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75-Jähriger vor Gericht: Kastration von Männern gegen Bezahlung und ohne medizinische Ausbildung

Angeklagter schwieg zum Prozessbeginn. Ermittler fanden OP-Utensilien und zahlreiche Chatverläufe bei ihm zu Hause.

Nachdem ein 75-jähriger Mann in Internetforen Kastrationen angeboten und diese bei sich zu Hause durchgeführt haben soll, muss er sich nun in Erfurt vor Gericht verantworten.
Foto: Michael Reichel/dpa

Internetforen, sexuelle Dienste und Amputationen von Geschlechtsteilen: Ein 75-Jähriger steht vor dem Erfurter Landgericht, weil er Männer kastriert hat. Zu Beginn des Verfahrens schwieg der Angeklagte, obwohl der Richter darauf hingewiesen hatte, dass ein Geständnis strafmildernd sein könnte. Dem Rentner wird vorgeworfen, zwischen 2015 und 2019 in acht Fällen in seinem Wohnzimmer in Sömmerda operative Eingriffe durchgeführt zu haben – gegen Bezahlung und ohne medizinische Ausbildung.

Er soll seine Dienste in passenden Internetforen angeboten haben. Die Opfer sollen zwischen 500 und 2200 Euro für die Eingriffe bezahlt haben. Um die Intimsphäre der Verletzten zu schützen, wurde die Öffentlichkeit während der Verlesung der Anklage ausgeschlossen. Die Ermittler kamen dem Angeklagten auf die Spur, nachdem Kollegen aus Erding einen Hinweis gegeben hatten, die in einem anderen Kastrationsverfahren gegen einen Mann aus Bayern ermittelten.

Schockierende Beweismittel

Im Zeugenstand berichtete ein Beamter der Kriminalpolizeiinspektion Erfurt, dass bei einer anschließenden Wohnungsdurchsuchung beim 75-Jährigen zahlreiche Datenträger wie Festplatten gefunden wurden. Er erwähnte außerdem eine große Menge an Chatverläufen. Des Weiteren wurden OP-Utensilien wie eine Nierenschale mit Scheren und Pinzetten sichergestellt, an denen Blut mehrerer Personen klebte. Auch Chloroform und ein Schlauch zum Abbinden wurden als Beweismittel beschlagnahmt. Die Eingriffe fanden offenbar auf der Couch im Wohnzimmer statt. Der Beamte beschrieb die Wohnung als schmutzig und unhygienisch.

Der Beamte erwähnte einen Geschädigten aus Österreich, der sich umfangreichen Operationen unterzogen hatte und in Chats über schwerwiegende Komplikationen berichtet hatte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die betroffenen Männer freiwillig zugestimmt haben. Der Beamte sah sowohl beim Angeklagten als auch bei den Geschädigten eine Vielzahl von Motiven für die Kastrationen. Dazu gehörten seiner Meinung nach neben sexuellen und finanziellen Interessen auch das Ausleben von Macht und Fantasien.

Ein ebenfalls als Zeuge vernommener Kriminalhauptkommissar aus Erdingen sagte, dass sie bei den Ermittlungen in ihrem Fall im Internet auf einen «Cutter aus Erfurt» sowie einen «Thüringer 47» mit einem Ganzkörperfoto gestoßen seien. Bei den Ermittlungen sei für sie «eine Tür zu einer anderen Welt» aufgestoßen worden. 

Fall in Bayern

Im Dezember 2021 war ein damals 67 Jahre alter Elektriker wegen schwerer, gefährlicher und einfacher Körperverletzung am Landgericht München II zu mehr als acht Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte zugegeben, in Sadisten-Foren im Internet «Kastrationen» angeboten zu haben. Mehrere Männer zahlten ihm demnach Geld dafür, dass er sie beispielsweise folterte und die Hoden entfernte. Einer der Männer starb nach dem Eingriff – woran, konnte das Gericht nicht mehr ergründen.

Der Prozess in Erfurt wurde im Januar aufgrund einer Erkrankung des Angeklagten unterbrochen und musste daher jetzt von vorne beginnen. Dem Angeklagten wird unter anderem schwere Körperverletzung vorgeworfen. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Mann zwischen drei und 15 Jahren Haft.

dpa