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Könnte eine Lotterie den Mangel an Organspendern beheben?

Beim Thema Organspende bezeichnet der Bundesgesundheitsminister die Lage in Deutschland als beschämend. Seit Jahren gibt es Diskussionen, wie sich daran was ändern kann.

Um mehr Menschen als potenzielle Organspender zu gewinnen, haben zwei Wirtschaftswissenschaftler eine Lotterie vorgeschlagen.
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Laut zwei Wirtschaftswissenschaftlern könnte eine Lotterie dazu führen, dass sich mehr Menschen als Organspender registrieren lassen.

Hanno Beck von der Hochschule Pforzheim und Aloys Prinz von der Universität Münster schlagen vor, dass jeder Inhaber eines Organspendeausweises automatisch an einer jährlichen Lotterie teilnehmen könnte, bei der Preise von beispielsweise zehn, fünf und einer Million Euro verlost werden. Die Finanzierung der Preise soll entweder vom Staat oder von den Krankenkassen übernommen werden. Die Reaktionen auf den Vorschlag sind eher zurückhaltend-kritisch. Die derzeitige Gesetzeslage erlaubt eine solche Lotterie jedoch nicht.

«Lotterien als Instrument der Wirtschaftspolitik sind in anderen Ländern durchaus üblich», erklären die Professoren. In Ländern wie Taiwan, Malaysia, Chile, Puerto Rico, Brasilien und auf den Philippinen nehme jede Rechnung mit ihrer Registriernummer an einer Lotterie teil – so solle Steuerhinterziehung an der Ladenkasse verhindert werden. Zudem argumentieren die beiden, die öffentliche Aufmerksamkeit, die eine solche Lotterie jedes Jahr erhalten dürfte, wäre hilfreich beim Versuch, die Zahl der Organspender zu steigern.

Vorschlag derzeit nicht umsetzbar

Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) teilte mit, grundsätzlich alle Vorschläge zur Verbesserung der Organspendezahlen gut zu finden. «Allerdings gibt es in Deutschland kein Spenderregister. Somit ist es nicht möglich, eine Verlosung unter Inhabern von Organspendeausweisen zu veranstalten», so der Vorstand.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, der Vorschlag der Forscher widerspreche dem Transplantationsgesetz. «Eine wie auch immer geartete Gegenleistung für eine Organspende steht im Konflikt mit dem gesetzlich verankerten und strafbewehrten Organhandelsverbot.»

Jeglicher Anreiz, die Spendebereitschaft zu erklären, widerspräche zudem dem Prinzip der Freiwilligkeit. «Die persönliche Entscheidung für eine Organspende sollte immer freiwillig sein», hieß es. «Dies bedeutet, dass es weder einen rechtlichen Zwang geben darf noch dass die Entscheidung aus nicht altruistischen Erwägungen heraus getroffen wird.» Altruismus bedeutet so viel wie Uneigennützigkeit.

Eine Kommerzialisierung kann nach Ansicht des Gießener Rechtsprofessors Steffen Augsberg, der Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, nicht als Lösung angesehen werden. Es ist zwar nicht selbstverständlich, dass Menschen Organe spenden, aber es ist eine Zumutung für potenzielle Spender. Dennoch betonte er, dass die Wertschätzung für eine solche Entscheidung immaterieller Natur sein müsse.

Sonst könne es passieren, dass sich gerade Menschen mit Geldsorgen aus diesem Grund – und nicht aus tatsächlicher Überzeugung – einen Organspendeausweis ausstellen lassen. «Wir wollen auch nicht, dass jemand aus finanzieller Not eine Niere verkauft. Daher ist das verboten», sagte Augsberg. Sei der Weg einmal eingeschlagen und führe nicht sofort zum erhofften Erfolg, laufe man außerdem Gefahr, den Preis immer weiter in die Höhe zu treiben.

Eine Lotterie sei ein spielerischer Ansatz, der vielleicht sogar die Zahl der Organspendeausweise steigen lassen könnte. «Aus normativer Sicht ist es aber zweifelhaft, dass das einer diffizilen, komplexen Situation angemessen ist», erklärte der Professor.

Mangel an Spenderorganen

In Deutschland herrscht seit Jahren ein eklatanter Mangel an Spenderorganen. Zwar ist die Zahl der postmortalen Organspender im laufenden Jahr um elf Prozent auf 788 gestiegen, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) vergangene Woche mitgeteilt hatte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte aber deutlich, dass Deutschland im internationalen Vergleich damit nach wie vor sehr schlecht abschneide. «Das ist beschämend und für die betroffenen Patientinnen und Patienten ist es lebensbedrohlich.»

Es wird häufig über alternative Modelle oder Verfahren bei der Organspende debattiert. Insbesondere geht es um die Einführung einer Widerspruchslösung. Diese würde bedeuten, dass jeder Mensch automatisch als Organspender angesehen wird, solange er keinen Widerspruch einlegt.

Andere Möglichkeiten, mehr Spenderorgane verfügbar zu machen, seien neben organisatorischen Verbesserungen zum Beispiel Änderungen bei den Vorgaben für Organspenden, sagte Augsberg. So werde derzeit die Organentnahme nach einem Herzstillstand diskutiert, die in anderen Ländern schon möglich sei. In Deutschland müssen Ärzte den Hirntod des Betroffenen feststellen. «Solche Ansätze sind zwar weniger plakativ, aber letztlich erfolgversprechender.»

Beck und Prinz sind sich bewusst, dass es mögliche Probleme bei ihrer Idee gibt – zum Beispiel die Tatsache, dass sich auch Menschen mit ungesundem Lebensstil als Organspender registrieren lassen könnten. Dieses Risiko besteht jedoch auch bei allen anderen Bemühungen, Organspender zu finden. Um sicherzustellen, dass niemand kurz vor der Auslosung einen Organspendeausweis beantragt und ihn danach zurückgibt, soll laut dem Vorschlag als Bedingung für die Teilnahme an der Lotterie gelten, dass man mindestens ein Jahr lang registriert sein muss.

dpa