuseeländerin begeistert. Einige Malls bieten in oberen Stockwerken eigene Bahnen zum Spazieren gehen und Joggen. 

Tote Fische werden angespült, Palmen sterben ab

Draußen, wo die Sonne weiterhin stark scheint, ist der Hitzestress bei Tieren und Pflanzen längst spürbar. Eine lokale Journalistin berichtet, dass im Sommer streunende Katzen nach einem Hitzekollaps in Tierarztpraxen gebracht werden. Vögel werden tot auf Hausdächern gefunden, da sie weder Schatten noch Wasser haben. Mehrmals wurden tote Fische an das Ufer gespült, die offenbar nicht genug Sauerstoff im heißen Wasser der Bucht hatten.

An der Uferpromenade in Kuwait sieht man Tauben, die sich im Schatten einer Palme drängeln. Stadtbäume sterben an Gehwegen ab, selbst die hitzeresistenten Palmen stehen verdorrt am Straßenrand und lassen hellbraune Blätter hängen.

Ärztin: Hitze über 40 Grad über mehrere Stunden kann tödlich sein

Bei einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit etwa an der Küste Kuwaits könne sich der Körper durch Schwitzen nicht mehr abkühlen, sagt die Ärztin Andrea Nakoinz von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit. Der Schweiß verdunstet nicht mehr auf der Haut, was sonst für Abkühlung sorgt. «Dann können über 40 Grad über mehrere Stunden tödlich sein.»

Die mit hohem Energieaufwand klimatisierten Gebäude seien auch keine endgültige Lösung. Die Luft der Klimaanlagen trockne die Atemwege aus und mache sie anfälliger für Keime, sagt Nakoinz. Zudem: «Wenn ich immer in klimatisierten Räumen sitze, kann ich mich nicht an die Hitze anpassen. Von 18 auf 40 Grad hinauszutreten kann bei Vorerkrankten zum Kreislaufkollaps führen.»

Das Dilemma Kuwaits liegt im Öl, das erstmals 1938 entdeckt wurde. Der Export – Kuwait verfügt über einige der größten Ölreserven weltweit – hat Wohlstand, Wolkenkratzer und zwölfspurige Schnellstraßen gebracht. Gleichzeitig sind Staat und Bewohner nun abhängig von diesem Rohstoff, von dem sich die Welt verabschieden muss, um die Auswirkungen des Klimawandels wie Extremhitze einzudämmen. Der Anteil erneuerbarer Energien soll in Kuwait bis 2030 eigentlich 15 Prozent ausmachen – bei der Stromerzeugung lag er laut der Internationalen Energieagentur IEA zuletzt nur bei 0,2 Prozent. Der Stromverbrauch in Kuwait gehört zu den höchsten weltweit und steigt weiter an.

Ein Liter Benzin billiger als ein Liter Cola

«Öl und Gas halten uns in Bewegung» und «befeuern unsere Welt», heißt es in einem Museum nahe des größten Ölfelds Burgan. Zur Animation schwarzer Schlieren wird «unser Öl» dort beschrieben als «unser Volk», «unsere Welt» und «unsere Zukunft». Öl steht für Fortschritt, es ist nationaler Stolz und nicht, wie bei Umweltaktivisten in Europa, ein schmutziger Klimakiller. Im Museumsladen in Kuwait gibt es als Maskottchen ein lachendes Ölfass mit Helm und blaue Ölarbeiter-Overalls in Kindergrößen.

Der Besitzer eines Tourismusunternehmens berichtet, dass Kuwait das günstigste Benzin am Golf habe. Aufgrund staatlicher Subventionen kostet ein Liter Super an der Tankstelle etwa 60 Euro-Cent, weniger als ein Liter Coca-Cola. Beim Parken lässt er den Motor seines SUV laufen, damit es schön kühl bleibt. Sein Benzinverbrauch liegt zwischen 14 und 20 Litern pro 100 Kilometern.

Man sieht an Kreuzungen nur wenige Fußgänger, die sich teils mit Schirmen und Halstüchern vor der Sonne und Abgasen schützen. Die meisten Strände sind verlassen, nur einige Mutige braten in der Mittagshitze oder halten ihre Füße ins Wasser.

Die Hitze trifft vor allem die Ärmsten

Wie in anderen Weltregionen treffen die Folgen des Klimawandels hier zuerst die Ärmsten. Auf Baustellen im Vorort Chaitan trifft man Männer aus Indien oder Sri Lanka, die Zement anrühren, Wasserrohre verlegen, Decken verkleiden. Arbeiten im Freien sind im Sommer zwischen 11 und 16 Uhr eigentlich verboten. Diese Arbeitsmigranten, die etwa zwei Drittel von Kuwaits Bevölkerung ausmachen, sind in der Hitze gesundheitlich besonders gefährdet und «tragen die Hauptlast», schreibt die Weltgesundheitsorganisation.

Am Fischmarkt bringen Ägypter bei 48 Grad Celsius den Fang an Land. «Was soll ich machen?», sagt Hamid Mohammed Issa, der seit 42 Jahren in Kuwait arbeitet. Der Schweiß läuft ihm wie Wasser von der Stirn. «Ich muss mein Brot verdienen.»

dpa