Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Lampen aus Kürbissen: Die Künstlerin und ihr Gemüse

Hand aufs Herz – wer kennt Kalebassen? Sind das alte Schiffsgeschütze? Nein, es geht hier um Flaschenkürbisse. Gemüse, keine Kanonen. Eine Künstlerin macht Erstaunliches daraus.

Virginia Lauterbach präsentiert eine ihrer handgefertigten Kürbislampen in der Kalebassenmanufaktur in Bückeburg.
Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Wer hat nicht schon einmal versucht, sich das Hexenhäuschen aus dem Märchen vorzustellen? Das freundliche gelbe Haus in Bückeburg, Niedersachsen, hat zwar wenig damit gemeinsam, aber der Garten kann einen durchaus zum Nachdenken anregen. Flaschenkürbisse hängen dort in langen Reihen zum Trocknen, an Spalieren, unter dem Dachüberstand – in allen möglichen Größen, Formen und Farben.

Der erste Eindruck: eine Hexenwerkstatt? Werkstatt stimmt schon mal, auch die gibt es; dort arbeitet Virginia Lauterbach an getrockneten und ausgehöhlten Kalebassen – und macht Lampen aus ihnen. Die 46-Jährige hat ein besonderes Verhältnis zu den Flaschenkürbissen: «Das sind Mädels für mich.»

Für die Lampenkünstlerin, selbstständig, sind Kalebassen eine Herzensangelegenheit und Lebensinhalt – auch wenn sie damit keine Familie ernähren wollen würde. «Ich bin sehr kreativ geworden und fühle mich als Künstlerin», sagt sie. Mit kleinen Bohrern bearbeitet sie die getrockneten Kürbisse, die hart sind wie Holz. Aus vielen kleinen Löchern entstehen Muster und Bilder, oft Tiere, gerne Katzen – denn: «Katzen gehen immer.»

Malen mit Licht

Fällt Licht durch die Löcher in der harten Schale der Kalebassen, erscheinen die Muster und Bilder an der Wand: «Wo andere malen, bohre ich und werfe Muster an die Wand. Man kann ganz viel machen, aber meine Passion ist das Bohren.» Was zunächst seltsam klingt, ergibt sofort Sinn, wenn man die Lampen sieht, ihr warmes und stimmungsvolles Licht. «Die leuchten keinen Arbeitsbereich aus, sondern erzeugen Stimmung», betont die 46-Jährige. Und sprechen für sich.

Aber der Reihe nach: Angefangen habe alles damit, dass sie sich selbst mit Obst und Gemüse versorgen wollte, erzählt Lauterbach. Dann habe sie erstmals Kalebassen gesehen und sich gedacht: als Vogelhäuschen oder Nisthöhle für Hörnchen nicht schlecht. Die Kürbisse seien nicht giftig, aber auch nicht gerade eine Delikatesse: «Auf meinem Speiseplan stehen sie nicht.» Der erste Versuch schien zu scheitern, die Kürbisse sahen beim Trocknen verschimmelt aus und kamen auf den Kompost, wie sie sich erinnert. Aber im nächsten Frühjahr waren sie hart wie Holz. Da wusste sie: Es funktioniert. 2019 gründet sie ihre Kalebassenmanufaktur und fertigt bis zu 60 Lampen im Jahr.

Flaschenkürbisse auf 2500 Quadratmetern

Heute erntet sie jedes Jahr auf einer Fläche von etwa 2500 Quadratmetern in ihrem eigenen Garten mehrere Hundert Flaschenkürbisse. “30 bis 40 Prozent schaffen es nicht und verschimmeln, der Rest wird an den Spalieren und überall dort, wo Platz ist, getrocknet.” Hobbygärtner, die Flaschenkürbisse anbauen, müssen sich auch gegen die langen Ranken wehren, die drohen, alles zu überwuchern und den Rest des Gartens einzunehmen, wie Lauterbach empfiehlt.

Sind die Früchte getrocknet, ist zunächst ihr Mann an der Reihe. Klaus-Peter Lauterbach (61), eigentlich Polizeibeamter, reinigt die Kürbisse mit Stahlwolle und Wasser von außen, dann bohrt er die Früchte auf und holt die Reste des getrockneten Fruchtfleisches heraus, sodass nur die harte, verholzte Schale übrig bleibt – «am besten bei Tageslicht», meint er. Die künstlerische Arbeit überlässt er lieber seiner Frau: «Wobei ich so filigrane Hände habe», sagt er selbstironisch.

Vorlage ist am schwersten

In ihrer Werkstatt hat die 46-Jährige zahllose Bohrer und kleine Bohrmaschinen für den filigranen Teil. Das Material ist hart wie Eiche, daher wird mit hoher Drehzahl gebohrt. Sie muss aufpassen und den Bohrer rechtzeitig wechseln, wenn es zu heiß wird. Manche Werkzeuge werden nur einmal im Jahr benötigt, Bohrer jedoch täglich.

Sie arbeitet gerade an einer Afrika-Lampe mit Tiermotiven und Schattenwurf – quasi ein Sonnenuntergang in der Savanne. Einige Tiere werden schwarz oder rot bemalt, manchmal fügt sie bunte Perlen hinzu. Sie hat auch schon Schwertwal-Motive oder Kiwis gebohrt. Besonders schwierig ist es, eine Vorlage zu entwickeln, sodass das Licht, das aus der bauchigen Lampe strahlt, an der Wand ein realistisches Abbild des Motivs ergibt.

Kürbisse in der Landwirtschaft im Trend

Bemerkenswert: In der Landwirtschaft spielt der Flaschenkürbis wohl keine Rolle. Zumindest hierzulande. Ganz anders ist das in Asien, vor allem in Indien. Nach Angaben des niedersächsischen Landvolks ist unklar, ob Flaschenkürbisse in größerem Stil angebaut werden – auch die Experten des Deutschen Bauernverbandes können das nicht einschätzen. Kürbisse an sich seien aber im Trend, sagt eine Sprecherin des Landvolks. Im vergangenen Jahr seien allein in Niedersachsen Speisekürbisse auf einer Fläche von 493 Hektar angebaut worden – 3,8 Prozent mehr als 2022. Ob darunter auch Deko- oder Halloween-Kürbisse waren: unklar. Die Übergänge sind nach Angaben der Landwirtschaftskammer aber wohl «fließend».

Alles kein Problem für Lauterbach, sie baut die Pflanzen selbst an und ist daher nur auf die eigene Ernte angewiesen. Dafür fängt sie jährlich bis zu 20.000 Liter Regenwasser auf. Doch selbst wenn die Ernte mal schlecht ausfallen sollte: «Meine Vorräte sind gut gefüllt.» Sie verkauft die Lampen bundesweit, sogar schon mal nach Australien und Kanada. Bei Tagen der offenen Tür am 3. und 4. Oktober will sie ihre Werke zeigen.

Für diejenigen, denen das nicht genügt und die es unbedingt selbst ausprobieren möchten, eine Lampe aus einer Kalebasse zu bauen, gibt es sogar ein Do-it-yourself-Komplettset – vom Rohling bis zum Bohrer.

dpa