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Das Ende einer Ära: Britische Telefonzellen werden zum Auslaufmodell

Die roten Kultkästen verlieren an Bedeutung in Zeiten von Smartphones und Internet, doch bleiben als Symbol erhalten.

Eine rote Telefonzelle und der Big Ben - zwei Klassiker in einem Bild.
Foto: Frank May/dpa

In Kingston-upon-Thames hat man den Lauf der Dinge offenbar schon geahnt. Wie eine stürzende Dominoreihe sind in dem Südwestlondoner Bezirk mehrere rote Telefonzellen angeordnet. «Out of Order» heißt die Installation, das lässt sich als «außer Betrieb» übersetzen. Tatsache ist: So charismatisch sie sind – wirklich gebraucht wird die britische Ikone in Zeiten von Smartphones und mobilem Internet kaum noch. Und so ist ein bisschen Wehmut dabei, wenn der Kultkasten nun Jubiläum feiert.

Am Donnerstag jährt sich zum hundertsten Mal der Tag, an dem der Architekt Giles Gilbert Scott seinen Entwurf für den Kiosk Nr. 2 einreichte. Abgekürzt wird der technisch-banale Name K2. Dies erinnert an den berühmten Achttausender im Himalaja, jedoch ist die Verwechslungsgefahr eher gering.

Lange Schlangen für ein Foto mit der roten Box

Es steht außer Frage, dass die roten Telefonzellen genauso zu Großbritannien gehören wie die Royals und der Tee. Ohne sie ist das Stadtbild von London für Touristen kaum vorstellbar. Eine der berühmtesten Boxen befindet sich im Regierungsbezirk Westminster und ist sogar in einem Online-Kartendienst verzeichnet – bei gutem Wetter warten Besucher geduldig in langen Schlangen, um ein Foto mit Blick auf das Parlament und Big Ben zu machen.

Im Jahr 2015 wurde das britische Design zur großartigsten in der Geschichte erklärt, aber die Bedeutung hat bereits vorher stark abgenommen. Laut Schätzungen der Behörden gibt es landesweit noch etwa 3000 dieser Boxen, aber die Zahl nimmt ständig ab. “Kein Anschluss unter dieser Nummer”? Aus diesem Grund hat der Telekommunikationsriese BT sein Adoptionsprogramm für die Zellen bereits vor gut 15 Jahren ins Leben gerufen.

Aus Telefonzelle wird Mini-Bibliothek

Tausende «red boxes» sind seitdem von Kommunen und Organisationen zum symbolischen Preis von einem Pfund (1,17 Euro) erworben worden. Die britische Fantasie kennt keine Grenzen: Als Mini-Bibliothek, Standorte von Defibrillatoren, als Gewächshaus oder sogar als kleines Museum sind die Telefonzellen erhalten. Einige Exemplare wurden angeblich sogar als Duschen in Wohnungen eingebaut. Auf den Straßen ist der einstige «eye-catcher» immer seltener zu sehen. Etwas wehmütig vergleichen Londoner die Entwicklung mit den ebenso berühmten roten Doppeldeckern und schwarzen Taxis – die fahren zwar noch in Massen durch die britische Hauptstadt, aber immer häufiger in anderen Farben.

Tatsächlich sollte auch K2 eigentlich nicht im bekannten Rot erstrahlen. «Scotts Siegerentwurf sollte ursprünglich aus silberfarben lackiertem Stahl mit einer blaugrünen Innenausstattung bestehen», weiß die britische Regierung zu berichten. Erst nach der Kür entschied sich das damals zuständige General Post Office dafür, die Box aus Gusseisen herzustellen und rot zu lackieren.

Inspiration von einem Grab

Scott (1880-1960) entwarf das Design für einen Wettbewerb, bei dem die Royal Fine Arts Commission auf Anfrage des Generalpostmeisters eine Alternative zum Kiosk Nr. 1 finden wollte. Die Betonzelle wurde erst 1921 eingeführt, war jedoch äußerst unbeliebt. Es wird behauptet, dass Scott sich von einem Familiengrab inspirieren ließ, das der Architekt John Soane, der unter anderem das Gebäude der Bank of England entworfen hatte, 1816 für seine Ehefrau errichten ließ. Scott kannte das Werk gut – er war jahrelang Treuhänder des Sir John Soane’s Museum.

K2 überzeugte schnell. Das Rot harmonierte mit den ebenso ikonischen roten Briefkästen und den roten Bussen. Jedoch war das beeindruckende Design, das auf allen vier Seiten das königliche Wappen von König Georg V. zeigte, nur in der Hauptstadt zu finden. Aufgrund des hohen Gewichts und der hohen Kosten war die britische Tonne einfach zu schwer und zu teuer für den landesweiten Einsatz. Dennoch bildete K2 die Grundlage für die folgenden Generationen der roten Boxen.

K8 bedeutete das Ende der Serie

1935 gab die Post bei Scott eine neue Telefonzelle in Auftrag, um das silberne Thronjubiläum von König George V. zu feiern. Der «K6-Jubiläumskiosk» ähnelte dem K2, bestand aus Gusseisen und war rot lackiert, aber mit rund einer dreiviertel Tonne deutlich leichter. Größere Fenster ließen mehr Licht hinein. Ende der 1930er Jahre waren im Vereinigten Königreich etwa 20.000 K6-Telefonzellen im Einsatz – auch die Installation in Kingston besteht aus ausrangierten K6. Als letzte «red telephone box» wurde 1968 die K8 von Architekt Bruce Martin eingeführt, die nur noch ein großes Fenster auf drei Seiten bot.

Auch wenn in ihnen immer seltener telefoniert wird – aussterben dürften die ikonischen Zellen nicht. Die Regierung hat einige von ihnen unter Denkmalschutz gestellt. Denn, wie es mal ein Passant in Kingston sagte: «Sie sind ein Teil des Bluts, Körpers und der Struktur von Großbritannien.»

dpa