Forschungsteam schätzt 2.300 hitzebedingte Todesfälle in zwölf Großstädten, davon 1.500 durch Klimawandel verursacht.
Studie: Klimawandel verdreifacht Todesopfer bei Hitzewelle

Während der extremen Hitzewelle Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel laut einer Studie die Anzahl der Todesopfer in europäischen Großstädten etwa verdreifacht. Ein internationales Forschungsteam berichtet nach einer Analyse der Entwicklung in zwölf Großstädten, darunter Frankfurt, im Zeitraum vom 23. Juni bis 2. Juli. Zu dieser Zeit stiegen die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teilweise über 40 Grad Celsius.
Das Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt, dass in den zwölf Großstädten insgesamt 2.300 hitzebedingte Todesfälle innerhalb eines Zehn-Tage-Zeitraums aufgetreten sind. Etwa zwei Drittel davon, also rund 1.500, werden dem Klimawandel zugeschrieben. Ohne die Erderwärmung, die die Temperaturen in den Städten tagsüber um 1 bis 4 Grad zusätzlich erhöhte, wären laut den Berechnungen der Gruppe in diesen Städten etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.
Die weitaus meisten Todesfälle entfielen auf Senioren ab 65
Das Team stützte sich für die sehr zeitnahe Analyse auf eine anerkannte Methodik, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Die Gruppe verglich die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.
Laut dem Team, zu dem unter anderem die Attributionsexpertin Friederike Otto vom Imperial College London gehört, waren besonders vulnerable Gruppen wie Menschen mit Vorerkrankungen von der jüngsten Hitzewelle betroffen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle traten in der Altersgruppe ab 65 Jahren auf.
Laut der Aussage verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Beispiel starben im vergangenen Jahr 224 Menschen bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia, während bei den Flutkatastrophen 2021, einschließlich im Ahrtal, im nordwestlichen Europa 243 Menschen ums Leben kamen.
Kleine Differenz kann Unterschied zwischen Leben und Tod machen
Die zwölf untersuchten Städte waren in unterschiedlichem Maße von den Auswirkungen der Hitzewelle betroffen: Knapp 320 der zusätzlichen Todesfälle aufgrund des Klimawandels entfielen auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. Frankfurt verzeichnet mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise geringere Zahlen.
Gerade weil Opfer von Hitzewellen eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, spricht das Team von einem «lautlosen Killer». «Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme», erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. «Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur 2 bis 3 Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.»
Die globale Temperatur ist im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, was auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Europa ist besonders im Sommer stärker betroffen als andere Kontinente. Clarke warnt davor, dass bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ein Temperaturunterschied von 3 Grad erreicht werden könnte, wenn der Einsatz fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas nicht gestoppt wird. Dies würde zu noch intensiveren Hitzewellen führen.
«Extreme Hitze, die früh eintritt, ist besonders tödlich»
Das Team hebt hervor, dass es in der Studie den Fokus auf Todesfälle gelegt hat. Es gibt auch andere Auswirkungen – von Krankenhauseinlieferungen, beispielsweise von Personen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschließungen bis hin zu Arbeitsausfällen, dem Abschalten von Atomkraftwerken und einer Zunahme von Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgetrockneten Vegetation.
«Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen», betont Co-Autorin Otto. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.
Der Grund für die aktuelle Hitzewelle war ein Hochdruckgebiet über Westeuropa – ein sogenannter Hitzedom – das sich nach Osten bewegte und heiße Luft von Nordafrika nach Europa strömen ließ. Die Gruppe betont, dass solche meteorologischen Situationen aufgrund des Klimawandels immer häufiger und intensiver auftreten.
Europa sei im Sommer der sich am stärksten erwärmende Kontinent, heißt es weiter. Im Sommer 2022 starben dort demnach mehr als 60.000 Menschen an Hitze – die Hälfte davon ging Studien zufolge auf das Konto des Klimawandels. Im Folgejahr gab es demnach 47.000 Hitzetote.
Eine Besonderheit der jüngsten Hitzewelle war das besonders frühe Auftreten schon im Juni. «Extreme Hitze, die früh in der Jahreszeit eintritt, ist tendenziell besonders tödlich, weil die Menschen noch nicht an die Sommertemperaturen gewöhnt sind», heißt es.
«Kein Zweifel, dass Hitzewellen häufiger und intensiver werden»
Marotzke spricht von einer «sehr gut gemachten Studie». Dass eine wissenschaftliche Analyse so schnell auf ein Ereignis folge, sei zwar ungewöhnlich, aber angesichts des Informationsbedürfnisses gut und richtig, sagt der Direktor am Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der nicht an der Studie beteiligt war. «Gerade in Hinblick auf Temperaturentwicklungen sind unsere Modelle sehr gut», bei Niederschlägen sei dies weniger der Fall.
«Es gibt keinen Zweifel daran, dass Hitzewellen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver werden», sagt der Klimatologe. Darauf seien deutsche Städte unzureichend vorbereitet: Als Beispiele nennt er viele verglaste und nicht abgeschattete Gebäude, zu wenig begrünte und zu viele versiegelte Flächen.