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Qualzucht bei Katzen – Ein ethisches Problem

Prominente zeigen Stars mit besonderen Katzen in sozialen Medien. Doch die Schattenseiten der Qualzucht bleiben oft unbemerkt.

Tierschützer kritisieren nicht nur, dass Claudia Schiffers Katze im Rucksack steckte. Die Rasse Scottish Fold sehen sie als Qualzucht.
Foto: Scott A Garfitt/Invision/AP

Katzen mit einer besonderen Kopfform, die besonders niedlich oder lustig wirken, sind die Stars in sozialen Medien. Videos mit diesen Tieren erhalten Millionen von Klicks. Auch Prominente präsentieren sich dort gerne mit ungewöhnlichen Katzen. Die negativen Seiten sind nur wenigen Menschen bekannt.

Taylor Swifts Scottish Fold Katze ist bekannt für ihren runden Kopf, Kulleraugen und nach vorn geknickte Ohren. Selbst bei der Premiere eines Films, in dem das Tier mitspielte, brachte Claudia Schiffer die Katze mit. Dies wird von Tierschützern kritisch betrachtet, da Scottish Fold Katzen aufgrund ihrer typischen geknickten Ohren als Qualzuchten gelten.

Was sind Qualzuchten?

Fachleute sprechen von Qualzucht, wenn Tieren bestimmte Merkmale wie Kulleraugen, eine flache Schnauze oder besondere Fellfarben angezüchtet werden, diese jedoch zu fortwährenden gesundheitlichen Problemen führen. Dies kann daran liegen, dass sie schlechter atmen können oder weil die zugrunde liegende Genkombination Schäden an anderen Stellen im Körper verursacht.

Der Berliner Tierpathologe und Autor Achim Gruber spricht von Defektzucht: Für ein extravagantes oder niedliches Aussehen werde gezielt mit genetischen Defekten gezüchtet, obwohl man in vielen Fällen schon seit Jahrzehnten wisse, welche gesundheitlichen Folgen das für die Tiere habe. «Der Mehrwert für den Menschen ist den Leuten aber wichtiger als das Leid der Tiere. Das ist natürlich ein schweres ethisches Problem.»

Viele dieser «geschundenen Gefährten» – wie sie im Titel von Grubers Buch bezeichnet werden – landen nach dem Tod bei ihm am Institut für Tierpathologie der FU Berlin auf dem Obduktionstisch. Mit seinem Buch möchte er über die Folgen bestimmter Zuchten und Lösungsmöglichkeiten informieren.

Unter welchen Problemen können solche Katzen leiden?

Die Tierärztin Tanja Pollmüller in ihrer Praxis in Ahlen, Nordrhein-Westfalen, behandelt regelmäßig Modekatzen. Dies betrifft unter anderem die Rasse Scottish Fold, bei der eine genetische Mutation zu den charakteristischen kleinen, nach vorne gefalteten Ohren führt – aber auch zu schweren Gelenkentzündungen.

«Die haben häufig an den Hinterbeinen starke Verknöcherungen und Schmerzen, so dass sie teilweise schon in ganz jungem Alter nicht mehr vernünftig laufen können», erläutert Pollmüller. Helfen könne sie den Tieren meist nur noch mit einer Schmerztherapie, eine Heilung sei nicht möglich.

Sie hat oft mit Perserkatzen zu tun, die zu kurze Schnauzen haben und dadurch Atemprobleme bekommen. Sie behandelte auch eine Nacktkatze, die an schweren Hautausschlägen und einer Augenentzündung litt. Am Ende verlor das Tier ein Auge.

Wieso sind solche Katzen dennoch so beliebt?

Dass manche Katzenrassen gesundheitliche Probleme haben, sei vielen Menschen überhaupt nicht bewusst, stellt Pollmüller immer wieder fest. «Die wenigsten Tierbesitzer beschäftigen sich genügend mit der Anschaffung des Tieres. Von Defektzucht haben die meisten noch nie gehört.» 

