Eine Eindämmung des Ausbruchs ist nicht in Sicht. Millionen Nutzvögel wurden gekeult, Preise für Eier steigen stark.
Die größte Vogelgrippewelle: Ausbruch in den USA und weltweite Folgen
Die größte dokumentierte Vogelgrippewelle breitet sich derzeit auf mehreren Kontinenten aus. Der Erreger infiziert hauptsächlich Vögel, wurde jedoch auch bereits bei vielen Säugetieren nachgewiesen. Am Dienstag (25. März) vor einem Jahr gab es eine beunruhigende Nachricht aus den USA: Erstmals wurde eine Form der Vogelgrippe H5N1 bei Milchkühen festgestellt, zunächst in den Bundesstaaten Texas, Kansas und New Mexico. Was ist seitdem geschehen – und wie wird es weitergehen?
Was ist der aktuelle Stand bei der Vogelgrippe in den USA?
Es kann nicht behauptet werden, dass der Ausbruch eingedämmt ist. Laut den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) wurden in der aktuellen Welle in den USA mehr als 12.500 Fälle bei Wildvögeln registriert, rund 170 Millionen Nutzvögel wie Hühner oder Enten wurden getötet. Außerdem wurden Ausbrüche in fast 1.000 Rinderherden in 17 Bundesstaaten festgestellt. Es wurden 70 Infektionen bei Menschen entdeckt.
Laut den Behörden haben die Rinder oft weniger Appetit und produzieren weniger Milch. Die Ansteckung erfolgte wahrscheinlich hauptsächlich über Wildvögel und wurde dann über Melkmaschinen und Euter weitergegeben.
Zu Beginn des Jahres verstarb in den Vereinigten Staaten erstmals eine Person nach einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1. Der Einwohner des Bundesstaats Louisiana war laut Behördenangaben über 65 Jahre alt und litt zudem an anderen gesundheitlichen Problemen.
Das sind jedoch nur die veröffentlichten Zahlen. Laut einer kleinen CDC-Studie hatten im September 3 von 150 Tierärzten Antikörper gegen das Virus. Dabei gaben zwei von ihnen an, keinen Kontakt zu infizierten Tieren oder Verdachtsfällen gehabt zu haben.
Das Virus müsse also sowohl unter Tieren als auch unter Menschen viel weiter verbreitet sein als offiziell bekannt, schlossen Experten daraus. «Wir kennen das Ausmaß dieses Ausbruchs in den USA nicht», sagte die Virologin Seema Lakdawala von der Emory University in Atlanta der «New York Times». «Es gibt offensichtlich Infektionen, die wir nicht mitbekommen.»
Wie bewertet die Gesundheitsbehörde die Lage für die Bevölkerung?
Laut CDC wurde bisher keine Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen. Das Risiko für die Allgemeinbevölkerung wird als gering eingestuft, da die Infizierten fast ausschließlich Personen mit engem Kontakt zu Rindern oder Geflügel sind, wie beispielsweise Farmarbeitern. Es wird allgemein empfohlen, den Kontakt zu kranken und toten Tieren zu vermeiden.
Wie sieht es mit Milch, Fleisch und Eiern aus?
Die CDC betonen, dass kommerziell erhältliche Milch-, Fleisch- und Eierprodukte sicher sind, da Hitze und Pasteurisierung das Virus eliminieren. Der Verzehr von Rohmilch wird jedoch nicht empfohlen. Die Versorgung mit ausreichend Rindfleisch und Milch ist nicht gefährdet. Rinder können eine Infektion überleben und müssen nicht getötet werden.
Etwa 170 Millionen Nutzvögel wurden in den USA seit Beginn des Ausbruchs gekeult. Dies führte zu einem Anstieg der Preise für Hühnerfleisch und insbesondere für Eier. In vielen Regionen sind Eier knapp, Supermärkte beschränken den Verkauf oft auf eine Packung pro Kunde.
Das Thema ist auch politisch brisant: US-Präsident Donald Trump hat immer wieder seinen Vorgänger Joe Biden im Wahlkampf für die hohe Inflation verantwortlich gemacht und versprochen, dass mit ihm als Präsident alles billiger würde – bisher jedoch ohne Erfolg.
Das brachte ihm Spott der Demokraten ein. Aber der Republikaner Trump betonte wiederholt – ohne Beweise vorzulegen -, es sei Biden anzulasten, dass die Preise für Eier in den USA «außer Kontrolle» seien.
Was haben Trump – und RFK Jr. – nun vor?
Die USA werden vom Ausbruch in turbulenten Zeiten überrascht. Nach dem Regierungswechsel sind die zuständigen Behörden teilweise führungslos und leiden unter Mittelstreichungen und Kürzungen. Eine einheitliche Strategie wurde bisher nicht präsentiert, Trump ignoriert das Thema weitgehend.
Eine der zentralen Fragen betrifft Impfungen: Während die Vorgängerregierung entsprechende Studien in Auftrag gegeben hatte und es sogar schon eine vorbehaltliche Zulassung für einen Impfstoff gab, sieht der neue Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. diese Option deutlich kritischer. Alle seine Behörden würden ihm davon abraten, sagte Kennedy jüngst dem TV-Sender «Fox News». Es sei möglich, dass Hühnerställe durch Impfungen zu «Mutationsfabriken» würden.
Wie sehen Experten den Umgang der USA mit der Vogelgrippe?
Viele haben große Sorge – sowohl für die USA als auch weltweit. Aus Deutschland kommt scharfe Kritik: Es sei leider nicht zu erkennen, dass Maßnahmen ergriffen würden, die das Geschehen schnell stoppen würden, sagt Martin Beer, Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald. Den Eindruck, dass in den USA mehr Wert darauf gelegt wird, kurzfristig wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden als eine mögliche weitere Zoonose zu unterbinden, bestätigt der Berliner Virologe Christian Drosten: «Es ist schon frappierend, wie wenig Dateneinsicht und gezielte Infektionsüberwachung stattfindet, sowohl bei Tieren als auch beim Menschen.»
Könnte die Vogelgrippe zur nächsten Pandemie werden?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sagt, dass es völlig unklar sei. Klar sei jedoch, dass diese von Tier zu Mensch übertragenen Infektionskrankheiten ein Potenzial dafür tragen – und deshalb gut überwacht und soweit wie möglich eingedämmt werden müssen. Darüber hinaus könne es bei jeder Übertragung zu Mutationen kommen, die die Eigenschaften des Virus verändern – und damit möglicherweise auch das Gefährdungspotenzial für Menschen erhöhen könnten.
In den USA wurde vor Kurzem eine neue Variante bei Kühen entdeckt. D1.1 wurde erstmals in Kuhmilch in Nevada nachgewiesen. Zuvor wurden Infektionen mit dem Virus der Variante B3.13 in Verbindung gebracht.