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Das Wattenmeer im Klimawandel: Rekordveränderungen und Anpassungsreaktionen

Der Klimawandel verändert das Wattenmeer in bisher nie dagewesener Geschwindigkeit. Lebensräume passen sich an, aber auch Fisch- und Vogelarten müssen sich anpassen.

Die Klimaerwärmung verändert den Lebensraum am Wattenmeer. (Archivbild)
Foto: Carsten Rehder/dpa

Das Wattenmeer erlebt aufgrund des Klimawandels eine rasante Veränderung. Dies ist das Fazit eines umfassenden Berichts von etwa 30 Forschern des Alfred-Wegener-Instituts. Laut den Co-Erstautoren Christian Buschbaum und Lisa Shama, die an der AWI-Wattenmeerstation List auf Sylt tätig sind, wird deutlich, dass der Klimawandel einen Lebensraum in bisher nicht gekanntem Tempo umgestaltet.

Dabei seien die Auswirkungen auf die Küste vielseitig: «Der Klimawandel wirkt auf alle Ebenen des Wattenmeeres ein: Temperaturerhöhung und Meeresspiegelanstieg verändern die Morphologie der Küste und die Sedimentdynamik, welche das Wattenmeer seit gut 8000 Jahren prägt», erläuterte Buschbaum weiter. 

«Das Wattenmeer in der südöstlichen Nordsee erwärmt sich schneller als viele andere gemäßigte Küstengebiete, wobei die Oberflächentemperatur des Meerwassers in den letzten 60 Jahren um fast 2 Grad gestiegen ist, was fast dem Doppelten des durchschnittlichen globalen Anstiegs der Ozeane entspricht», schreiben die Forscher in ihrem Bericht in der Fachzeitschrift «Marine Biodiversity». Er entstand anlässlich des 100-jährigen Bestehens der AWI-Wattenmeerstation.

Laut AWI haben vor allem milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt treten häufiger auf und dauern länger. Diese physikalischen Veränderungen wirken sich auf das Vorkommen einzelner Arten im Wasser und am Meeresboden aus.

Folgen für die Tierwelt

Manche Arten wie der Kabeljau seien von den Veränderungen besonders betroffen und litten neben der Erwärmung auch unter Übernutzung. Buschbaum betonte: «Wir beobachten außerdem einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten.» Diese bedrohten bisher zwar keine heimischen Organismen, führten aber zu einer Veränderung des Lebensraumes. «Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen», sagte der Forscher.

Anpassungen an veränderte Lebensbedingungen

Zu den Anpassungsreaktionen der im Wattenmeer lebenden Arten gehören genetische Anpassungen, aber auch die phänotypische Plastizität. «Bei der Plastizität passen die Individuen ihre Eigenschaften und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize an, ohne dass genetische Veränderungen vorliegen», erklärte Evolutionsbiologin Shama. Dies könne dazu führen, dass Arten etwa zu veränderten Zeiten auftreten oder sich ihre Wachstumsrate aufgrund der Temperaturerwärmung ändere. So können laut Shama Organismus auch ihre Fortpflanzungsstrategien anpassen, in dem sie unter anderem zum Ausgleich möglicher Nachwuchsverluste durch Hitze mehr Nachkommen zeugen.

Bedeutung des Wattenmeeres

Laut dem AWI ist das Wattenmeer für viele Fisch- und Vogelarten, wie Hering, Austernfischer und Knutt, von großer ökologischer Bedeutung. Diese Tierarten nutzen dieses Gebiet zumindest für eine Phase ihres Lebenszyklus. Es dient beispielsweise als Kinderstube und Futterplatz und bietet jungen Fischen Schutz vor Räubern.

Die Angaben zufolge verschiebt die Klimaerwärmung das Auftreten dieser Arten. Fische wandern demnach polwärts ab oder bodenbewohnende Arten ziehen sich in tiefere und kältere Gewässer zurück. Wer seine Verbreitungsgebiete nicht verlagern kann, muss sich an die zunehmend warmen Bedingungen im Wattenmeer anpassen.

Folgen für den Mensch

Doch nicht nur für die am und im Wattenmeer vorkommenden Tiere verändern sich laut dem Bericht die Bedingungen. Auch die Konsequenzen für die an der Küste lebenden Menschen würden unausweichlich, erklärten Buschbaum und Shama. So müssten beispielsweise auch Küstenschutzmaßnahmen und Tourismuskonzepte nachhaltig an die sich ändernden Bedingungen angepasst werden.

dpa