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Inselreptilien verschwinden, bevor man sie überhaupt kennt

Noch nicht mal erforscht und schon fast verschwunden: Viele Reptilienarten auf Inseln sind vom Aussterben bedroht. Das kann Folgen für ganze Ökosysteme haben.

Ein Principe-Smaragdnatter
Foto: Patricia Guedes/Universität Oxford/dpa

Auf abgelegenen Inseln, die oft wie Zeitkapseln der Evolution wirken, leben unzählige faszinierende Reptilienarten. Doch trotz ihrer Bedeutung für die Natur stehen viele dieser einzigartigen Tiere am Rand des Aussterbens – noch bevor die Wissenschaft sie erforschen konnte. Im Fachblatt «Conservation Science and Practice» berichtet ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Oxford, dass Inselreptilien besonders anfällig sind, weil ihre isolierten Lebensräume sie extrem verletzlich machen. 

Obwohl Inseln weniger als sieben Prozent der Erdoberfläche ausmachen, beherbergen sie einen großen Teil der globalen Biodiversität. Rund ein Drittel der etwa 12.000 bekannten Reptilienarten sind auf Inseln beheimatet, darunter Spezies wie die Galapagos-Riesenschildkröte und der Komodowaran. «Reptilien besitzen mehrere physiologische und verhaltensbedingte Merkmale – etwa eine undurchlässige Haut und die Fähigkeit, lange Zeit ohne Nahrung oder Wasser zu überstehen –, die sie zu besonders guten Inselbewohnern machen», heißt es in der Studie.

https://x.com/OxfordBiology/status/1986363630946857121

Welchen Bedrohungen sind Reptilien ausgesetzt?

Die Untersuchung ergibt, dass etwa 30 Prozent der Reptilien auf Inseln vom Aussterben bedroht sind – im globalen Durchschnitt sind es 12 Prozent. Seit 1960 haben nur knapp 7 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten über bedrohte Inselarten sich mit Reptilien beschäftigt, wurde auch berichtet.

Die Bedrohung der Populationen resultiert hauptsächlich aus landwirtschaftlicher Expansion, Abholzung von Wäldern, Umweltverschmutzung und eingeschleppten Arten. Besonders dramatische Auswirkungen zeigen sich beispielsweise durch eingeschleppte Katzen auf Inseln.

Kaum Abwehrmechanismen

Denn viele Inselreptilien hätten sich in Abwesenheit von Säugetier-Feinden entwickelt und deshalb keine starken Abwehrmechanismen, erklärte Hauptautor Ricardo Rocha. «Das macht sie zu leichten Zielen für eingeführte Raubtiere wie freilaufende Katzen, die eine der Hauptursachen für das Aussterben auf Inseln sind.» 

Gleichzeitig seien Reptilien wie Schlangen, Schildkröten und Geckos Schlüsselarten für Inselökosysteme. «Auf der Insel Madeira zum Beispiel – meinem Geburtsort – gibt es überall Mauereidechsen, die Insekten jagen, Pflanzen bestäuben und Früchte fressen.» Die Forschungen hätten ergeben, dass eine einzelne Katze auf der Insel in nur einem Jahr mehr als 90 Eidechsen fressen kann. «Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie eingeschleppte Raubtiere fragile Inselökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen können», sagte Rocha.

Beispiel Príncipe-Smaragdnatter 

Die Forscher untersuchten die Forschung von 1960 bis 2021 und fanden heraus, dass größere und weit verbreitete Arten mehr Beachtung fanden, während kleinere und neu entdeckte Inselarten weitgehend vernachlässigt wurden.

Ein Beispiel ist die Príncipe-Smaragdnatter (Hapsidophrys principis), die nur auf der kleinen Insel Príncipe im Golf von Guinea vorkommt und erstmals 1906 beschrieben wurde. Diese endemische Schlangenart ist ein Paradebeispiel für eine Inselart, die durch ihre Isolation stark gefährdet ist. Trotz ihrer ökologischen Bedeutung als Räuber in diesem empfindlichen Ökosystem sind kaum Forschungsdaten über ihre Lebensweise und Bestandsentwicklung verfügbar.

Die Autoren der Studie, an der auch das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt war, empfehlen eine verstärkte Forschung zu Inselreptilien, insbesondere zu den am stärksten gefährdeten Arten. Weitere vorgeschlagene Maßnahmen beinhalten die Förderung von Partnerschaften zwischen nationalen Institutionen und Inselgemeinschaften sowie die Einbeziehung von Wissen aus nicht-akademischen Quellen.

dpa