Manche verdrängten die Gesundheitsprobleme ihrer Katze auch, sagt Pollmülller. «Die meisten Menschen denken immer, solange ein Tier noch durch den Raum läuft und frisst und trinkt, geht es ihm gut. Das Tierleid oder die mangelnde Lebensqualität ist ihnen leider überhaupt nicht bewusst.» Als «Doc Polly» klärt sie Tierbesitzer in den sozialen Medien über Bedürfnisse von Haustieren auf. 

Elke Rauch von der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München sieht auch ein großes Problem darin, dass bestimmte Katzen- und Hunderassen in Medien so präsent sind, zum Beispiel als Werbefigur oder weil Stars sich mit ihnen schmücken. «Das vermittelt einfach so eine Normalität. Da hinterfragt keiner mehr, ob das Tier vielleicht Probleme hat.» 

Achim Gruber sieht darüber hinaus noch einen psychologischen Effekt. Kleine Tiere wie Möpse, Französische Bulldoggen, Faltohrkatzen oder Perser seien oft ein Babyersatz. «Jeder findet das niedlich und bei jedem springen sofort diese Beschützerinstinkte an.» 

Zum Teil werde die Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit der Tiere selbst zum Ziel, so Gruber. «Es erhöht den Selbstwert des Menschen und auch seine gesellschaftliche Anerkennung, wenn er ein krankes Tier pflegt.» Er beobachte, dass sich viele Leute immer wieder Defektzucht-Katzen kauften – wider besseres Wissen also. 

Warum kann man diese Rassen überhaupt kaufen?

Eigentlich verbietet der Paragraf 11b des Tierschutzgesetzes Qualzuchten in Deutschland. Doch das Gesetz sei zu schwammig formuliert, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund. «Der Begriff Qualzucht bezieht sich nicht auf eine ganze Rasse, sondern auf Merkmale, die gehäuft bei bestimmten Rassen auftreten», erläutert Sprecherin Nadia Wattad. 

Die Expertin betont, dass diese Merkmale bei jedem Tier unterschiedlich ausgeprägt seien. Daher müssten die Veterinärbehörden jeden Einzelfall prüfen. Auch die Gerichte könnten nur im Einzelfall entscheiden, das heißt nur einem bestimmten Züchter die Zucht verbieten. Andere halte das nicht ab.

Die geplante Reform des Tierschutzgesetzes sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, sagt Rauch. Der Paragraf 11b wäre dadurch präzisiert und um konkrete Merkmale für Qualzucht wie Atemnot, Lahmheit oder Haarlosigkeit ergänzt worden. Doch dazu sei es durch den Bruch der Ampel-Koalition nicht mehr gekommen. «Wie es jetzt weitergeht, ist ungewiss.»

Was können künftige Katzenbesitzer tun?

Die Experten betonen die Bedeutung einer gründlichen Information und raten davon ab, defekte Zuchttiere zu kaufen. Es sei allgemein problematisch, Tiere zu erwerben, bei denen bei der Zucht mehr Wert auf optische Merkmale als auf die Gesundheit gelegt wird, erklärt Rauch. Ebenso wird vom Kauf über Internetverkaufsplattformen ohne genaue Informationen zur Zucht und den Elterntieren abgeraten.

Der Deutsche Tierschutzbund empfiehlt, Katzen mit Qualzucht-Merkmalen höchstens aus einem Tierheim zu adoptieren. Ins Berliner Tierheim ziehen regelmäßig Modekatzen wie Scottish Fold oder Nacktkatze ein, wie Sprecherin Christine Streichan sagt. Zum Teil stammten die Tiere von Anbietern, die illegal mit den Katzen handelten. Veterinärämter ließen dann oft die Elterntiere kastrieren, um eine weitere Zucht zu verhindern. Die Besitzer wollten die Tiere danach meist nicht mehr zurück.

Das Interesse an solchen Katzen sei bei Besuchern anfangs oft groß, sagt Streichan. «Wir achten aber darauf, dass sie zu Leuten kommen, die wissen, worauf sie sich einlassen.» Zum Beispiel auf möglicherweise viele Besuche beim Tierarzt und entsprechend hohe Kosten.

dpa